MAMUZ Schloss Asparn/Zaya

Asparn an der Zaya, September 2023

Im MAMUZ Schloss Asparn/Zaya werden 40.000 Jahre Menschheitsgeschichte zu einem Erlebnis! Die Ausstellungen und das archäologische Freigelände mit Nachbauten von historischen Gebäuden lassen tief in unsere Entwicklung von der Steinzeit bis ins Mittelalter blicken. Sonderschau 2023: „Aufgezeichnet! Von der Höhlenmalerei zum modernen Comic“.

 MAMUZ Schloss Asparn/Zaya, September 2023

Vor etwa 70.000 Jahren lassen sich Menschen in Niederösterreich nieder und leben heute noch hier.
Während der letzten Eiszeit liegt ein dicker Eisschild über den Alpen und dem heutigen Skandinavien. Dazwischen gibt es eisfreie Gebiete, wo Pflanzen, Tiere und Menschen leben. Sie sind großen Klimaschwankungen ausgesetzt. In Abschnitten mit gemäßigtem Klima breiten sich Wälder aus, in kalten Perioden kann nur eine karge Tundrenvegetation überleben. In Niederösterreich finden die Menschen jagdbare Tiere, wie Mammuts, Wollnashörner, Rentiere, Wildpferde und Höhlenbären. Unterstand suchen sie in Höhlen und bauen sich zeltartige Behausungen im freien Gelände oder unter Felsdächern. Sie richten sich ein und nutzen die vorgefundenen Bedingungen für ihr Überleben. Und sie suchen nach Neuem und erweitern ihr Wissen. Ihre Erfahrungen überdauern durch Kommunikation und Weitergabe von einer Generation an die nächste.

Wir stoßen heute auf die Spuren ihres längst vergangenen Alltags. Ihre Werkzeuge, Waffen, Schmuck, Gräber machen uns zu Zeugen eines Lebens, zu dem, wie heute, auch Freud und Leid gehören. Die Trauer um den Tod zweier Säuglinge scheint in der pietätvollen Bestattung spürbar zu sein. Dem steht das Rätsel um etwa hundert gewaltsam zu Tode gekommene und scheinbar achtlos verscharrte Menschen gegenüber. Nicht nur Höhlen bieten ein schützendes Dach über dem Kopf. Der Mensch nutzt die vorhandenen Ressourcen von Anfang an und baut sie aus. Neben Wohnraum in Höhlen baut er stabile Hütten im Freiland. Im Neolithikum werden dann erstmals große Holzhäuser errichtet, die ersten Tiere gezüchtet und Getreide angebaut. Die gedankliche Welt können wir heute nur versuchen zu erahnen. Die riesigen Kreisgrabenanlagen, deren Funktion für uns heute nicht ersichtlich ist, liefern uns Hinweise dafür. Sind sie nach den Sternen ausgerichtete Versammlungsplätze, eine Art Tempel oder doch Funktionsbauten?

Der Ackerbau und die Viehzucht bedeuten eine große Errungenschaft für den Menschen. Etwa um 5.500 v. Chr. erreichen sie Mitteleuropa und breiten sich langsam und kontinuierlich aus. Damit etablieren sich Sesshaftigkeit, stabiler und langlebiger Hausbau sowie die Keramik-Produktion. Der künstlerische Ausdruck scheint dem Menschen seit vielen Jahrzehntausenden ein Bedürfnis zu sein. Allerdings wissen wir heute nicht, welchen Stellenwert und welche Rolle die von uns als Kunst interpretierten Objekte hatten. Die Kunst zu überleben, die Kunst sich mit vorhandenen Gegebenheiten auseinanderzusetzen, sie zu nutzen und weiterzuentwickeln, sind die Pfeiler, auf denen wir heute stehen. Wir bauen auf diesen auf.

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WENN MAUERN SPRECHEN KÖNNTEN. DER GASTGEBER SCHLOSS ASPARN/ZAYA ERZÄHLT VON SICH
Das Schloss Asparn steht wahrscheinlich auf einem ehemaligen Hausberg. Urkundlich wird erstmals im Jahr 1108 ein Herr Poto de Asparn genannt. Dieses Geschlecht wird als Begründer des kolportierten Hausberges angenommen. 1286 soll Hademar III. von Sonnberg neben einer Holzburg ein „prächtiges Schloss" erbaut haben.
In den folgenden Jahrhunderten wechselt das Schloss immer wieder seine Besitzer. Reinprecht von Wallsee lässt 1421 neben anderen Umbauten die beiden Ecktürme errichten. Von 1610 bis 1894 bleibt Schloss Asparn im Besitz der Grafen Breuner, dann fällt es an das Haus Ratibor. Während des 30-jährigen Krieges (1618-1648) wird es von den Schweden zerstört. Neben Plünderungen und Abgaben leiden die Asparner zu dieser Zeit auch unter der Pest. Ungefähr 30 Jahre später dokumentiert eine Zeichnung das Schloss wieder als mächtigen Bau. Eine neuerliche Zerstörung erfährt es mitsamt dem Ort im frühen 18. Jh. durch die ungarischen Kuruzzen. Kurze Zeit später baut Max Ludwig Breuner das Schloss um. Im frühen 19. Jh. wird ein Flügel des Schlosses geschleift, seither ist der Innenhof zum Schlosspark hin geöffnet. Der Umbau, der die Funde aus der Gewölbebeschüttung erbrachte, fand 2001/2002 für die damalige Neugestaltung der Schausammlung statt. Seit 1964 in Pacht und seit 2010 im Besitz des Landes Niederösterreich, beherbergt das Schloss Asparn das Museum für Urgeschichte. Ab 2014 werden hier anhand der Archäologie Niederösterreichs 40.000 Jahre Menschheitsgeschichte erzählt.

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EINE KLEINE BEMALTE STATUETTE
Die Haut gelb, die Schürze ist aus schwarzen schräg gestellten Mäandern aufgemalt. Die Haare, ebenfalls schwarz und gewellt, scheinen auch auf Hals und Brust vorhanden zu sein. Ein roter Gürtel sitzt über dem schwarzen Rock, unter der Brust eine große Doppelspirale. Ein kleiner roter Punkt am Kopf wird auch als Schmuck gedeutet. Die Form des Kopfes wirkt eher abstrakt, aufgesetzt auf einen sehr langen Hals.

AUS DEM NEOLITHIKUM
Solche Frauenstatuetten, bemalt und unbemalt, sind häufig in der mittleren Jungsteinzeit Niederösterreichs.
Meist kommen sie in Siedlungen vor. Daher weist ihr die Archäologie gerne das Wesen eines Schutzsymboles für Haus und Hof, für Geborgenheit zu.

WEIBLICHES IDOL VON FALKENSTEIN (moderne Replik), Fundort des Originals: Falkenstein (Bez. Mistelbach)
Kein Fund sieht heute noch so aus wie vor Tausenden von Jahren. Farben verändern sich oder blättern ab. Diese neu geformte Replik der „Venus von Falkenstein" soll zeigen, wie die jungsteinzeitlichen Farben ursprünglich ausgesehen haben könnten.

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Vom Stein zu Metall. Der Schritt ist zweifellos groß. Ohne Metall wären keine effizienten Werkzeuge, keine wirksamen Waffen und erst recht keine komplizierten Maschinen möglich. Aber es waren mehrere Schritte, die am Ende zu dem führten, was wir in der Archäologie fassen. Wie es sich abgespielt hat, versuchen wir aufgrund der archäologischen Funde nachzuvollziehen. Wir kennen die ältesten Metallobjekte und beobachten die schrittweise Entwicklung. Die einzelnen Epochen der Metallzeiten sind nach den jeweils neuen Werkstoffen Kupferzeit (ca. 4000-2200 v.Chr.), Bronzezeit (ca. 2200-800 v.Chr.) und Eisenzeit (ca. 800-15 v.Chr.) benannt. Vermutlich breitete sich das metallurgische Wissen von Vorderasien Über den Balkan nach Mitteleuropa aus.

Bereits in der vorangehenden Jungsteinzeit waren den Menschen gediegenes Gold, Kupfer oder Eisen als seltene Materialien bekannt. Der entscheidende Durchbruch war jedoch die Entdeckung, wie man reines Kupfer aus Kupfererzen schmelzen konnte. In der Kupferzeit gelangen die ersten Kupfergeräte nach Österreich. Sie stammen vermutlich aus Südosteuropa. Jene Menschen, welche die Kunst der Kupfergewinnung beherrschten, waren zweifellos gefragte Spezialisten. Das Kupfererz wurde ab dem Beginn des 4. Jahrtausends v.Chr. in Bergwerken abgebaut. Die Verarbeitung des Metalls führte auf Dauer zu einer Arbeitsteilung innerhalb der Gesellschaft und zur Herausbildung von Berufen. Dennoch dauert es fast zwei Jahrtausende, bis das weiche Kupfer von der härteren Bronze abgelöst wird. Die Bronzezeit definiert sich durch eine neue Entdeckung: die Legierung von Kupfer mit Zinn, wodurch Bronze entsteht. Die handwerkliche und künstlerische Bronzetechnologle steigert sich zur Perfektion. Dieser Werkstoff lässt sich leichter gießen, besser schmieden und einfacher härten. So entstehen in der Bronzezeit prächtige Schmuckformen, bessere Werkzeuge und völlig neue Waffen.

Weiträumige Kontakte sind notwendig, um den hohen Bedarf an Rohstoff zu decken. Die Erze sind ja nicht so einfach verfügbar, vor allem Zinnlagerstätten sind selten. Am Ende der Bronzezeit und am Beginn der Eisenzeit scheint das hohe Niveau der Bronzeverarbeitung schon fast Routine zu sein. Zusätzlich kommt ein neues Material ins Spiel, das Eisen. Wie bei der Bronze breitet sich auch das Wissen um die Eisenverhüttung zu Beginn des 1. Jahrtausends v.Chr. aus dem Nahen Osten nach Mitteleuropa aus. Schnell erreicht man auch damit höchstes handwerkliches und künstlerisches Niveau. Von den ersten Kupferbeilen der Kupferzeit zu den fein verzierten Kunstwerken der Kelten in der jüngeren Eisenzeit vergehen einige Jahrtausende. Aber jedes Stück auf diesem Weg stellt einen Meilenstein der Geschichte dar.

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HAUSRAT IN SCHUTT UND ASCHE
Fundort: Kleiner Anzingerberg (Bez. Krems-Land), Datierung: ca. 2900 v. Chr.
SCHMUCK - Perlen wurden aus den unterschiedlichsten Materialien hergestellt.
TEXTILHERSTELLUNG - Die Spinnwirtel belegen die Herstellung von Fäden auf Handspindeln. Die Webgewichte dienen zum Spannen der Kettfäden auf einem Gewichtswebstuhl.
MUSCHELN UND SCHNECKEN - EINE DELIKATESSE - Wo sich Gewässer in der Nähe befanden, wurden Flussmuscheln gesammelt. Auch Schnecken waren in der Jungsteinzeit und Kupferzeit beliebte Delikatessen.
KNOCHEN- UND GEWEIHGERÄTE - Aus Tierknochen und Hirschgeweihen wurden Geräte für viele Zwecke hergestellt: Spitzen zum Durchstechen von Leder oder Rinde, Spateln zum Glätten von Leder, Meißel für feine Holzarbeiten, Äxte zum Holzfällen und Hacken zur Bodenbearbeitung.
KERAMIKGEFÄSSE - Die Keramik der Jevišovice-Kultur ist häufig mit Kerbleisten und Einstichen verziert. Auch die flächige Bemalung mit Graphit ist üblich und verlieh den Gefäßen einen metallischen Glanz.

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IN DER KUPFERZEIT: VERBRENNUNG DER TOTEN NEBEN GRÄBERN MIT SKELETTEN
Ihre Gefäße haben die Form einer auf den Kopf gestellten Glocke. Die Archäologie nennt sie „Glockenbecherkultur". Ihr Verbreitungsgebiet liegt von Marokko bis Polen, von Schottland bis Sizilien. Ihre Hinterlassenschaften stammen sehr selten aus Siedlungen, vor allem aus Gräbern. Beide Grabsitten, sowohl die der Körperbestattung als auch die der Verbrennung, kommen nebeneinander vor. Neben dem typischen Glockenbecher gehören Feuersteinpfeilspitzen, Armschutzplatten, oft Kupferdolche zum Grabinventar der Männer. Die Frauengräber enthalten neben Bernsteinobjekten oft Stirnbänder aus Kupfer, Silber und Gold. Woher kommt diese neue und weiträumige Kultur? Das ist eine viel diskutierte und bis heute unbeantwortete Frage. Von einem fremden nomadisierenden „Volk (von) Bogenschützen" bis zu einer „einheimischen" Kultur reichen die Meinungen. In Lichtenwörth, Wr. Neustadt, birgt eine Grube acht Tote. Fünf Erwachsene und drei Kinder, 4, 5 und 8 Jahre alt, deren Körper zum Teil übereinander liegen. Die Todesumstände sind unbekannt. Zwei Äxte, fünf Pfeilspitzen, drei vollständige Ösenhalsreifen und vier Fragmente befinden sich im Grab. Die Ösenhalsreifen aus Kupfer sind Boten des neuen Werkstoffes Kupfer.

DOPPELBESTATTUNG ZWEIER KINDER
Sterbealter: 2 und 6 Jahre, Fundort: Unterhautzental (Bez. Korneuburg), Datierung: ca. 2200 bis 1550 v. Chr.

ZWEI KINDER IM GRAB, IN LIEBEVOLLER UMARMUNG
Die Siedlung Unterhautzental liegt bei Stockerau auf einem nach Süden ausgerichteten Hang. Der Friedhof zur Siedlung enthielt einst wahrscheinlich etwa 50 Gräber, 42 davon können noch geborgen werden. Einige Tote liegen in Holzsärgen, in einem Fall, sogar in einem Baumsarg. Die Bestatteten sind in ihrer Tracht niedergelegt, auf ihrer rechten Seite in Hockerposition. An Beigaben erhalten sie Gefäße, wahrscheinlich einst gefüllt mit Speisen und Getränken und Fleischportionen von Hausschwein, Hausrind und Schaf. In einer kleinen Grabgruppe am Rande der Siedlung werden auch zwei Kinder in äußerst liebevoller Weise bestattet. Ein zweijähriges und ein ca. siebenjähriges Kind liegen einander zugewandt in Hockerlage in einem Grab. Die beiden Kinder scheinen sich an Schultern und Oberarmen festzuhalten, sich zu umarmen. Die Todesursache ist unbekannt, die Verletzung am Schädel des älteren Kindes könnte aber ein Hinweis sein.

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BRONZEZEITLICHE WAFFEN
GRIFFPLATTENSCHWERT - Von der Länge her handelt es sich um eine Übergangsform zwischen Langdolch und Kurzschwert. Fundort: Vorder-Hainbach (Wien 14.), Datierung: ca. 1550 bis 1400 v. Chr.
VOLLGRIFFSCHWERT - Der Griffteil wurde in einem komplizierten Gussverfahren separat an die Schwertklinge angegossen. Fundort: Ybbs an der Donau (Bez. Melk), Datierung: ca. 1250 bis 1050 v. Chr.
ANTENNENGRIFFSCHWERT
GRIFFDORNMESSER MIT VERZIERTER KLINGE - Das Schwert wurde zusammen mit dem Griffdornmesser gefunden, wahrscheinlich handelt es sich um eine Deponierung oder um Grabbeigaben. Fundort: Leopoldsberg (Wien 19.), Datierung: ca. 1050 bis 900 v. Chr.

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AUFBRUCHSTIMMUNG IN DER SPÄTBRONZEZEIT?
Die Landwirtschaft bleibt unverändert die Lebensgrundlage, wie in den vorangegangenen Abschnitten. Ein Anwachsen der Bevölkerung benötigt aber neue Strukturen und Organisationen. Neue Gebiete, bis dahin unbewohnt, werden jetzt erschlossen. Im offenen Flachland breiten sich große Dörfer aus. Lange hallenartige Wohnhäuser, kleine Bauten für Handwerker und Speicher in Pfostenbauweise verteilen sich über die Siedlung. Diese großen bäuerlichen Dörfer sind vermutlich imstande, mehr als ihre eigenen Gemeinschaften zu ernähren. Dies ermöglicht eine gewisse Arbeitsteilung und Spezialisierung in der Gesellschaft. Von zentraler Bedeutung sind die Ortschaften auf den Anhöhen.

Strategisch günstige Plätze, immer natürlich geschützt, werden mit starken Wällen befestigt und mit Toranlagen versehen. Auf den Wällen steigern oft noch zusätzliche Palisadenreihen das Gefühl der Sicherheit. Unruhige Zeiten scheinen solche Maßnahmen zu fordern. Auf der anderen Seite formen sich auch Kommunikationsnetze mit einem Fluss von Wissen und Waren. Die große befestigte Höhensiedlung Schanzberg bel Thunau am Kamp im Waldviertel liegt auf einem Höhenrücken mit gutem Überblick über das umliegende Land. Ein steiler Abbruch sichert das Gelände im Osten und Süden, ein mächtiger Wall schützt an den anderen Seiten. Über zwei Tore ist die Siedlung zu betreten. In den Wohnhäusern garantieren Backöfen, Webstühle, Vorratsgruben und Kellerbereiche die Versorgung im Alltag. Gussformen aus Stein und Ton belegen sogar eine Bronzeverarbeitung in der Siedlung.

Eine Brandkatastrophe lässt die Bewohner und Bewohnerinnen all das aufgeben. Im Hanghaus 01 erhält sich durch den Brand ein Teil des Hausinventars in Originallage. In der Hausecke im Inneren bleibt eine Herdplatte erhalten, an der Außenwand der Rest eines Backofens. Zahlreiche Gefäße beim Herd bilden das Spektrum von Behältern in einem spätbronzezeitlichen Haushalt ab. Sogar eine Reibplatte mit Reibstein zum Mahlen von Getreide lehnt noch an der Hauswand. Durch den Brand ist auch Getreide verkohlt, das uns wertvolle Informationen über den spätbronzezeitlichen Ackerbau liefert. Gerste dominiert neben Emmer, Einkorn, Dinkel, Nacktweizen und Rispenhirse. Zu den bereits bekannten eiweißhaltigen Pflanzen Erbse und Linse gesellen sich jetzt Ackerbohne und Linsenwicke. Leindotter und Mohn dienen als wichtige Quelle pflanzlicher Fette. Wo sind die Menschen wohl hingezogen, nachdem sie Haus und Hof überstürzt verlassen mussten?

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DAS PHANOMEN DEPOTFUND
Die Deponierungen werden als Teil des Lebens und des Gemeinschaftsempfindens gedeutet. Das Vergraben in der Nähe oder sogar in Siedlungen scheint diese Interpretation zu stützen. Die unterschiedlichen Zusammensetzungen der Depots könnten dabei die möglichen Motivationen und Hintergründe für die Deponierung ausdrücken. Mit den Gefäßdepots werden in erster Linie Speise- und Trankopfer verbunden, mit einer anschließenden „Entsorgung" der Gefäße. Diese Art von Opferungen wird oft von Ackerbaukulturen gepflegt, im Rahmen von zyklisch wiederkehrenden Jahresereignissen. Auch hinter den sogenannten Metallwertdepots werden rituelle Handlungen vermutet. Vielleicht sollte der Erde symbolisch ein Teil von dem zurückgegeben werden, was ihr vorher aus den Bergwerken „geraubt" worden war.

Trotzdem sind manche Depots auch als reine Materiallager oder vielleicht sogar Verstecke in Betracht zu ziehen. Merkwürdig aber, dass diese Lager in vielen Fällen nicht mehr abgeholt werden. Die sogenannten Ausstattungsdepots verfolgen vielleicht ähnliche Ziele wie die Metallwertdepots. Dabei könnte man bei einigen Ausstattungsdepots und den Schmuckdepots auch an verstecktes „Familiensilber" denken. Ein Depot vereint alle Elemente der archäologischen Erforschung vergangener Kulturen in sich. Es enthält den sakralen Aspekt der Bestattung, den profanen Aspekt des Alltags, den technischen Aspekt des Handwerks, auch wenn der Grund für die Deponierung oft nicht eindeutig ist.

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NUR DAS BESTE GUT GENUG FÜR DIE REISE INS JENSEITS?
Die Archäologie versucht Alltag, Leben und Sterben anhand von Dingen nachzuzeichnen, die sich bis heute erhalten haben. Die meisten und am besten erhaltenen Objekte stammen dabei aus Gräbern. Oft wird angenommen, dass die Grabausstattungen eine soziale Ordnung abbilden, dass sie wie ein „Spiegel" des Lebens wirken. Sie sollen nicht nur den Reichtum oder die Armut der Toten zu Lebzeiten, sondern auch ihren Status in der Gemeinschaft verdeutlichen. Die Gedankenwelt der Gesellschaft verraten die Gräber zwar nicht, aber sie bezeugen Sitten im Umgang mit dem Tod. Welche Änderung in der Vorstellungswelt bedeuten die Verbrennung der Toten auf einem Scheiterhaufen und die Bestattung der Überreste in Urnen? Die Ausbreitung dieses Brauches ist bald über weite Teile des heutigen Mitteleuropas zu beobachten. Die Archäologie nennt diesen Abschnitt der Bronzezeit auch Urnenfelderzeit.

Warum und von wo startet dieser Grabbrauch? Warum wird der Leichnam „vernichtet"? Auf welche Weise breitet sich diese Bestattungssitte aus? Vielleicht ist es Ausdruck eines Kommunikationsnetzes, das auch für die Verbreitung der Rohstoffe Kupfer und Zinn angenommen wird. Der Leichnam wird vermutlich in seiner besten Kleidung, mit dem Schmuck, den Waffen aus Bronze und anderen persönlichen Dingen auf dem Scheiterhaufen verbrannt, die Überreste bestattet. Aber oft liegen im Grab auch unverbrannte Gegenstände aus Bronze neben ganzen Serien von Gefäßen, die ebenfalls nicht im Feuer lagen. Dabei wissen wir nicht, wessen Eigentum die Objekte in den Gräbern sind: Gehörten sie den Bestatteten oder den Hinterbliebenen?

Auch wenn wir die Lebensanschauung hinter den Grabbräuchen nicht kennen, versuchen wir die Menschen zu sehen und ihre Trauer zu erahnen.
„Sich Mühe machen um ein Begräbnis, eine würdige Beerdigung, einen großartigen Leichenzug zu haben: All dies ist mehr zum Trost der Lebenden als von Nutzen für die Toten."
Augustinus von Hippo, 354-430, Bischof von Hippo Regius, im heutigen Algerien

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MÄCHTIGE HÜGEL PRÄGEN DIE LANDSCHAFT DES WEINVIERTELS
Es sind Grabstätten, die seit etwa 2.500 Jahren an die Toten erinnern, die unter ihnen bestattet sind. In der älteren Eisenzeit, der Hallstattzeit, sind die Grabsitten vielfältig. Die Toten werden unter einem Hügel oder in einem Flachgrab bestattet. In Niederösterreich ist die Verbrennung der Toten, gemeinsam mit Schmuck, Waffen und Werkzeugen, üblich. Die Ausstattung mit Trink- und Speisegeschirr ist von großer Bedeutung. Dient sie für das letzte Festmahl im Diesseits oder für die Versorgung im Jenseits? Beeindruckend sind die mächtigen Hügelgräber, einzeln oder in Dreiergruppen, wie in Gemeinlebarn, Bernhardsthal, Rabensburg, Oberweiden. Das größte unter ihnen ist der Großmugi, 14 m hoch und 46 m im Durchmesser. Er steht jetzt allein, war ursprünglich aber auch Teil einer kleinen Gruppe, die heute leider eingeebnet und nur mehr im Luftbild als Umriss zu sehen ist. In Absdorf, Gaisruck, Niederhollabrunn, Niederfellabrunn stehen die einzelnen imposanten Hügel auf einer Geländeerhebung und wirken dadurch noch majestätischer.

„LEBERN" ODER „LEWARN" BEDEUTET ERDHÜGEL
Der „Ort, wo Grabhügel sind" wird Langenlebarn im Jahr 836 n. Chr. in einer Urkunde genannt. Die Grabhügel stammen aus der Hallstattzeit. Einer davon, der Tumulus 3, enthält eine große Grabkammer aus Holz mit einem reichen Trink- und Speiseservice. Fast genau in der Mitte des Grabes wurden die verbrannten Knochenreste des Tofen, ursprünglich wohl in einem Holzkistchen niedergelegt. Mindestens sieben Tonfiguren begleiten den Verstorbenen, drei davon zur Hälfte schwarz und rot bemalt. Wie diese Figuren sind wohl auch die Reiterfigur und das Gefäß mit aufgesetzten Stierköpfen Ausdruck der Zeremonien bei diesem prunkvollen Begräbnis.

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AUFGEZEICHNET. VON DER HÖHLENMALEREI ZUM MODERNEN COMIC
Wussten Sie, dass die steinzeitliche Höhlenmalerei auch als Vorgänger unserer Comics gilt? Urgeschichte und Archäologie faszinieren bis heute viele Menschen, deshalb gab es immer auch eine populäre Aufarbeitung in Bildgeschichten und Illustrationen. Tatsächlich gibt es altsteinzeitliche Darstellungen, die offenbar karikaturhaften Charakter besitzen. Die meisten Höhlenbilder lassen sich aber wohl mit religiös-magischen Vorstellungen und Zeremonien verbinden Die dargestellten Tiere und Fabelwesen bevölkerten sicherlich auch die Geschichten, die man sich am Lagerfeuer erzählte. Gute Erzählungen begeistern uns Menschen aber immer noch nicht nur am Lagerfeuer. Stoff für gute, satirische Geschichten und Karikaturen bieten auch unsere Vorstellungen vom Lebensalltag unserer Vorfahren und von der Arbeit der Archäolog:innen. Es geht aber keineswegs darum, bloß zu spotten - sie sind ein Mittel, die gängige Praxis und Interpretation humorvoll zu hinterfragen. Wissenschaftscomics und archäologische Zeichnungen sind wichtige Ausdrucksmittel der Forschung und Vermittlung.

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DIE STÄDTE BILDUNG, HANDWERK, FORTSCHRITT, HUNGER, KRANKHEIT
Im 12. Jh. kommt es zu einem starken Anstieg der Bevölkerungszahl, es entwickeln sich größere Siedlungen mit städtischem Charakter. Sie liegen meist an wichtigen Verkehrswegen, wie etwa der Donau, sowie an Verkehrsknotenpunkten. Beispiele für Städte aus dieser Zeit sind Tulin, Wien oder Krems, die bereits in der Römerzeit eine wichtige Stellung eingenommen hatten. Um 1200 erhalten nach und nach auch abgelegene Siedlungen wie etwa Zwettl ein städtisches Gepräge. Im 13. Jh. kommt es zu einem weiteren Aufschwung der Städte. Besonders die größeren landesfürstlichen Zentren gewinnen zunehmend an Selbstständigkeit. Zu nennen sind hier etwa Wien, Wiener Neustadt, Krems und Tulin. 1365 gründet Rudolf der IV. die Universität Wien. Bevor Universitäten und Privatschulen aufkamen, war das Bildungswesen von der Kirche getragen worden.

Die Städte sind also Zentren für Bildung und Kultur, aber auch für Handel und Geldwirtschaft. Gemeinsam mit der steigenden Produktion und der wachsenden Spezialisierung der Handwerke bringt das Aufblühen der Städte gute Absatzmärkte mit sich. Besonders ab dem 13. Jh. organisieren sich die freien Handwerker in Zünften, in Österreich Zechen genannt. Es herrscht Beitrittspflicht, wobei die Anzahl der Meister beschränkt bleibt. Als rechtliche Grundlage gilt die Zunftordnung, die Rechte und Pflichten der Mitglieder regelt, wie die Unterstützung kranker Mitglieder. Die Vertreter der Zünfte konzentrieren sich oft in gewissen Straßen und Vierteln, die auch nach ihnen benannt werden. Auf der anderen Seite hat die große Bevölkerungskonzentration auch negative Auswirkungen: Seuchen breiten sich in den Städten aus. Die medizinische Versorgung ist gering, teilweise werden Kranke in Quarantäne genommen. Im besten Fall erfolgt eine Behandlung, Hilfe erhofft man sich besonders durch das Gebet als auch durch abergläubische Handlungen.

Anfang des 14. Jhs. kommt es in weiten Teilen Europas zu einer fast zwanzig Jahre währenden Hungersnot. Durch die weltweiten Handelsbeziehungen eingeschleppt, verbreitet sich die Pest über ganz Europa. Sie wütet zwischen 1347 und 1353, ungefähr 25 Millionen Menschen sterben. Das ist ein Drittel der damaligen Bevölkerung Europas. Aber es beginnt auch eine Zelt der Aufbrüche und der wissenschaftlichen und künstlerischen Fortschritte. Die Erfindung des modernen Buchdrucks durch Gutenberg in der Mitte des 15. Jhs. gilt als eine der Errungenschaften, die mit dem Übergang vom Mittelalter in die Neuzeit verbunden werden. Die Renaissance führt zu einer Wiederbelebung antiker kultureller Errungenschaften; im Humanismus spiegelt sich die veränderte Auffassung des Menschen wieder. Die großen Entdeckungsfahrten bringen neue naturwissenschaftliche und geografische Erkenntnisse und damit verbunden die Nutzbarkeit neuer Handelswege.

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ÜBERLIEFERN MIT UND OHNE SCHRIFT
Viele Tausende von Jahren geschieht Weitergabe von kulturellem Wissen über mündlichen Austausch. Wahrscheinlich oft über Symbole, die nur Eingeweihte verstehen und deuten können. Viele Völker schreiben nichts über sich selbst nieder. Wir erfahren von ihrer Existenz aus Schriftquellen von Kulturen, die über
sie schreiben.  Diese Berichte sind natürlich subjektiv, teils wurden sie gar mit einer besonderen Absicht, etwa zu Propagandazwecken, verfasst. So sind die Darstellungen oft wohlgesinnt wohlgesinnt gegenüber gegenüber Freunden, Freunden, abwertend gegenüber Gegnern.

In die Gebiete nördlich der Alpen kommt die Schrift erst mit den Römern. Inschriften auf Grabsteinen, Bauinschriften und Meilensteine zeugen davon. Im Laufe des Frühmittelalters und mit der fortschreitenden Christianisierung werden Klöster zu Zentren der Schriftkultur. In den Scriptorien vervielfältigen Mönche Schriften und Bücher und füllen damit die Bibliotheken der Klöster. Lebensgeschichten von Heiligen sind etwa aussagekräftige Dokumente dieser Zeit. Lange Zeit sind es nur wenige, die lesen und schreiben können. Schriftkundigkeit bedeutet auch Macht. Zugang zu Bildung und damit zu Unterricht in Lese- und Schreibkunst war lange Zeit vor allem dem Nachwuchs der Kirche, den Novizen in den Klöstern zugänglich.

Die karolingische Bildungsreform Karls des Großen bringt kulturellen Aufschwung. Die sogenannte „karolingische Minuskel", eine Erneuerung der Schriftart, breitet sich ab der Zeit um die Mitte des 8. Jhs. von der Hofschule Karls des Großen aus. Im Verlauf des Mittelalters werden in den Städten Domschulen und schließlich private Schulen und Universitäten gegründet. Es kommt zu einem Anstieg des allgemeinen Bildungsgrades. Mit der Einrichtung der Unterrichtspflicht unter Maria Theresia 1774 wird Schulbildung einer größeren Anzahl von Kindern zugänglich. Trotzdem werden Teile der Bevölkerung, wie Mädchen und Arme, noch immer von Bildung ferngehalten. ferngehalten.

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DER RÖMISCHE LIMES - 5.500 KM GRENZE
Entlang der römischen Grenze - hier symbolisiert durch die Palisade aus Holz - existierten rege Handelsbeziehungen zwischen dem Süden und dem Norden, angedeutet durch die roten Bänder. Mit dem Limes markieren und sichern die Römer die Außengrenzen ihres Reiches. Seine Gestaltung richtet sich nach den örtlichen Bedingungen. Einzelne Kastelle und Wachttürme bis zu durchgehende Steinmauern, wie der Hadrianswall in Großbritannien, sichern und schützen die Grenze. Große Flüsse wie Donau und Rhein werden als natürliche Grenze genutzt.

Das Königreich Noricum wird im Jahr 15 v. Chr., unter Kaiser Augustus, Teil des Römischen Reiches. Zur römischen Provinz wird es 45 n. Chr. unter Kaiser Claudius. Zu dieser Provinz gehören Niederösterreich, Kärnten, Salzburg, Oberösterreich, Steiermark und Teile Tirols im heutigen Österreich. Im heutigen Nieder- und Oberösterreich bildet der norische Limesabschnitt vom 1. bis zum 5. Jh. n. Chr. einen Teil der nördlichen Grenze des Römischen Reiches. Er verläuft die Donau entlang von Passau (Batava) bis Zeiselmauer (Cannabiaca). Östlich liegt die Provinz Pannonien. Der Limes an der Donau wird nach und nach durch verschiedene Befestigungsanlagen gesichert. Erste Holzkastelle mit Palisaden, Erdwällen und Gräben werden im fortschreitenden 1. Jh. n. Chr. errichtet. Im frühen 2. Jh. n. Chr. kommen weitere Kastelle dazu, einige Lager werden in Steinbauweise ausgebaut. Während der Markomannenkriege, von 166-180 n. Chr., wird der norische Limes weiter verstärkt.

Unter Kaiser Trajan (98 bis 117 n. Chr.) findet das Imperium Romanum seine größte Ausdehnung. Der Limes hat eine Länge von ca. 5.500 km. Am Ende des 2. Jhs. n. Chr. findet der Umbau von Holz-Erde-Lagern zu Steinkastellen am norischen und pannonischen Limes statt. Im 4. Jh. n. Chr. schließlich schwächt eine Heeresreform die Grenzheere in den Provinzen. Die Kastelle an den Grenzen werden in der Folge von reinen Militäranlagen auch zu zivilen Städten. Es kommt zu einer Bauoffensive; viele Kastelle werden massiv verstärkt. In Mautern, Traismauer, Tulln, Zeiselmauer werden Ecktürme und Zwischentürme zu Fächer- und Hufeisentürmen umgebaut. Bürgerkriege innerhalb des Imperiums und ins Reich drängende Völker aus dem Norden und dem Osten erschüttern Rom ab der Mitte des 4. Jhs. Spezielle Truppen sichern jetzt die Grenzen, die reguläre Armee wird in das Landesinnere verlegt. Die Anlagen werden zu Restkastellen verkleinert. Die Soldaten leben mit ihren Angehörigen innerhalb der Militäranlagen, die Zivilsiedlungen rund um die Lager werden aufgegeben. 395 n. Chr. kommt es zur Teilung in ein Ost- und Weströmisches Reich. Diese politischen Umstellungen führen in der Provinz Noricum zu wirtschaftlichen Krisen. Die militärische Sicherung der nördlichen Reichsgrenzen wird unmöglich. Verschiedene Völker belagern, plündern und zerstören die Limesorte an der Donau. Das Jahr 476 bringt das Ende des Weströmischen Reiches. Im Jahr 488 zieht ein Teil der romanischen Bevölkerung, vor allem die wirtschaftliche, politische und militärische Elite, aus der Provinz Ufernoricum nach Italien ab. Die nicht abgewanderten Bevölkerungsgruppen richten sich mit den germanischen Zuwanderern ein.

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TONGEFÄSSE AUS HÜGELGRÄBERN
Die Grabzusammenhänge sind nicht überliefert. Die Gefäße zeigen lokale und römische Einflüsse.
Fundort: Niederhausleithen (Bez. Amstetten), Datierung: ca. O bis 150 n. Chr.
GESICHTSURNE - Einzigartiges Gefäß mit Gesicht und drei aufgesetzten Nebengefäßen.

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BARBARICUM NENNEN DIE RÖMER DIE GEBIETE AUSSERHALB IHRES REICHES
Der Begriff Barbaricum geht auf die Griechen zurück, die alle nicht Griechisch Sprechenden als bárbaroi bezeichneten. Die Römer übernehmen diesen Ausdruck und nennen die Gebiete östlich des Rheins und nördlich der Donau, außerhalb des Römischen Reiches, Barbaricum. Unter Kaiser Augustus, dem ersten Kaiser Roms, werden diese Gebiete zur römischen Provinz Germania. Auch die Markomannen unter ihrem König Marbod im heutigen Böhmen siedeln in diesem Gebiet. Mit der Niederlage in der Varusschlacht 9 n. Chr. muss dieses expansive Vorhaben fallengelassen werden. Kaiser Augustus beschränkt sich jetzt auf die Stabilisierung bestehender Grenzen. Ein reger Austausch zwischen dem Barbaricum und dem Römischen Reich ist zum Vorteil für beide. Römer, Germanen und Angehörige anderer Völker gehen ihren Geschäften nach und reisen zwischen dem Römischen Reich und dem Barbaricum hin und her.

DER LIMES, EINE DURCHLÄSSIGE „GRENZE" ZUR KONTROLLE DES GRENZVERKEHRS
Der Limes stellt weniger eine durchgehende Mauer oder Trennlinie als vielmehr ein System der Überwachung und Kontrolle der Grenzen des Reiches dar. Die Verbindungen zwischen den Wachposten dienen auch der schnellen Nachrichtenübermittlung. Reger Austausch und Verkehr mit Waren aller Art über den Limes hinweg findet statt. Rom beobachtet das Geschehen, nimmt Steuern ein, reguliert aber auch den Zuzug von Völkerschaften. Germanische Völker aus dem Norden und Völkerverbände aus dem Osten drängen im Laufe der Jahrhunderte ins Römische Reich. Im fortgeschrittenen 4. Jh. n. Chr. nehmen kriegerische Einfälle germanischer Gruppen zu. Gleichzeitig werden Germanen immer mehr in die spätrömische Militärorganisation integriert und auf Reichsgebiet oder in der Grenzzone angesiedelt..

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GERMANISCHE PRÄSENZ IN NIEDERÖSTERREICH NÖRDLICH DER DONAU IM 1. JH. N. CHR.
Die früheste Präsenz von Germanen in Niederösterreich fällt in die Regierungszeit von Tiberius (14-37 n. Chr.) und Claudius (41-54 n. Chr.). Die germanischen Markomannen unter ihrem König Marbod kommen vom main-fränkischen Raum kurz vor Christi Geburt ins heutige Böhmen. Die Quaden lassen sich in den Gebieten östlich davon nieder. Marbod wird vom Stammesadeligen Catualda gestürzt, der bald darauf selbst vertrieben wird. Kaiser Tiberius siedelt die Gefolgschaften Marbods und Catualdas im Gebiet zwischen Waag und March neu an. Er unterstellt sie Vannius, dem romfreundlichen König der Quaden.

Die frühe Anwesenheit der Germanen in Niederösterreich ist archäologisch anhand ihrer Gräber nachzuweisen. Aus der 1. Hälfte des 1. Jhs. stammt das älteste bis jetzt bekannte germanische Brandgrab Niederösterreichs, gefunden in Mannersdorf/March. Die verbrannten Überreste des Toten und seine Ausstattung werden in einen Bronzekessel gelegt, die Waffen vorher unbrauchbar gemacht. Reste eines Trinkhornes, Kasserollen und Bronzegefäße aus rätischen oder norischen Werkstätten weisen den Bestatteten einer sozialen Oberschicht mit weiträumigen Kontakten zu. Eine Körperbestattung einer 35-45-jährigen Frau aus derselben Zeit wurde in Baumgarten/March entdeckt. Diese mag mit dem quadischen Vanniusreich zu verbinden sein. Besonders erwähnenswert sind die Bestandteile eines norischen Gürtels. Ein Spiegel aus Silber stellt aufgrund seines Materials eine Seltenheit dar. Das Marchtal dient einmal mehr als wichtiger Verkehrsweg von der römischen Provinz nach Norden.

 MAMUZ Schloss Asparn/Zaya, September 2023

ΕΙΝ ΚΟΜMEN UND GEHEN - MIT UND OHNE GEWALT
Die dynamische Wanderschaft der Völker auf (dem heutigen) niederösterreichischem Territorium wird durch die keilförmig in den Raum ragenden Gestaltungselemente verdeutlicht: Auch hier basieren die Wandgrafiken auf ausgewählten Fundstücken aus der Frühgeschichte Niederösterreichs. Um 375 n. Chr. löst der Druck der Hunnen in Richtung Westen die große Völkerwanderung" aus. Der Grund dafür ist nicht gesichert. Eine mögliche Erklärung wird in einer starken Klimaänderung gesehen, die viehzüchtende Nomaden zur Suche nach neuen Weidegründen zwingt. Mit der Ankunft der Hunnen 375/376 n. Chr. im Schwarzmeerraum und der Zerschlagung des Gotenreiches des Ermanerich lässt die Forschung die Völkerwanderungszeit beginnen. 433 n. Chr. erhalten die Hunnen als Dank für ihre Unterstützung einen Teil der römischen Provinz Pannonien, wo sie langsam sesshaft werden. 445 wird Attila alleiniger Herrscher über die Hunnen. Sein Herrschaftszentrum liegt in der Pannonischen Tiefebene. 453 stirbt Attila, nur kurze Zeit darauf zerfällt das Hunnische Reich. Die Periode der Völkerwanderungszeit ist geprägt von Konflikten zwischen den vom Schwarzmeergebiet bis Spanien und Nordafrika bis Skandinavien wohnenden Völkern. Bündnisse und Allianzen zwischen allen Seiten wechseln sich mit gegenseitigen Angriffen ab.

Die Wanderbewegungen östlicher sowie germanischer Völkerverbände, darunter Hunnen, Goten, Vandalen und Alanen, bringen das bestehende Gefüge durcheinander und führen zum Teil in Folge zu Reichsbildungen. Der durch die Bevölkerungsverschiebungen ausgelöste „Domino-Effekt" erhöht den Druck auf die Grenzen des Römischen Reiches. Viele der spätantiken Städte werden zerstört, neue Zentren entstehen und vergehen wieder im Laufe der folgenden Jahrhunderte. Zeitgenossen berichten über und beschreiben die verschiedenen Völker, die ihnen manchmal nur aus Erzählungen und Beschreibungen bekannt sind, oft voller Vorurteile und zu „Propagandazwecken". In Niederösterreich, Teil der römischen Provinzen Noricum und Pannonien, leidet die Bevölkerung unter dem Verfall des Römischen Reiches. Die Unruhen an den Grenzen und die Überforderung der römischen Armee wirken sich auf die gesamte Provinz aus. Die Verwaltung löst sich auf, Städte verwahrlosen, sodass Ammiannus Marcellinus über die Provinzhauptstadt Carnuntum sagen kann, sie sei „ein verlassenes und verwahrlostes Nest". Mit der Abwanderung der Langobarden von Pannonien nach Italien im Jahr 568 n. Chr. endet nach allgemeiner Übereinkunft die Völkerwanderungszeit.

ZWEI POLYEDEROHRRINGE, GOLD MIT GRANATEINLAGEN

 MAMUZ Schloss Asparn/Zaya, September 2023

BESTATTUNG MIT DEFORMIERTEM SCHÄDEL
Grab einer reich ausgestatteten 25-30-jährigen Frau, deren Schädel künstlich verformt wurde. Einzelne Bestattungen und kleine Grabgruppen in der Nähe von Weilern sind in diesem Zeithorizont häufig zu beobachten.
Fundort: Ladendorf (Bez, Mistelbach), Datierung: ca. 470-500/510 n. Chr.

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DIE LANGOBARDEN ZIEHEN IN DAS EHEMALIGE LAND DER RUGIER
487/488 n. Chr. wird das Rugierreich im Auftrag des weströmischen patricius und rex italicae Odoaker zerschlagen. Teile der romanischen und romanisierten Bevölkerung ziehen gegen Süden ab. Danach siedeln sich die Langobarden noch unter der Oberherrschaft der Heruler - im „Rugiland", dem heutigen westlichen Weinviertel und Südmähren, an. Paulus Diaconus, ein langobardischer Geschichtsschreiber, berichtet darüber. Die Langobarden gehören zur großen Gruppe der Elbgermanen und siedelten zuvor wohl im nördlichen Mitteldeutschland.
Etwa 505 überschreiten sie die Donau. Laut Paulus Diaconus halten sie sich im „feld", wohl das heutige Tullnerfeld, auf. Nachdem sie ihr Siedlungsgebiet auf das nordöstliche Weinviertel und Teile Panonniens ausgedehnt haben, ziehen die Langobarden 568 n. Chr. nach Italien ab. Ein Vertrag mit den Awaren räumt ihnen ein Rückkehrrecht auf 200 Jahre ein.

Die frühesten Gräber der Langobarden finden sich in Niederösterreich in der Gegend von Krems und Hollabrunn, dem einstigen „Rugiland". Auf ihrer Reise vom Norden Europas in den Süden nehmen sie verschiedene Einflüsse auf, diese sind in ihren Gräbern wiederzufinden. In Freundorf im Tullnerfeld enthalten zwei nebeneinander liegende und gleich alte Gräber die Skelette eines Hundes und eines Pferdes sowie eines erwachsenen Mannes. Auf seinem Sarg sind eine Lanze und eine fränkische Wurflanze, ein Ango, deponiert. Die Kombination von Waffenausstattung und Tierbestattung weist ihn als vornehmen berittenen Krieger des 6. Jhs. aus. Er könnte ein Langobarde oder auch ein Mann aus dem Frankenreich gewesen sein.

NEUE GERMANISCHE KÖNIGREICHE AM NÖRDLICHEN DONAUUFER IM 5. JH. N. CHR.
Nach dem Untergang des Attilareiches 453 n. Chr. entsteht im östlichen Wald- und Weinviertel „Rugiland", das Königreich der ostgermanischen Rugier. Der Handel mit den Römern spielt sich auf eigenen Märkten ab. Archäologische Hinweise sind Münzen mit Monogrammen rugischer Könige. 487-488 wird das Rugierreich von den Römern unter Odoaker zerschlagen. Ab Mitte des 5. Jhs. gründen die ostgermanischen Heruler ein Reich nordöstlich des „Rugilandes". Sie siedeln an der March, in Südmähren und im östlichen Weinviertel. Im Jahr 508 befreien sich die Langobarden von der herulischen Vorherrschaft, deren Reich sich auflöst.

Vermutlich steht in Asparn/Schletz ein Dorf der Heruler, gleich daneben liegen auch die dazugehörigen Gräber. Der Platz ist wohl aufgrund seiner Nähe zu einer Kreuzung der Bernsteinstraße gewählt worden. Ein hier bestatteter Mann wird durch seinen silbernen Ohrring als ein Vornehmer, wohl Mitglied einer Kriegerschicht, identifiziert. In einem Mädchengrab bleiben eine kleine Fibel vom Mantelverschluss und Perlen, wohl ihres bestickten Kleides erhalten. In Ladendorf findet man das Grab einer reich ausgestatteten 25-30-jährigen Frau, vermutlich einer Herulerin. Auffallend ist die künstliche Deformation ihres Schädels. Dies ist eine Sitte, die sich mit den Hunnen und ostgermanischen Völkern im 5. Jh. bis nach Mitteleuropa ausbreitet und im 6. Jh. wieder verschwindet. Um den Schädel in diese Form zu bringen, muss er schon im Kindesalter so bandagiert werden, dass er sich turmartig nach oben verlängert.

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EIN HERRSCHAFTSZENTRUM NACH RÖMISCHEM VORBILD
Auf der Hochfläche des Oberleiserberges bei Ernstbrunn, Bezirk Korneuburg befindet sich in der Völkerwanderungszeit wahrscheinlich ein Herrschaftssitz eines suebischen Königs. Die germanischen Sueben gelten als die Nachfahren der Markomannen und Quaden. Es handelt sich offenbar um einen Ort besonderer politischer Bedeutung am Rand des Römischen Reiches. Im Zentrum der Siedlung liegt ein Herrenhof. Er besteht etwas über hundert Jahre, in denen er vier Ausbauphasen erlebt. Mit römischer Fußbodenheizung, Steinfundament, Fachwerkwänden, Prunkfassade und römischen Dachziegeln aus Ton dient er als großes Wohnhaus, Wirtschaftsgebäude und Repräsentationsbau.

Um 450 n. Chr. wird er ein letztes Mal ausgebaut. Die Architektur spätantiker Paläste ist besonders in der Gestaltung der Fassade des Herrenhofes erkennbar. Im Römischen Reich ausgebildete Handwerker führen wohl den Auftrag aus. Werkzeuge zur Holzbearbeitung, wie Dechsel und Löffelbohrer, sind bei den Ausgrabungen gefunden worden. Glasgefäße, Fensterglas, Ziegel und römische Keramik sind zum Teil aus dem Imperium importierte Luxusgüter, die die hohe soziale Stellung und den Grad der Romanisierung anzeigen. Die Romanitas, die römische Lebensart, Wohnkultur und gehobene Tischkultur wird in hohem Maße imitiert. Wahrscheinlich wird die Anlage in der 2. Hälfte des 5. Jhs. n. Chr. gewaltsam zerstört. Vielleicht ist dieses Ereignis in der Gotengeschichte des Jordanes beschrieben: Der ostgotische König Thiudimir, Vater Theoderichs des Großen, besiegt den Suebenkönig Hunimund an einem „hochgeschützten Ort".

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DIE AWARISCHEN REITERNOMADEN ERREGEN GROSSES AUFSEHEN IN ΒΥΖΑNZ
Der byzantinische Chronist Theophanes (760-817/818) berichtet: „Die ganze Stadt lief zusammen, um sie zu betrachten, da man ein solches Volk noch nie gesehen hatte. Denn sie trugen die Haare hinten ganz lang, gebunden mit Bändern und geflochten, während die übrige Tracht den anderen Hunnen ähnlich war." Das trägt sich 558/559 in Konstantinopel/Byzanz zu, und es ist eine awarische und keine hunnische Gesandtschaft, die beim römischen Kaiser Justinian I. vorspricht. Die Awaren, eine Stammeskonföderation von nomadischen Steppenreitern, erbitten die Erlaubnis, sich im byzantinischen Reich niederlassen zu dürfen. Im Gegenzug versprechen sie militärische Unterstützung. Und wirklich besiegen sie in wenigen Jahren die „Barbarenreiche" an der Nordschwarzmeerküste.

Als der Kaiser vertragsbrüchig wird, verbünden sich die Awaren mit den Langobarden. Sie suchen Unterstützung gegen die germanischen Gepiden, Verbündete von Byzanz. Der awarische Khagan Baian muss erst zum Bündnis überredet werden. „Die langobardischen Gesandten betonten ferner, ein Krieg gegen die Römer liege im eigensten Interesse der Awaren, weil ihnen andernfalls jene zuvorkommen und mit allen Mitteln die Macht der Awaren niederwerfen würden, wo immer auf Erden sie sich befänden", schreibt dazu Menandros Protector, ein griechischer Geschichtsschreiber. Der awarische Khagan Baian ist ein geschickter Verhandler. Bei einem Sieg sollen die Awaren die Hälfte der Beute, das gesamte Gepidenland und ein Zehntel des gesamten Viehbestandes der Langobarden erhalten. Die Gepiden werden besiegt, die Langobarden überlassen den Awaren ihr Land und ziehen 568 n. Chr. nach Italien. Mit diesem Ereignis endet nach allgemeiner Lehrmeinung die Periode der Völkerwanderung.

Im Karpatenbecken wird das Awarenreich 200 Jahre lang eine ernst zu nehmende politische Kraft im Europa des frühen Mittelalters. Mit klarer Strategie sowie einem gut organisierten und disziplinierten Heer verschaffen sich die Awaren Respekt und Prestige. Sowohl durch Tributzahlungen vom Frankenreich und von Byzanz als auch durch Plünderungen sichert der Khagan seine Machtposition an der Peripherie des byzantinischen Reiches. Karl der Große bringt schließlich das Khaganat zu Fall und plündert seine Reichtümer. Zum Völkerverbund der Awaren gehören neben Resten von Langobarden, Gepiden und vielleicht sogar Romanen und Slawen. Im Lauf der Zeit werden die Awaren sesshaft. Sie bestatten ihre Toten auf großen Friedhöfen mit reihenförmig angeordneten Gräbern. Über die Anfangszeit ist wenig bekannt. Wahrscheinlich sind die frühen Gräber Brandbestattungen, die Bestattungssitte ändert sich aber bald zu Körpergräbern so bleibt es bis zum Ende des Awarenreiches.

DIE AWARISCHE FRAUENTRACHT REPRÄSENTIERT WEITRÄUMIGE KONTAKTE
Eine Rekonstruktion der awarischen Bekleidung ist vor allem aufgrund der erhaltenen Trachtbestandteile möglich. Für die Vorstellung der Frauentracht sind damit Grabfunde fast die einzigen Quellen. Die Trachtbestandteile aus Metall, Glas oder Bein erhalten sich im Gegensatz zu organischen Materialien im Boden besser. Das Obergewand der Frauen kann mit einer Mantelschließe zusammengehalten werden, wie im Kindergrab 82c von Leobersdorf. Aus den Grabfunden können wir erkennen, dass die awarische Frauentracht vielfältige Kultureinflüsse aufweist, mit einer starken Kontinuität bis in die Spätawarenzeit. Spinnwirtel liegen in den Frauengräbern, sowie auch Messer und Nadelbüchsen an der linken Körperseite. Kleine Metallringe weisen darauf hin, dass sie wohl an das Gewand angenäht waren. Frauen der Mittelawarenzeit (650-710 n. Chr.) tragen Halsketten mit sogenannten Hirsekornperlen. In der Spätzeit sind die Ohrringe oval und es kommen Armreifen aus Bronze und Drahtfingerringe hinzu. Typische Perlen sind Melonenkernperlen. Eine Besonderheit sind Perlenketten aus Mosaikaugenperlen, Augenperlen und Mehrfachüberfangperlen. Sie sind von Irland im Westen bis zum Kaspischen Meer im Osten, von Oberägypten im Süden bis nach Skandinavien im Norden bekannt. Dabei ist es noch nicht gelungen, die Produktionszentren zu lokalisieren.

DIE SLAWISCHE LEBENSART BREITET SICH SCHNELL AUS
Die früheste slawische Besiedlung in Niederösterreich nördlich der Donau ist durch Grabfunde belegt. Es sind einfache Brandbestattungen in Urnen, die vor allem im Gebiet zwischen Manhartsberg und Dunkelsteinerwald geborgen wurden. Schriftliche Quellen und archäologische Funde der frühen Slawen allgemein zeichnen ein Bild einer stark landwirtschaftlich geprägten Gesellschaft. Sie scheinen in dezentral organisierten Strukturen mit geringen sozialen Unterschieden zu leben. Zeitlich ist die Ankunft der Slawen in Niederösterreich nicht sicher fassbar. Sie mag mit dem Rückzug der Langobarden aus den Gebieten nördlich der Donau, In der zweiten Hälfte des 6. Jhs. zusammenhängen. Die Slawen sind auch Teil des awarischen Völkerverbandes und kommen mit diesen in unseren Raum. In schriftlichen Quellen wird außerdem von einem Verband slawischer Völker berichtet. Er bildet sich Anfang des 7. Jhs. im Zuge einer Rebellion gegen die Awaren unter dem fränkischen Kaufmann Samo heraus. Dieses „Samo-Reich" soll an der Peripherie des awarischen Herrschaftsgebietes liegen, wobei aber seine genaue Lokalisierung umstritten ist. Frühe slawische Siedlungen in Niederösterreich wurden beispielsweise in Mitterretzbach und Michelstetten im Weinviertel ergraben. Die Grubenhäuser weisen meist Feuerstellen auf, zum Teil regelrechte Öfen. Tiefe luftdicht verschließbare Speichergruben zur Getreidelagerung, Mühlsteine zum Mahlen von Getreide sowie Spuren von Geweihbearbeitung sind in den Siedlungen nachzuweisen. Die Keramik erlaubt aufgrund ihrer technischen Veränderungen und Verzierungsweise eine zeitliche Einordnung.

VERGOLDETE SCHEIBENFIBEL AUS PRESSBLECH, VERZIERT MIT TIERWIRBEL UND ZENTRALER GLASEINLAGE
Fundort: Pitten (Bez. Neunkirchen), Grab 43A, Datierung: 700 bis 800 n. Chr.

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Der Geschmack der Awaren verändert sich im Laufe der Zeit. Dies zeigt sich eindrucksvoll an der Art, wie sie die verschiedenen Bestandteile ihrer prunkvollen Gürtel sowie ihre Zopfspangen herstellen und verzieren.

GÜRTELGARNITUR, ZWEITEILIG AUS BUNTMETALL GEGOSSEN, DURCHBROCHEN Der vielteilige Gürtel mit gegossenen Einzelteilen ist typisch für die Spätawarenzeit. Die Hauptriemenzunge ist zweiteilig gearbeitet und zeigt ein stilisiertes Rankenmotiv. Awarische Männer flochten ihre langen Haare und hielten sie mit Zopfspangen zusammen.
Fundort: Leobersdorf (Bez. Baden), Grab 81, Datierung: vor 800 n. Chr.

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MIT GOTTES HILFE - KARL DER GROSSE UND DAS AWARENREICH
Die Raumarchitektur zeigt, wie Karl der Große seine Pranke nach dem Gold anderer Völker ausstreckt. Die auf heutigem niederösterreichischem Gebiet vorherrschende Volksgruppe der Awaren wird dabei besiegt und ihr Reich zerschlagen. Das Frühmittelalter in Europa ist geprägt durch den Niedergang des Weströmischen Reiches und das Entstehen neuer Reiche auf dessen Gebieten. Bis 795/796 n. Chr. stellt das awarische Reich, Khaganat genannt, eine starke Macht in Europa dar. Große Teile Mittel- und Westeuropas beherrschen die Franken unter Karl dem Großen. Im Osten bleibt das Oströmische Reich eine stabile Größe. Seine Hauptstadt Byzanz ist eine alte griechische Stadt, die im 1. Jh. n. Chr. Teil einer römischen Provinz wird. Kaiser Konstantin der Große macht sie 330 n. Chr. offiziell zur Hauptstadt. Schließlich erhebt Kaiser Theodosius I im Jahr 380 n. Chr. das Christentum, das bis 311 n. Chr. - dem Jahr der offiziellen Erlaubnis seiner Ausübung - verfolgt wurde, zur Staatsreligion.

Im Lauf der Völkerwanderungszeit werden germanische Völker auf römischem Reichsgebiet angesiedelt. Viele germanische Anführer sind Anhänger des Arianismus, einer vom Katholizismus abweichenden christlichen Lehre. Die Karolinger, ein Herrschergeschlecht der Franken, bauen auf ein katholisches Königtum. 751 kommen sie im Frankenreich an die Macht. Karl der Große ist ab 768 König und wird zu Weihnachten im Jahr 800 in Rom von Papst Leo III. zum Kaiser gekrönt. Schon 788 wird das Herzogtum Baiern Teil des Frankenreiches. Karl bringt das Frankenreich zu seiner größten Ausdehnung und macht es zu einem Großreich neben Byzanz und dem arabischen Kalifat im Osten. Daneben ist er ein vehementer Streiter für das Christentum. Er erobert das (nunmehr schon fast vollständig katholische) Langobardenreich in Italien, führt Krieg gegen die islamischen „Mauren" in Spanien, kämpft erbittert gegen die heidnischen Sachsen und zerstört das Reich der Awaren. Gleichzeitig bemüht er sich um einen kulturellen Aufschwung in seinem Frankenreich. Er sorgt für eine Bildungsreform und stabilisiert die Verwaltung. Kaiser Karl ist einer der größten Herrscher des Mittelalters. 1165 wird er sogar von Gegenpapst Paschalis III. im Auftrag Friedrichs I., genannt Barbarossa, heiliggesprochen. In Nordeuropa beginnt die Wikingerzeit 793 n. Chr. mit dem Überfall auf das Kloster Lindisfarne an der Nordostküste Englands. Bis 1066 sind die Skandinavier ein wichtiger Faktor. Neben Überfällen unterhalten sie Handelsbeziehungen mit dem Frankenreich, sie sind begehrte Geschäftspartner im Osten und bekleiden Ämter als Garden in Byzanz.

ZERSTÖRTES REITERGRAB
Ein awarischer Reiter wurde bei Drasenhofen mit seinem aufgezäumten Reitpferd bestattet. Die genauen Fundumstände sind heute nicht mehr nachvollziehbar, Gräber dieser Art wurden im östlichen Weinviertel aber erst im 8. Jh. angelegt.
Fundort: Drasenhofen (Bez. Mistelbach) Datierung: 700 bis 800n. Chr.

ZWEI SCHMUCKSCHEIBEN (PHALEREN) AUS EISEN, GOLDPLATTIERT; TRENSE AUS EISEN

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IN HOC SIGNO VINCES - DIE AUSBREITUNG DES CHRISTENTUMS
Der rote Ausstellungsraum ist geprägt durch Kreuz und Taufschale, beides Symbole für die Ausbreitung des Christentums. Auszüge aus den vier Evangelien des Neuen Testamentes, geschrieben in der karolingischen Minuskel, lassen zusammen ein Kreuz entstehen. Im Juni 172 n. Chr. werden die römischen Truppen bei einem Feldzug gegen die germanischen Markomannen von diesen eingeschlossen. Hitze und Wassermangel scheinen sie zum Aufgeben zu zwingen. Da bricht ein Gewitter mit starkem Regen los und rettet sie aus ihrer ausweglosen Situation. Dieses Ereignis wird einem Wunder zugeschrieben, das betenden christlichen Soldaten zu verdanken sei. Während der Römischen Kaiserzeit bringen Soldaten den christlichen Glauben, den sie im Orient kennengelernt haben, in den Donauraum. Die Verbreitung der christlichen Religion im Römischen Reich ist ein lange währender Prozess. Unter immer größer werdendem gesellschaftlichen Druck konvertieren immer mehr Heiden zum Christentum. Kaiser Konstantin schließlich macht das Christentum zur offiziellen Staatsreligion. Vor allem in den Städten findet das Christentum zahlreiche Anhänger und es entstehen kirchliche Organisationsstrukturen. Diese zerbrechen mit dem Niedergang des Weströmischen Reiches 476 n. Chr. Möglicherweise hielt sich jedoch in der darauffolgenden Zeit ein „Restchristentum", das von der verbleibenden romanischen Bevölkerung getragen wurde. Nachdem Karl der Große den Krieg gegen die Awaren gewonnen hat, wird auch östlich der Enns die Missionierung verstärkt. Kirchliche Institutionen und fränkisch-bairische Adelige werden gezielt mit Ländereien im Osten belehnt oder nehmen diese auch ohne ausdrückliche Zustimmung des Kaisers in Besitz. Zuständig ist vor allem das Bistum Passau. Kyrill und Method, die sogenannten „Slawenapostel", wirken im angrenzenden Mährischen Reich.

KÖNIG KARL ZERSTÖRT DAS AWARENREICH
Die Enns ist der „limes certus", die Grenze zwischen den Awaren und den Baiern. Dennoch werden im 8. Jh. im niederösterreichischen Donauraum rege Kontakte gepflegt. Die Franken bauen unter Karl I. ihre Vormachtstellung aus. Acht Jahre lang kämpft Karl I., später der Große, gegen die Awaren. Einhard, sein Biograf, meint, der Awarenkrieg sei Karls größter Sieg, neben dem gegen die Sachsen. Es geht um die Ausdehnung des Fränkischen Reiches, aber er führt den Krieg auch gegen den heidnischen Glauben. Mitte September 791 findet der erste Angriff gegen die Awaren statt. Davor schlägt Karls Heer bei Enns/Lorch sein Lager auf. Es wird mehrere Tage gefastet, gebetet und es werden zahlreiche Messen gefeiert, wie Einhard berichtet. Der Feldzug soll durch göttlichen Segen gestützt erfolgreich sein. Aber erst 796 sollte Karl das awarische Khaganat endgültig zerstören können. Durch Bürgerkriege geschwächt unterwirft sich der Khagan dem fränkischen König ohne Widerstand. Die awarische Residenz wird zerstört und geplündert, die Reichtümer ins Frankenreich gebracht. Die Missionierung der heidnischen Awaren wird jetzt mit großem Eifer betrieben.

UNGARISCHER REITERKRIEGER
Mit Säbel und Pferd wurde ein junger ungarischer Reiterkrieger wohl um das Jahr 1.000 in Gnadendorf bestattet. Zwischen 14 und 18 Jahren dürfte er alt gewesen sein.

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DER REITER VON GNADENDORF - UNGARISCHE STEPPENREITER IN NIEDERÖSTERREICH
Der Völkerverbund der Magyaren oder Ungarn lässt sich gegen Ende des 9. Jhs. im Karpatenbecken nieder. Sie kommen aus den östlichen Steppengebieten, anderen Gruppen ausweichend. Bereits im 9. Jh. sind sie einerseits kurzfristige Bündnispartner für Baiern oder Mährer, andererseits unternehmen sie zahlreiche Beutezüge und Überfälle oder handeln Verträge für Tributzahlungen aus. Bereits 881 wird über eine Schlacht gegen die Ungarn bei Wien/am Wienfluss berichtet. Um 900 plündern die ungarischen Reiter unter ihrem Führer Árpád Norditalien im Auftrag Kaiser Arnulfs. Nach bewährter Methode werden den Ungarn Greueltaten zugeschrieben. Dies geschieht mit eindeutig propagandistischer Ausrichtung.

Im Jahre 907 erlebt das Frankenreich bei Pressburg gegen die Ungarn eine empfindliche Niederlage und bedeutende territoriale Verluste. Das bairische Ostland geht an die Ungarn verloren, die Grenze wird an die Enns zurückverlegt. Für die Bevölkerung scheint sich durch die Herrschaft der Ungarn nicht viel verändert zu haben. Verwaltungsstrukturen und Grundherrschaften sind offenbar von den Ungarn nicht zerstört worden. In den darauffolgenden Jahren mehren sich ungarische Überfälle und Beutezüge, bis König Otto I. 955 in der Schlacht am Lechfeld das ungarische Heer aufreibt. Dieser Sieg beendet die Periode der ungarischen Überfälle. 962 lässt sich König Otto I. zum Kaiser krönen. Die Herrscherdynastie der Liudolfinger wird daraufhin auch als Ottonen bezeichnet. Sie stellt für die folgenden zwei Jahrhunderte den Kaiser. Im Osten entwickelt sich das Königreich Ungarn unter Stephan I. der 1001 formell gekrönt wird. Anlässlich von Aushubarbeiten stößt man in Gnadendorf auf einen menschlichen Schädel und ein Stück eines Schwertes. Eine rasch eingeleitete Rettungsgrabung birgt das Grab eines jungen Mannes, der mit Säbel und Schwert bestattet wurde.

RÄTSEL UM EINEN JUNGEN UNGARISCHEN REITER
2000 wird bei Aushubarbeiten in Gnadendorf ein Grab entdeckt. Auf dem rechten Arm des Skelettes liegt ein eiserner Säbel in seiner Scheide, eine Besonderheit an Prunk und Kunstfertigkeit. Im Bauchbereich finden sich Gürtelbeschläge. Bei den Beinen des Toten erhielten sich Schädel und Teile der Beine eines Pferdes. Eine Trense und Steigbügel stammen vom Reitzubehör. Zur Fleischbeigabe, dem Oberschenkel eines Pferdes, gehört ein Messer. Mehrfach gelochte Silbermünzen dienten wohl der Zier der Kleidung oder des Zaumzeuges.

Laut Untersuchungen handelt es sich um einen jungen Mann, zwischen 14 und 18 Jahren, kräftig, gut trainiert und ein geübter Reiter. Eine nicht verheilte Wunde in der Armbeuge und eine Monate alte Kopfverletzung könnten zum Tod geführt haben. Außergewöhnlich ist der Nachweis des sogenannten „Klippel-Feil-Syndroms". Eine angeborene Krankheit mit Verwachsungen der Wirbelkörper, einer Deformation der Schädelbasis und vermutlicher Schwerhörigkeit. Der junge Mann bekommt eine veraltete Ausstattung aus der sogenannten Landnahmezeit zwischen ca. 895-940 n. Chr. mit ins Grab. Ist sie ein Statussymbol und stammt von einem Vorfahren? Die archäologischen Objekte sind also mehr als 50 Jahre älter als das Radiokarbondatum ergibt. Diese Situation wirft neue Fragen zur Anwesenheit der Ungarn nach 955 auf. Zu dieser Zeit liegt das Siedlungsgebiet der Ungarn weit östlich der Grabstelle. Stirbt er an einem der historisch belegten Ungarneinfälle und wird im „Niemandsland" begraben?

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DER EINFLUSS DER KIRCHE IN POLITIK UND BILDUNG WÄCHST
Die Kirche hat im Mittelalter großen Einfluss auf Kultur und Wirtschaft. Der Wein findet vor allem durch seine Rolle in der christlichen Liturgie sowie als Genussmittel bald in den Klöstern seinen festen Platz. Bibliotheken in den Klöstern sind Hüter der Schriftkultur. Im Scriptorium, der Schreibstube, werden Bücher geschrieben und durch Abschreiben vervielfältigt. Hier findet die Ausbildung der Novizen, aber auch die Unterweisung von Laien im Lesen und Schreiben statt. Das verleiht der Kirche großen Einfluss auf das Bildungswesen und die Schriftkultur. Städtische Domschulen übernehmen eine wichtige Rolle in der Bildung, im Verlauf des Mittelalters werden sie nach und nach von Universitäten und Privatschulen abgelöst.

In der Zeit nach 1000 n. Chr. entstehen neue geistliche Orden wie jene der Zisterzienser und der Kartäuser. Das hochmittelalterliche Ideal eines strikt kontemplativen Ordens haben sich die Kartäuser bis heute erhalten. Bodenfliesen in den Klöstern und manchmal auch in Profanbauten, wie der Gozzoburg in Krems, tragen Darstellungen mit christlicher Symbolik, immer eng verbunden mit der Vorstellungswelt des Mittelalters. Im Hochmittelalter unternahm man Pilgerfahrten aufgrund von Gelübden, speziellen Privilegien im Kirchenrecht oder in der Hoffnung auf Heilung körperlicher Gebrechen. Im Spätmittelalter pilgert man vor allem zum Erwerb von Ablässen, also dem Erlassen von zeitlichen Sündenstrafen, zum Gnadenort. Pilgerandenken, wie die Pilgermuschel aus Grafendorf oder das winzige Pilgerzeichen aus Drösing, sind begehrte Erinnerungen an Pilgerreisen.

Zu einem langjährigen Machtkampf zwischen Kirche und Kaiser kommt es, als sich der Papst im 11. Jh. gegen die Ernennung eines Erzbischofes durch den Kaiser zur Wehr setzt. Diese Auseinandersetzung fällt in die Zeit einer allgemeinen Kirchenreform, eine Rückbesinnung auf die ursprüngliche Aufgabe der Heilsverkündung mit Betonung der Autorität des Papstes findet statt. Der sogenannte Investiturstreit (Investitur = Einsetzung von Bischöfen und Reichsäbten) gipfelt im bekannten „Canossa-Gang". Der vom Papst mit dem Bann belegte und von ihm sogar abgesetzte Kaiser muss Abbitte leisten. Nach dreitägigem Bitten im leichten Bußgewand mitten im Winter befreit ihn der Papst am 28. Jänner 1077 vom Bann. Der Streit zwischen Kaiser und Kirche um die Macht ist damit nicht beigelegt. Erst 1122, also 45 Jahre später kommt es zu einer Einigung, dem Wormser Konkordat. Der Kaiser verzichtet in Folge auf die Einflussnahme bei der Einsetzung von Bischöfen.

Eine bedeutende Folge dieser Konflikte ist die Auflösung der traditionellen Einheit von Kaisertum und Papsttum; das Verhältnis zwischen weltlicher und geistlicher Gewalt wird neu bestimmt. Die Konkurrenz zwischen weltlicher und geistlicher Vorherrschaft wird bis ins Spätmittelalter erhalten bleiben. Ein weiterer, epochenprägender Streit ist jener innerhalb der Kirche, der sich im fortgeschrittenen 14. Jh. an der Frage nach dem rechtmässigen Papst entzündet. Hierbei spielen auch politische Aspekte eine große Rolle. Es kommt zu einer jahrzehntelangen Spaltung der lateinischen Kirche, die Sitze der beiden Päpste befinden sich in Rom und Avignon. Teils erheben sogar mehrere Päpste gleichzeitig den Anspruch, das legitime Oberhaupt der Kirche zu sein. Schließlich führten Abdankungen beziehungsweise Absetzungen der Päpste und eine Wahl zur Existenz eines einzigen, allgemein anerkannten Papstes.

ARM UND REICH IM HEILIGEN RÖMISCHEN REICH
Die Idee des strategischen Schachspiels wird in diesem Raum der mittelalterlichen Ständestruktur in einem Spannungsfeld gegenübergestellt. Inspiriert vom Boden des Raumes spiegelt die Decke ein schachbrettartiges Muster, wobei die Vitrinen wie mittelalterliche Schachfiguren im Raum verortet sind. 962 n. Chr. lässt sich Otto der Große durch den Papst krönen und ist somit der erste Kaiser des „Heiligen Römischen Reiches". Davor hatte er sich bereits mit dem Sieg über die Ungarn 955 am Lechfeld als Beschützer der Christenheit und der Kirche bestätigt. Das Reich sollte eine von Gott gewollte Fortsetzung des antiken Römischen Reiches sein, das „Heilig" im Titel betont das Kaisertum von Gottes Gnaden.

1095/1096 folgt Papst Urban II. einem Hilferuf des byzantinischen Kaisers und initiiert den Kriegszug zur Rückeroberung des islamisch eroberten Palästinas. Es kommt zwischen 1096 und 1101 zu mehreren großen Kreuzzugswellen, dem sogenannten Ersten Kreuzzug. Das Ziel, die Eroberung Jerusalems, wird um 1099 erreicht, das Kreuzritterheer plündert und verwüstet die Stadt. 1273 wird Rudolf von Habsburg zum König des „Heiligen Römischen Reiches". 1282 erwirbt er Österreich, Steiermark und die Krain und leitet so den Aufstieg der Habsburger zu einem der mächtigsten Herrscherhäuser ein.

Die Gesellschaft im Europa des Mittelalters ist in Ständen organisiert, in die man überwiegend hineingeboren wird. Diese Ordnung wird als fest und von Gott gegeben angenommen. Als erster Stand gilt der Klerus, als zweiter der Adel und als dritter das Bürgertum und der Bauernstand, dem die meisten Menschen angehören. Die Aufgaben der Stände sind klar definiert. Dem Klerus obliegt das Seelenheil und die moralische und sittliche Erziehung. Die Adeligen verpflichten sich zu Schutz und Verteidigung von Volk und Land. Die Bauern sorgen für die Lebensgrundlage der oberen Stände. Die Schicht der einfachen Bürger lebt vor allem in den Städten. Der Wechsel von einem Stand in den anderen ist zwar möglich, geschieht aber selten. Die Zugehörigkeit zum Adel und dem dritten Stand hängt von der Abstammung, nicht vom Reichtum ab. So kann ein Bürger aus dem dritten Stand vermögender sein als ein verarmter Adeliger des zweiten Standes. Die Angehörigen des ersten Standes, des Klerus, entstammen fast ausschließlich dem Adel. Sie besitzen Rechte und Pflichten und genießen Privilegien gegenüber dem dritten Stand der Bürger und Bauern.

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ADEL VERPFLICHTET - HERRSCHAFTSDEMONSTRATION
Adel, so wie wir ihn heute verstehen, bildet sich im Mittelalter heraus. Er beruht auf dem feudalistischen Prinzip, für das die Abstammung und das Lehenswesen wichtige Merkmale sind. Daraus erwächst Macht und Herrschaft über Land und Menschen, die als von Gott gegeben legitimiert werden. Diese Machtposition bringt Einfluss auf politische Entscheidungen und verpflichtet zur Übernahme von Verantwortung für das Gemeinwohl. Die Erblichkeit überträgt den gehobenen gesellschaftlichen Status auf die gesamte Familie. Eine eigene Erziehung bereitet den Nachkommen auf seine Position in der Gesellschaft und seine Aufgaben als Adeliger vor. Die Erhebung von Personen mit besonderen Verdiensten in den Adelsstand kann nur vom Adel selbst vorgenommen werden, meist sogar nur von ihren höchsten Vertretern, wie dem König oder Kaiser. Die Herausbildung des mittelalterlichen Adelsstandes ist umstritten. Bereits im Frühmittelalter bestehen durch Grundbesitz und Grundherrschaft soziale Unterschiede. Die moderne Forschung betrachtet den politischen Einfluss durch die Herrschaft über Menschen als einen wichtigen Faktor für die Herausbildung des Adels. In Niederösterreich richten unter anderem Adelige aus dem Frankenreich infolge des Sieges Karls des Großen über die Awaren im Jahr 796 n. Chr. Grundherrschaften ein.

Ein Merkmal des Adels nach außen ist die Repräsentationskultur. Das äußert sich in einem besonderen Lebensstil mit eigenem Ehrenkodex, Kleidung, sogar eigener Esskultur und dem Leben in großen repräsentativen Wohngebäuden. Die Jagd als Freizeitvergnügen und „Sport" ist dem Adel vorbehalten, Würfelspiele dienen zum Zeitvertreib. Eine Ausrüstung mit Waffen und Pferden sind wichtiger Bestandteil des aufwändigen Lebensstils. Die ersten Burgen mit Steinarchitektur entstehen im heutigen Niederösterreich ab dem Übergang vom Früh- zum Hochmittelalter, ungefähr im 11. Jh. Sie werden auf Anhöhen erbaut wie die Burg Raabs, oder als Niederungsburgen, wie ein turmartiger Steinbau in Sachsendorf. Handwerkliche Tätigkeiten werden sowohl auf den Burganlagen als auch in den umliegenden waldfreien Flächen (sogenannten Rodungsinseln) oder Siedlungen ausgeführt. Zwei wichtige Funktionen von Burgen waren Repräsentation und Schutz. Daneben wird ihnen eine gewichtige Rolle im mittelalterlichen Wirtschaftsleben zugeschrieben.

 MAMUZ Schloss Asparn/Zaya, September 2023

 MAMUZ Schloss Asparn/Zaya, September 2023

Das archäologische Freigelände des MAMUZ Schloss Asparn an der Zaya gibt einen einzigartigen Einblick in mehr als 20.000 Jahre europäische Siedlungsgeschichte. Die Entwicklungen der Menschheit von der Altsteinzeit bis ins frühe Mittelalter werden durch die Wohn- und Wirtschaftsgebäude sowie deren Inneneinrichtung erlebbar. Die im Maßstab 1:1 errichteten Gebäude beruhen allesamt auf archäologischen Befunden, wie etwa Balkengräben, Pfostenlöcher und Feuerstellen. Aufgrund der oftmals spärlichen archäologischen Evidenz sind die aufgehende Architektur sowie die Innenausstattung der Gebäude als Idealrekonstruktionen zu verstehen. Denn schriftliche Überlieferungen aus dem Zeitalter der Urgeschichte gibt es nicht. Sämtliche Modelle wurden unter experimental-archäologischen Aspekten errichtet. Das heißt die Gebäude entstanden unter Berücksichtigung urgeschichtlicher Handwerkstechniken ebenso wie unter Verwendung von Materialien und nachgeformten Werkzeugen der jeweiligen Zeitepoche. Der durch das Gelände verlaufende Hauptweg führt direkt in die einzelnen Siedlungsbereiche und verbindet die unterschiedlichen Gebäude-Ensembles miteinander.

 MAMUZ Schloss Asparn/Zaya, September 2023

JUNGSTEINZEITLICHE SIEDLUNG ab ca. 5.600/5.500 v. Chr.
Das Ensemble besteht aus dem Nachbau eines Langhauses, in dem etwa 25 Personen wohnten, einem Backhaus und einem bereits 1995 errichteten, neolithischen Brunnen. Im Zuge der Errichtung 2012 ergab sich die Möglichkeit, nachgebaute Werkzeuge des Neolithikums aus Stein, Knochen und Holz zu erproben. Die Kunst der Holzbearbeitung war schon in der Linearbandkeramik hoch entwickelt.

Der Bau des Langhauses (Befund: Schwechat) hat gezeigt, dass ein derart großer Bau in der damaligen Zeit viel Planung erforderte, schon allein wegen der Bereitstellung der Baumaterialien. Langhäuser sind ein Glücksfall für die Archäologie, da die aufgehenden Pfosten tief in den Boden eingegraben wurden und sich somit deren Spuren gut nachweisen lassen. Die Pfostensetzung des 28,75 Meter langen Hauses basiert auf den archäologischen Ergebnissen. Dieses Langhaus ist dreigeteilt und besteht aus Vor- und Arbeitsraum, Wohn- und Schlafraum und einem stark gesicherten - möglicherweise auch sakralen - Bereich. In den Langhäusern dürften etwa 25 Personen im Familien- oder Sippenverband gelebt haben. Dieses Haus, wohl eine Sonderform, stellt möglicherweise den Wohnbereich eines Häuptlings dar.

Eine Backhütte (Befund: Traisental) sowie Acker- und Gartenflächen ergänzen das Ensemble. Der neolithische Brunnen (Befund: Asparn-Schletz) wurde bereits 1995 als archäologisches Experiment errichtet. Etwa 2.000-2.500 Stunden Arbeitszeit dürften die Menschen der Steinzeit benötigt haben um einen derartigen Brunnen zu bauen. Die Pflanzen, die auf den angrenzenden Feldern wachsen, fanden auch schon in der Jungsteinzeit Verwendung.

 MAMUZ Schloss Asparn/Zaya, September 2023

 MAMUZ Schloss Asparn/Zaya, September 2023

 MAMUZ Schloss Asparn/Zaya, September 2023

 MAMUZ Schloss Asparn/Zaya, September 2023

 MAMUZ Schloss Asparn/Zaya, September 2023

 MAMUZ Schloss Asparn/Zaya, September 2023

 MAMUZ Schloss Asparn/Zaya, September 2023

 MAMUZ Schloss Asparn/Zaya, September 2023

 MAMUZ Schloss Asparn/Zaya, September 2023

ACKER & GARTEN DER BRONZEZEIT
In der Bronzezeit erfolgten massive Umbrüche in der Landwirtschaft: Die Aufstallung des Viehs ermöglichte das gezielte Sammeln von Mist und dessen Ausbringung als Dünger, die Ernteerträge stiegen. Rinder wurden nun häufig zum Pflügen eingesetzt, die Äcker nahmen deutlich an Größe zu: 400 bis 2.000 m² waren keine Seltenheit. Natürlich musste der Acker auf diesem Gelände aus Platzgründen deutlich kleiner ausfallen. Da die landwirtschaftlichen Techniken der späten Bronzezeit annähernd vergleichbar waren mit denen der beginnenden Eisenzeit, kann dieser Acker auch als Beispiel für eisenzeitlichen Ackerbau dienen.

Der Acker ist mit Dinkel (Triticum spelta) bepflanzt, der ab der jüngeren Bronzezeit große Bedeutung in Teilen Mitteleuropas hatte. Entsprechend den archäobotanischen Daten ist ein buntes Spektrum von Ackerbeikräutern ausgesät: Sommer-Adonisröschen, Kornrade, Österreichische Hundskamille, Roggen-Trespe, Rundblatt-Hasenohr, Kornblume, Ackerrittersporn, Stängelumfassende Taubnessel, Venusspiegel, Acker-Steinsame, Acker-Schwarzkümmel, Klatschmohn, Einjahrs-Ziest und Wildes Stiefmütterchen.

Im Garten wird das Spektrum der Hülsenfrüchte bereichert durch die Saubohne (Vicia faba), die Ölpflanzen werden erweitert durch den Leindotter (Camelina sativa), der ursprünglich als Unkraut in Flachsfeldern vorkam. Die aus Zentralasien stammenden Hirsearten (Rispenhirse Panicum miliaceum und Kolbenhirse Setaria italica) werden in der späten Bronzezeit zu einem der wichtigsten Grundnahrungsmittel und bleiben es bis ins 18. Jahrhundert.

 MAMUZ Schloss Asparn/Zaya, September 2023

 MAMUZ Schloss Asparn/Zaya, September 2023

 MAMUZ Schloss Asparn/Zaya, September 2023

 MAMUZ Schloss Asparn/Zaya, September 2023

 MAMUZ Schloss Asparn/Zaya, September 2023

 MAMUZ Schloss Asparn/Zaya, September 2023

 MAMUZ Schloss Asparn/Zaya, September 2023

 MAMUZ Schloss Asparn/Zaya, September 2023



Wem der viele Text zu lange war und lieber Bewegtbilder mit Musik mag, kann sich gerne dieses Video antun: