MAMUZ Museum Mistelbach

Museumszentrum, September 2023

Das MAMUZ Museum Mistelbach widmet sich 2023 mit der Ausstellung KELTEN einer außergewöhnlichen Kultur. Dabei stehen Alltag, Kunst und Rituale im Mittelpunkt, die uns die Lebenswelten der Kelten näherbringen und gängige Klischees widerlegen. Besucher:innen freuen sich auf neue Funde, die durch Forschungen der vergangenen zwanzig Jahre zutage gekommen sind.

Kelten - Fantasie & Wirklichkeit
„Kelten" oder „Gallier" so benannten antike Schriftsteller im 5. Jahrhundert v. Chr. die Bevölkerung in Mittel- und Westeuropa. Griechen und Römer verwendeten diese Namen als Sammelbezeichnung für die aus ihrer Sicht barbarischen Gruppen. Rund 2000 Jahre später bezeichneten die europäischen Entdecker auf ähnliche Art und Weise die Ureinwohner:innen Amerikas als „Indianer" - obwohl auf dem amerikanischen Kontinent eine große Vielfalt an menschlichen Kulturen und Sprachen existierte. Ist diese Pauschalisierung gerechtfertigt? Wie lebten die „Barbaren" der späten Eisenzeit wirklich, die von den anderen als „Kelten" betrachtet wurden?

In dieser Ausstellung hinterfragen wir die fantastischen Vorstellungen über die „Kelten" und versuchen die Lebenswelt in Mitteleuropa in der Zeit von ca. 450 v. Chr. bis Christi Geburt zu rekonstruieren. Was drückten die Menschen in ihren Kunst-werken aus? Was war ihnen heilig und wie traten sie mit den Göttern in Kontakt? Für das Gebiet des heutigen Nieder-österreichs sind dazu keinerlei antike Schriftquellen überliefert. Die Ausstellung zeigt daher eine Vielzahl an archäologischen Funden, die in den letzten Jahren bei zahlreichen Ausgrabungen entdeckt wurden. Sie vermitteln ein detailreiches Bild vom Leben und Alltag der Menschen, die vor mehr als 80 Generationen in Niederösterreich lebten - auch wenn wir nie erfahren werden, wie sie sich selbst nannten.

 MAMUZ Museum Mistelbach, September 2023

Der „Herr der Tiere" groß auf Achse
Der Achsnagel aus Unterradlberg in St. Pölten zeigt die keltische Abwandlung eines antiken Motivs. Dargestellt ist der „Herr der Tiere", ein Motiv, das seine Ursprünge im Vorderen Orient hat und über Griechenland nach Europa gelangte. Auf dem Achsnagel wird der Herrscher von zwei Raubvogelpaaren flankiert. Der Achsnagel ist ein wichtiger Bestandteil des Wagens, denn er verhindert, dass das Rad von der Achse abrutscht. Die Verzierung des Nagels sollte Glück bei der Wagenfahrt bringen. In Bewegung - bei rotierenden Rädern - war der dargestellte „Herr der Tiere" allerdings nicht erkennbar.

 MAMUZ Museum Mistelbach, September 2023

Kunst & Mythos
Die Namen der Künstler:innen sind Schall und Rauch. Aber ihre Werke faszinieren bis heute. Um die Mitte des 5. Jahrhunderts v. Chr. entsteht im Gebiet der Kelten ein võllig neuer Kunststil, der sich in kürzester Zeit von Frankreich bis Ungarn verbreitet. Die Kunsthandwerker:innen stellen mit Vorliebe menschliche Figuren und Gesichter, Tiere und Mischwesen dar. Sie verwenden zum Teil Vorlagen und Ornamente aus dem Mittelmeergebiet, wandeln diese ab und entwickeln daraus eigene originelle Motive. Das Wesen mit Menschenkopf und Vogelkörper, der Herr zwischen den Tieren, die Masken mit Doppelspiralen - all diese fantasievollen Motive stammen aus Mythen, deren Inhalt den einstigen Betrachter:innen sicherlich aus Gedichten oder Gesängen bekannt war. Besonders prunkvoll sind goldene Halsreifen mit Maskendarstellungen, die nur die ranghöchsten Mitglieder der Gesellschaft tragen durften. Auch Gürtelschnallen oder kleine Gewandspangen (Fibeln) zeigen kunstvolle Verzierungen mit Fantasiewesen.

Die künstlerischen Darstellungen stehen nicht für sich allein, sondern dienen als Verzierung von persönlichen Schmuck-gegenständen, von Waffen oder von Trinkgeschirr. Die Motive sind in erster Linie für die Besitzer:innen dieser Gegenstände von Bedeutung, denn sie sind nur aus nächster Nähe sichtbar. In der Ausstellung wird diese Sichtweise verändert, indem zwei herausragende Kunstobjekte als Kopie stark vergrößert sind - machen Sie sich selbst einen Eindruck davon!

Rekonstruktion eines Streitwagens im Maßstab 1:1
(nach einem Vorbild aus dem 5. Jhdt. v. Chr.) Holz, Leder, Eisen

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Achsnagel mit figürlicher Verzierung, 5. Jhdt. v. Chr., Bronze, Eisen, Fundort Unterradiberg, Niederösterreich
In der Mitte der Verzierung auf dem eisernen Achsnagel steht der ovale Menschenkopf mit nach unten gebogenen Mundwinkeln. Darüber ist eine Palmette mit drei Blättern aufrecht dargestellt ein Motiv, das aus der Kunst des Mittelmeergebiets stammt. Links und rechts des Kopfes befinden sich zwei S-förmige Körper, aus denen sich Vogelköpfe entwickeln. Sie bilden zusammen ein Leiermotiv.

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Situla von Kuffern (Kopie), 5. Jhdt. v. Chr., Bronze, Fundort Kuffern (Grab 1), Niederösterreich

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Kleine Maskenfibel in groß
Die winzige Fibel (Gewandspange) wurde im Grab einer Frau in Ossarn gefunden - für die Ausstellung wurde sie im Maßstab 1:90 vergrößert. Das Mischwesen besitzt Raubtierpfoten, den Körper eines Vogels und einen menschlichen Kopf. Auf dem Kopf trägt das Wesen einen Helm mit aufgestellten Wangenklappen. Auf den Flügeln sind sorgfältig die Federn herausgearbeitet, die sich aus einer Spirale entwickeln. Die Attribute Helm und Flügel verweisen auf die etruskische Göttin Minerva.

Vergrößerung der figürlichen Fibel im Maßstab 1:90
Material Styropor, Glasfaserbeton, Hersteller Atelier Macala, Salzburg

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Festmahl
Gemeinsam zu essen und zu trinken war sicher zu allen Zeiten üblich. Bei den Kelten kam den Festmahlen vermutlich aber auch eine tiefere religiöse, soziale oder politische Bedeutung zu. Feierlichkeiten, bei denen ein Festmahl das zentrale Ereignis war, sind von vielen Bilddenkmalen der Eisenzeit überliefert. Die Pflicht, Gäste zu bewirten und zu unterhalten, findet sich auch als Thema im - wahrscheinlich auf älteren Traditionen beruhenden - altirischen Epos „Táin Bó Cúailnge" („Der Rinderdiebstahl von Cooley") wieder. Bei archäologischen Grabungen fanden sich folglich auch vielfach Trinkgeschirre, Speiseservice und Tranchiermesser, die bei realen oder symbolischen Festmahlen verwendet wurden. Bei gehobenen Tafeln benutzte man auch importierte griechische Luxusware. Analysen ergaben, dass aus den hochwertigen Weinschalen jedoch auch ganz bodenständig einheimisches Bier getrunken wurde.

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Keltische Namen aus Pannonien und Noricum
Aus dem Gebiet des heutigen Ostösterreichs, Tell der römischen Provinz Pannonia, sind aus römischen Inschriften immer wieder keltische Namen überliefert. Sie weisen einerseits in die vorrömische Zelt zurück, zeigen aber auch das Welterleben keltischer Sprache und Traditionen unter römischer Herrschaft. Die Kelten trugen meist sprechende Namen, die eine konkrete Bedeutung haben und etwa auf bestimmte Elgenschaften hinweisen. Die Deutung durch die Sprachwissenschaft erfolgt aufgrund von Vergleichen mit anderen indogermanischen Sprachen, wie Latein, Griechisch oder Altirisch.

Aptomarus
- Eine verkürzte Form von Atepomarus, was vermutlich als „der im Kampf zu Hilfe eilt" zu deuten ist. Der Name Aptomarus ist von einer Inschrift aus Maria Lanzendorf überliefert.
Bella - Vermutlich mit dem lateinischen „bellum" (Krieg) verwandt, ist wahrscheinlich eine Kurzform von zusammengesetzten Namen wie „Bela-gentus" oder „Bello-vesus", die als „Zum Töten geboren" oder „der geborene Krieger" gedeutet werden.
Biturix - Setzt sich aus den Silben „Bitu" („Welt" oder „Leben", von altirisch „bith") und „rix" (König, lateinisch „rex") zusammen und bedeutet so viel wie „König der Welt". Wir kennen konkret einen Titus Flavius Biturix aus Mannersdorf an der Leitha, der offenbar ein boischer Aristokrat war, der das römische Bürgerrecht besaß.
Brogimarus - Setzt sich aus den Silben „Brogi" (Land) und „marus" (groß, altirisch „mór") zusammen, was als „groß (= reich) an Landbesitz" gedeutet werden kann. Ein Brogimarus ist aus Maria Lanzendorf, als Bruder des Aptomarus, überliefert.
Bussumarus - Setzt sich aus den Silben „Bussu" (Lippe, mittelirisch „bus") und,marus" (groß, altirisch „mór") zusammen, was in etwa „Mit großer Lippe" bedeutet.
Dibugius - Die Bedeutung dieses, aus Ebreichsdorf überlieferten Namens ist sehr unsicher. Möglicherweise bedeutet er „Der in die Flucht schlägt".
Imrinn - Name eines berühmten Druiden aus dem altirischen Epos „Táin Bó Cuailnge" (Der Rinderdiebstahl von Cooley), er bezeichnet ein poetisches Versmaß.
Matugenta - Die Deutung ist nicht ganz sicher, vermutlich ist die Silbe „Matu" mit „gut" zu übersetzen, in Kombination mit „genta" (lateinisch „genus", Geschlecht, Sippe) könnte es „aus gutem Geschlecht" oder „Wohlgeboren" bedeuten.
Nemetomara - Setzt sich aus den Silben „Nemeto" (Heiligtum, Hain, abgegrenzter heiliger Bereich) und „mara" („groß", altirisch „mór") zusammen und lässt sich als „groß in der Verehrung des Göttlichen" deuten.
Verclovus - Setzt sich aus den Silben „ver" (überaus) und „clovus", („Ruhm", altirisch cló) zusammen und wird daher als „überaus berühmt" gedeutet.

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Ein Gastgeber im Jenseits
Im Grab sollte der Tote von Rodenbach als Gastgeber inszeniert werden, der nach italischer Sitte seine Gäste mit Wein oder anderen alkoholischen Getränken bewirtet. Zum umfangreichen Trinkservice, das im Prunkgrab von Rodenbach (Rheinland-Pfalz) gefunden wurde, gehören ein attisch-rot-figuriger Kantharos, eine bronzene Schnabelkanne, eine Feldflasche, ein Becken mit Henkeln und eine Schale sowie der Griff vermutlich eines Weinsiebs. Der hohe Rang des Verstorbenen zeigt sich an dem goldenen Arm- und dem goldenen Fingerring.

Grabbeigaben eines Prunkgrabes, 5. Jhdt. v. Chr., Fundort Rodenbach, Deutschland
Die flache Schale und das Henkelbecken dienten zum Servieren von Speisen oder zur Waschung vor dem Gastmahl.

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Geld regiert die Welt - in Mitteleuropa seit der Keltenzeit. Es sind keltische Söldner, die auf Sizilien, in Ägypten oder Syrien für hellenistische Herrscher kämpfen und mit Münzen bezahlt werden. So lernen sie die Verwendung ebendieser kennen. Sie kehren mit diesem Wissen und ihrem Sold zurück in die Heimat. Die Vorteile der Geldwirtschaft werden allgemein rasch akzeptiert. Nur so ist es zu erklären, dass die keltische Elite beginnt, eigene Münzen aus Gold und Silber zu prägen.

Als Vorbild für die keltischen Prägungen dienen die Münzen, die der makedonische König Alexander der Große und seine Nachfolger als Zahlungsmittel eingeführt hatten. Die keltischen Münzmeister übernehmen die Gewichtsstandards und die Münzbilder und wandeln sie im Laufe der Zeit ab. So entsteht um 250 v. Chr. ein komplexes Münzsystem aus Gold- und Silberprägungen im Bereich der Bernsteinroute. Die einheitliche Währung ist von Schlesien über Mähren bis nach Niederösterreich verbreitet, was den großräumigen Handel stark vereinfacht. Viele Rohstoffe (Eisen, Kupfer, Gold, Silber, Grafit) müssen über weite Distanzen beschafft werden. Weitere begehrte Handelsgüter sind Glasschmuck, qualitätvolle Mühlsteine oder Bronzegefäße aus dem Mittelmeerraum. So manch prunkvolles Gefäß könnte aber auch als Beute von den Raubzügen nach Italien oder Griechenland in das Gebiet nördlich der Alpen gelangt sein.

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Vom Acker in die Schüssel
Selbstversorgung aus eigenem Anbau das ist das Motto in der eisenzeitlichen Landwirtschaft. Durch den Anbau mehrerer Getreidearten (Gerste, Einkorn, Dinkel, Hirse) versuchen die Bauern, das Risiko von Ernteausfällen zu verringern. Auf den Feldern wachsen abwechselnd Sommer- und Wintergetreide sowie Hülsenfrüchte (Bohnen, Erbsen) und Ölpflanzen wie Lein oder Schlafmohn. Dank technischer Fortschritte gelingt es mit der Zeit, den Ertrag zu steigern und Überschüsse zu produzieren. Die wichtigste Neuerung ist die eiserne Pflugschar, die auf den hölzernen Hakenpflug montiert wird. Mit diesem Gerät ist es möglich, auch schwere Böden zu bearbeiten. Der Speisezettel wird ergänzt durch Milchprodukte, süße Beeren, wildes Obst und Kräuter, manchmal auch Fisch und selten Jagdwild. Fleisch kommt nicht jeden Tag auf den Tisch, sondern nur anlässlich von Festen, Opferritualen oder Totenfeiern. Zu diesen besonderen Anlässen werden Rinder, Schweine, Schafe und Ziegen geschlachtet. Als besondere Delikatesse gelten Hunde- und Pferdefleisch. Gegessen wird aus großen Schüsseln, getrunken aus flachen Schalen. Spezielle Gefäßformen wie Linsenflaschen und Röhrenkannen dienen zum Ausschenken von alkoholischen Getränken wie Wein, Bier oder Met. Nur wenige können sich Tafelgeschirr aus Bronze leisten, das von weither aus Werkstätten in Italien oder Griechenland importiert wird.

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Aufbruch, Blütezeit und Krise
Zu Beginn der späten Eisenzeit (5. und 4. Jahrhundert v. Chr.) leben die Menschen in kleinen Dörfern oder in verstreuten Einzelgehöften. Die Dörfer liegen in der Nähe von Flüssen oder Bächen und sind von guten Ackerböden umgeben. In einem Dorf wohnen höchstens 100 bis 200 Menschen. Das 3. Jahrhundert v. Chr. ist die Blütezeit der keltischen Kulturen wie aus dem Nichts entstehen plötzlich größere Siedlungen. Entweder wandern größere Menschengruppen ein und gründen eine neue Siedlung oder die Einwohner:innen ziehen aus mehreren kleinen Dörfern zusammen. Manche neu gegründeten Orte sind genau nach einem rechteckigen Raster geplant. Die Einwohner:innenzahlen vervielfachen sich auf 500 bis 2000 Menschen. An den größeren Orten finden regelmäßig Märkte statt. Hier prägt man Münzen, der Handel und das Handwerk florieren. Gegen Ende des 2. Jahrhunderts v. Chr. kommt es aufgrund von inneren Konflikten und äußeren Bedrohungen zu einer Krise. Viele Menschen übersiedeln an geschützte Orte, auch wenn sie dafür ihre besten Ackerflächen verlassen müssen. Zum Schutz vor Angreifern errichten die Einwohner:innen Befestigungsmauern aus Holz und Steinen. Gleichzeitig dienen die Mauern zur Repräsentation der Bewohnerschaft. Die größten Befestigungen liegen an wichtigen Verkehrsknotenpunkten und Flussübergängen, wo sie den Handel und Verkehr kontrollieren.

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Schneller, schärfer, bunter
In jedem größeren Dorf sind spezialisierte Handwerker:innen ansässig, die Geschirr, Werkzeuge, Geräte und Schmuck herstellen. Während in der Frühzeit die meisten Gegenstände individuell angefertigt werden, setzt sich ab dem 3. Jahrhundert v. Chr. in vielen Bereichen eine einheitliche Massenproduktion durch. Die Serienproduktion hält auch Einzug in die Töpferwerkstätten. Unter den Töpfern:innen breiten sich neue Techniken wie die schnelle Drehscheibe aus. Auf der Töpferscheibe können neue Formen wie Linsenflaschen hergestellt werden. Ein begehrtes Produkt sind feuerfeste Töpfe aus Grafitton, die sich besonders gut zum Kochen eignen.

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Eine erfolgreiche Erfindung gelingt den Glashandwerker:innen. Sie stellen Armringe in verschiedenen Farben mit unterschiedlichen Verzierungen her, die vor allem von Frauen gerne als Schmuck getragen werden. Die Zerbrechlichkeit der Glasringe sorgt für ständige Nachfrage und steigenden Absatz. Schmiede werden in jeder Siedlung benötigt, um Reparaturen an den Pflugscharen, Sicheln oder Beilen durchzuführen. Die Herstellung der eisernen Schwertklingen und der kunstvoll verzierten Schwertscheiden beherrschen aber nur spezialisierte Waffenschmiede. Schritt für Schritt ersetzt der Werkstoff Schmiedestahl die althergebrachte Bronze. Komplizierte Schmuckformen oder figürliche Darstellungen werden dennoch weiterhin in Bronze gegossen.

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Stabwürfel, 2. Jhdt. v. Chr., Geweih, Knochen, Sandstein, Fundort Oppidum Stradonice, Tschechien

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Schädel eines Kriegers mit Operationsspuren, 3. Jhdt. v. Chr., Knochen, Fundort Katzelsdorf, Niederösterreich

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Rituale und Heiligtümer
Profaner Alltag und Religion sind in der Eisenzeit eng miteinander verknüpft. Wichtige Ereignisse im Leben der Menschen werden von Ritualen begleitet. Der Bau eines Hauses ist ein solcher Anlass, ein Opfer darzubringen. Es sollte die künftigen Bewohner:innen vor Unglück bewahren beziehungsweise über- oder unterirdische Mächte besänftigen. Man bringt ein Trankopfer in einer Schale dar oder legt ein Amulett in die Pfostengrube - dort, wo später der tragende Pfosten des Hauses stehen sollte. Sicherlich gibt es viele weitere Rituale, wie zum Beispiel Gebete, die für uns heute schwierig verständlich sind, weil sie wenige oder gar keine Spuren hinterlassen haben.

Im 3. Jahrhundert v. Chr. entstehen Heiligtümer, in denen verschiedene Gottheiten verehrt werden. In der Großsiedlung von Roseldorf im Weinviertel befinden sich sogar mehrere Kultbezirke. Die Heiligtümer sind durch Gräben und Holzpalisaden von der Außenwelt abgegrenzt. Hier werden Opfer dargebracht, um das Wohlwollen der Götter zu erlangen oder ein Gelübde einzulösen. In den Heiligtümern werden geopferte Waffen zur Schau gestellt, Knochen der verstorbenen Krieger aufbewahrt und die Reste von Tieropfern deponiert. Ein Teil der geschlachteten Tiere gebührt den Göttern, den anderen Teil verspeisen die Kultteilnehmer:innen im Zuge der Opferfeste selbst.

Jupiterstatuette, 1. Jhdt. n. Chr., Bronze, Fundort Lienz - Klosterfrauenbichl, Tirol

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Kontakt oder Konfrontation
Der Kontakt mit der Militärmacht der Römer verläuft in den Alpen und östlich davon entlang der Bernsteinroute sehr unterschiedlich. An der Bernsteinroute verfolgt Rom im 1. Jahrhundert v. Chr. zunächst wirtschaftliche Interessen. Hier wird nicht nur Bernstein von der Ostsee bis zur oberen Adria gehandelt. Auch Schmiedestahl aus dem mittleren Burgenland und Sklaven werden gegen römisches Silbergeld, Wein und das zugehörige Trinkgeschirr verkauft.

Weniger friedlich verläuft der Kontakt Roms mit den keltischen Stämmen in den Alpen. Sie werden in zwei Feldzügen 16 und 15 v. Chr. militärisch unterworfen. Aus diesem Anlass erfahren wir erstmals die Namen der besiegten Stämme: Norici, Ambilini, Ambidravi, Uperaci, Saevates, Laianci, Ambisontes und Elveti. Das Gebiet zwischen Osttirol, Salzburg und dem Wiener Becken wird als Provinz Noricum dem römischen Reich eingegliedert. Im frühen 1. Jahrhundert n. Chr. sichern die Römer schließlich auch die Aufmarschroute der Bernsteinstraße militärisch. Dieses Gebiet wird Teil der Provinz Pannonien. Nördlich der Donau siedeln sich die germanischen Stämme der Markomannen und Quaden an, deren Könige von Rom kontrolliert werden und eine militärische Pufferzone entlang des Limes sichern. Die einheimische keltischsprachige Bevölkerung lebt zwar in den römischen Provinzen weiter. Ihre politische Macht und kulturelle Eigenständigkeit gehen aber mit der Zeitenwende zu Ende.

Nachbildung einer Carnyx, Bronze, Hersteller Stefan Jaroschinski, Frankenberg, Deutschland
Die Carnyx ist ein Blasinstrument, das aufrecht über dem Kopf gehalten wird. Der Schalltrichter ist in Form eines Wildschweinkopfes gestaltet. Aus dem geöffneten Maul des Ebers erschallen die Töne. Die Musik stachelte im Kampf die Krieger an oder begleitete in Heiligtümern die Kulthandlungen.

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Die Kultbezirke von Roseldorf
Am Sandberg liegt die größte keltische Zentralsiedlung Österreichs. Sieben zeitgleiche quadratische Heiligtümer, verteilt auf drei Kultbezirke, zeichnen sie vor allem als kultisches Zentrum mit unterschiedlichen Ritualen aus. Geopfert wurden materielle Güter, vor allem Kriegsausrüstung wie Waffen, Streitwägen und Pferdegeschirre, aber auch blutige Opfer von Menschen und Tieren. Vor ihrer Deponierung im Opfergraben wurden die Opfer meist rituell zerstört und auch öffentlich zur Schau gestellt.

Opfergaben aus Kultbezirk 2, 3./2. Jhdt. v. Chr., Eisen, Fundort Roseldorf, Niederösterreich
Im Kultbezirk 2 sind hingegen Nabenringe, Felgenklammern, Radbeschläge, Achsnägel, Zweiknopfstifte, Ösenstifte, Haken und Beschläge von Streitwägen sowie Ringtrensen, Phaleren aus Eisen und Bronze und Riementeiler von Pferdegeschirren vorherrschend.

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