Ulmer Münster

beim höchsten Kirchturm der Welt, August 2022

Das Ulmer Münster (oder Münster Unserer Lieben Frau in Ulm) ist eine im gotischen Baustil ab 1377 errichtete Kirche in Ulm. Es ist die größte evangelische Kirche Deutschlands. Der 1890 vollendete 161,53 Meter hohe Turm ist der höchste Kirchturm der Welt.

 Ulmer Münster, August 2022

Der Grundstein wurde 1377 gelegt, als Ulm eine Reichsstadt und noch vorreformatorisch römisch-katholisch war. Die Predigten des Ulmer Reformators Konrad Sam (ab 1524) begleiteten die graduelle Einführung der Reformation in Ulm. 1530 fiel die Entscheidung in einer Bürgerabstimmung zugunsten des evangelischen Bekenntnisses mit einer Mehrheit von sieben Achteln. So wurde das Ulmer Münster ein Gotteshaus der evangelischen Kirche. Es war bis 1894 im Besitz der Stadt Ulm und kam danach in den Besitz der evangelischen Kirchengemeinde Ulm. Das Münster überstand die Luftangriffe auf Ulm 1944/1945 in den letzten Monaten des Zweiten Weltkriegs weitgehend unbeschädigt.

 Ulmer Münster, August 2022

Das Ulmer Münster ist die größte gotische Kirche in Süddeutschland und Kulturdenkmal. Es hat mit 161,53 m Höhe den bis heute höchsten Kirchturm der Welt. Der Chor des Münsters wird von den beiden Chortürmen flankiert, die mit ihrer Höhe von 86 m zur Gruppe der besonders hohen Türme gehören. Das Kirchengebäude ist 123,56 Meter lang und 48,8 Meter breit. Das Mittelschiff hat eine Höhe von 41,6 Metern, die Höhe der Seitenschiffe beträgt 20,55 Meter. Das Münster hat ein Volumen von rund 190.000 Kubikmeter, und der hohe Westturm belastet die Fundamente mit einer Masse von 51.500 Tonnen.

Nach der Reformation wurden die Figuren an den Pfeilern im Hauptschiff entfernt. Nur die Konsolen mit fantasievollen Steinmetzarbeiten blieben erhalten. Zwischen 1890 und 1912 schuf Carl Federlin die monumentalen Figuren der Propheten und Apostel, die heute auf ihnen stehen.

 Ulmer Münster, August 2022

Der Chorabschluss besteht aus fünf Seiten eines regelmäßigen Zehnecks. Die über 15 Meter hohen Fenster im Chor stammen aus dem 14. und 15. Jahrhundert. Diese Fenster sind, wenn man mit Blickrichtung zum Choraltar nach dem halb hohen Fenster von links nach rechts beginnt:

Fenster der beiden Johannes, Werkstatt Jakob Acker der Ältere Ulm, nach 1385 entstanden, das zweitälteste Fenster des Münsters;
Kramerfenster, Straßburger Werkstattgemeinschaft des Peter Hemmel von Andlau, um 1480 – Dieses Fenster wurde von der Kramerzunft (d. h. Krämer bzw. Kaufleute) gestiftet und wurde wohl an Stelle eines älteren Fensters, welches von Jakob Acker stammte, eingebaut;
Ratsfenster, Straßburger Werkstattgemeinschaft des Peter Hemmel von Andlau, um 1480 – Das Fenster, das vom Rat der Stadt gestiftet wurde, ist wohl ebenfalls an Stelle eines älteren Fensters eingebaut worden;
Anna-Marienfenster, Werkstatt Jakob Acker, um 1385 – Dieses Fenster gilt als ältestes Fenster des Münsters und wurde durch die Zunft der Weber gestiftet, wohl deswegen, weil Maria eine Tempelweberin war und Anna die Patronin der Weber ist:
Fenster der fünf Freuden Mariens, Werkstatt Jakob Acker, um 1400 – Dieses Fenster ist ebenfalls eine Stiftung der Weberzunft.

 Ulmer Münster, August 2022

An Stelle des im 16. Jahrhundert verlorengegangenen Hochaltars steht der Heilige-Sippen-Altar, der nach seinem Stifter Laux Hutz (der „Junker Lukas“) auch als Hutzaltar bezeichnet wird. Ursprünglich stand der Altar in der Turmvorhalle. Die Flügel des Altars stammen von Martin Schaffner aus dem Jahre 1521. Die Werkstatt Niklaus Weckmanns (um 1450/44–1528 Ulm) hat den Schrein mit der Sippe Christi geschaffen. Reich an Gold ist der Schrein mit seinen Figuren noch der Spätgotik verhaftet. Dagegen gehören die Malereien von Martin Schaffner zur Renaissance. Die Predella zeigt das Abendmahl Jesu, wobei die Komposition verrät, dass Schaffner das Abendmahl von Leonardo da Vinci mindestens durch Druckgrafik gekannt haben muss. Auf den Altar-Malereien werden von Martin Schaffner drei noch lebende Verwandte der Goldschmiede-Stifterfamlie Hutz als Heilige porträtiert, was seit dem Jahrzehnt vor der Reformation öfter vorkam, aber dennoch gewagt war.

 Ulmer Münster, August 2022

Die interessanteste ist wohl die kleinste Kapelle, die Bessererkapelle, die vom Chor aus nach rechts – auf der Frauenseite des Chorgestühls in dessen hinterem Teil – zu erreichen ist. Sie wurde etwa 1429 unter Werkmeister Hans Kun erbaut. Diese Kapelle war eine Privatkapelle und hat ihren Namen nach der Patrizierfamilie Besserer erhalten, die über mehrere Generationen in Ulm nachweisbar ist. So war zum Beispiel ein Bernhard Besserer (1471–1542) Bürgermeister in der Reformationszeit.

 Ulmer Münster, August 2022

Das Chorgestühl des Münsters stammt aus den Jahren 1469-1474. Die kunstvollen Schreinerarbeiten fertigte Jörg Syrlin, die lebensgroßen Büsten und Figuren schuf Michel Erhart. Sibyllen, Philosophen, biblische Gestalten und Heilige sind auf einer Männer- und einer Frauenseite dargestellt.

Nördliche Pultwangen-Büste: Samische Sibylle - Teil vom Dreisitz, Jörg Syrlin (der Ältere), 1468

 Ulmer Münster, August 2022

Der Dreisitz und das Chorgestühl mit Hunderten aus Eichenholz geschnitzten Figuren ist eines der berühmtesten und schönsten Gestühle der deutschen Gotik. Es wurde zwischen 1469 und 1474 von dem Schreiner und Bildhauer Jörg Syrlin d. Ä. unter Mitarbeit des Bildhauers Michel Erhart (besonders die Büsten auf den Seitenwangen) angefertigt. Es zählt neben dem Chorgestühl in St. Martin zu Memmingen zu den bedeutendsten gotischen Gestühlen in Deutschland.

Unterhalb des Chorbogens – vor dem Dreisitz – befindet sich der Kreuz- und Seelenaltar mit einer Darstellung des Abendmahls vom Dürerschüler Hans Schäufelein aus dem Jahre 1515.

Die Chororgel befindet sich als Schwalbennestorgel an der Südwand des Chores hoch über dem Chorgestühl.
1960 errichtete die Orgelbaufirma Rieger (Vorarlberg) ein Instrument, dessen Disposition Helmut Bornefeld erstellt hatte. Es verfügte über mechanische Schleifladen, zwei Manuale, Pedal und insgesamt 20 Register (unter anderem mit dem seltenen Alphorn).

 Ulmer Münster, August 2022

Taufstein unter einem Baldachin
Im südlichen Seitenschiff westlich dem Chor befindet sich das achteckige Taufbecken (1474) unter einem Baldachin mit sechs Propheten, zwei Königen und den Wappen der sieben Kurfürsten und des Reiches am Sockel.

 Ulmer Münster, August 2022

Die Glasfenster im Hauptschiff wurden im Zweiten Weltkrieg zerstört. Zwischen 1948 und 2018 wurden für die Südseite neue Fenster gestiftet. Darunter sind Werke bedeutender Glasmaler des 20. Jahrhunderts: Hans Gottfried von Stockhausen, Peter Valentin Feuerstein und Johannes Schreiter. Das letzte Fenster der Südseite ist das 2018 gestiftete Friedensfenster von Thomas Kuzio.

 Ulmer Münster, August 2022

Blick zur Hauptorgel, darüber das Martinsfenster
Die gegenwärtige Hauptorgel (auch „Große Orgel“ oder „Westorgel“ genannt) wurde von 1967 bis 1969 durch die Orgelbaufirma Eberhard Friedrich Walcker & Cie. (Ludwigsburg) erbaut. Sie befindet sich auf der Hauptempore unter dem Hauptturm (Zugang über ein eigenes Treppenhaus). Die Errichtung des Instrumentes wurde durch den Orgelsachverständigen Walter Supper betreut. In dem Instrument wurden Teile des vorhandenen Pfeifenmaterials der alten Walcker-Orgel verwendet. Es verfügt über 99 klingende Register zzgl. Glockenspiel und Zimbelstern auf fünf Manualen und Pedal mit insgesamt 8.900 Pfeifen. Die Orgel gilt als „opus 5000“ bei der Orgelfirma Walcker.
1995/1996 wurde die Orgel mit einer modernen elektronischen Setzeranlage ausgestattet.

 Ulmer Münster, August 2022

Kanzelkorb im Mittelschiff mit turmartig überhöhtem Schalldeckel
Über der im Mittelschiff befindlichen Kanzel ist der etwa 20 Meter hohe Schalldeckel von Jörg Syrlin dem Jüngeren aus dem Jahre 1510. Trägerkonsole und Aufgang stammen von etwa 1498, wobei ältere Teile Verwendung fanden.

Seit der Reformation ist der Gottesdienst im Ulmer Münster auf die Kanzel hin ausgerichtet. Der geschnitzte Kanzeldeckel stammt von Jörg Syrlin dem Jüngeren aus dem Jahr 1510. Die Steinreliefs an der Kanzelbrüstung schuf 1937 der Ulmer Künstler Martin Scheible.

 Ulmer Münster, August 2022

1392-1477: Die Baumeister aus der Familie Ensinger und Kun 
Ulrich Ensinger, Hans Kun, Kaspar Kun, Matthäus Ensinger und Moritz Ensinger errichteten das Hauptschiff des Münsters und den Westturm bis zu einer Höhe von 70m. Sie hatten bereits den Plan, diesen Turm zum höchsten Kirchturm der Welt zu machen.

 Ulmer Münster, August 2022

Erzengel Michael - Bronzene Figur im Hauptbogen unter der Orgelempore
Die sechs Meter große Figur des Erzengels, die der Stuttgarter Städtebau-Professor Heinz Wetzel entworfen hatte, wurde am 5. August 1934 im Ulmer Münster installiert. Für diesen "Tag der Garnison" waren 30.000 ehemalige Soldaten mit Sonderzügen nach Ulm angereist. Aus dem biblischen Erzengel Michael, der gegen das Böse kämpft, war nun ein revanchistisches Kriegsdenkmal geworden.

Mit der Installation der Engelsfigur sowie der Einweihung der Gedenkhalle für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs endete ein lang andauernder Streit: Acht Mannschafts- und Offiziersvereinigungen der Ulmer Vorkriegs-Garnison wollten nach dem Ersten Weltkrieg an exponierter Stelle im Münster ein Denkmal für die Gefallenen aufstellen. Dazu wurde 1922 ein hoch dotierter Ideenwettbewerb ausgeschrieben. Die Jury des Ausschusses für das Gefallenendenkmal unter Vorsitz von Generalmajor a. D. Eugen Glück entschied sich für den Entwurf des Stuttgarter Städtebau-Professors Heinz Wetzel. Mit der Ausführung wurde der in Stuttgart tätige Künstler Professor Ulfert Janssen betraut.

Im Evangelischen Gesamtkirchengemeinderat fand der Entwurf keine mehrheitliche Zustimmung. Bis 1934 wehrte sich der Gesamtkirchengemeinderat gegen die Aufhängung des Engels, der drohend sein Schwert nach oben hält. Die Anbringung dieser Engelsfigur war erst nach dem Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft möglich geworden und wurde von Oberbürgermeister Friedrich Förster, NSDAP-Kreisleiter Eugen Maier und Gaukulturwart Georg Schmückle durchgesetzt.

Die Figur des Erzengels Michael ist Teil der Ulmer Stadt- und Kirchengeschichte geworden und sorgt bis heute für Diskussionen. Sie konfrontiert uns mit einem Teil unserer Vergangenheit, der nicht in Vergessenheit geraten darf. (Ulm, März 2017, der Kirchengemeinderat der Evangelischen Münstergemeinde)

 Ulmer Münster, August 2022

Im Münster befinden sich außerdem 133 historisch wertvolle Wappen- oder Totenschilde; es ist die größte Wappensammlung Deutschlands.

 Ulmer Münster, August 2022

Grabdenkmale und Totenschilde

 Ulmer Münster, August 2022

Fresko „Jüngstes Gericht“ über dem Chorbogen
Über dem Chorbogen befindet sich ein 145 m² großes Fresko aus dem Jahre 1471, welches das Jüngste Gericht darstellt und möglicherweise von Hans Schüchlin geschaffen wurde. Es ist eine der größten Wandmalereien nördlich der Alpen.

Chor eine Etage niedriger als Mittelschiff, Kämpfer des Triumphbogens knapp unter Scheiteln der Arkadenbögen

 Ulmer Münster, August 2022

Leider war der Aufstieg nur bis zur 1. Plattform auf 70 m möglich, nach 392 Stufen war Schluss weil eine Baustelleneinrichtung begann.
Unnötig zu erwähnen, dass trotzdem der Vollpreis von EUR 5,- zu bezahlen war und großspurig mit 768 Stufen Aufstieg auf 161,53 m höchsten Kirchturm der Welt geworben wurde.

 Ulmer Münster, August 2022

Im Hauptturm des Münsters hängen insgesamt dreizehn Kirchenglocken. Zehn Glocken sind läutbar, die drei weiteren hängen an den Wandseiten des Oktogons, werden aber nicht geläutet. Älteste läutbare Glocke des Ulmer Münsters ist die sog. Schwörglocke. Sie stammt aus dem 14. Jahrhundert und erklingt nur zu besonderen Anlässen, u. a. dem Schwörmontag, während des Eides des Oberbürgermeisters auf den großen Schwörbrief von 1397. Sechs weitere Glocken wurden im 14. bzw. 17. Jahrhundert gegossen, von denen heute noch drei läutbar sind. Die übrigen Läuteglocken wurden im 20. Jahrhundert gegossen.

 Ulmer Münster, August 2022

Der Hauptturm kann über 768 Stufen bis zu einer Galerie im oberen Drittel des Turmhelms in einer Höhe von 143 m bestiegen werden. Durch die seit März 2021 andauernden Instandsetzungsarbeiten kann das Münster aktuell nur bis zur ersten Ebene auf 70 m bestiegen werden. Von der obersten Ebene bietet sich ein Panorama der Stadt und ihrer Umgebung. An einigen Tagen im Jahr ist bei Föhn der Blick über ganz Oberschwaben bis zu den Alpen möglich.

 Ulmer Münster, August 2022

Ulm ist eine Universitätsstadt in Baden-Württemberg. Sie liegt an der Donau am südöstlichen Rand der Schwäbischen Alb an der Grenze zu Bayern. Die Stadt hat über 126.000 Einwohner und wurde erstmals am 22. Juli 854 urkundlich genannt.

Berühmte Persönlichkeiten sind beispielsweise der in Ulm geborene Albert Einstein (1879–1955), die Widerstandskämpfer Hans (1918–1943) und Sophie Scholl (1921–1943), die ab 1932 in Ulm aufwuchsen, sowie die Schauspielerin Hildegard Knef (1925–2002), die in Ulm geboren wurde, und der deutsche Gestalter und Grafikdesigner Otl Aicher (1922–1991), der in Ulm geboren wurde und aufwuchs.

 Ulmer Münster, August 2022



Wem der viele Text zu lange war und lieber Bewegtbilder mit Musik mag, kann sich gerne dieses Video antun: