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Das nitsch museum in Mistelbach zählt zu den größten
monografischen Museen der Republik Österreich und versteht sich als Ort
der Kontemplation und Sinnlichkeit. Seine Architektur ist an den
Idealplan einer Klosteranlage angelehnt und umfasst Gebäudeteile, die
als Haupt- und Seitenschiff, Chorraum, Krypta oder Kapelle bezeichnet
werden und um eine zentrale Piazza angeordnet sind. Das 6-Tage-Spiel
stellt das Zentrum von Hermann Nitschs Gesamtkunstwerk – dem Orgien
Mysterien Theaters – dar. In einer Rauminstallation werden
großformatige Schüttbilder, Aktionsfotos, Relikttücher, Tragbahren und
Applikationen der Teilrealisierung der 2. Fassung des 6-Tage-Spiels
2022 präsentiert.
Der ungebändigte Wille des Künstlers nach dem Vordringen zum realen
Geschehnis, zum realen Erlebnis und zur unmittelbaren, intensiven
Wahrnehmung der Sinne und des Seins stellt den Ausgangspunkt und das
immerwährende Leitmotiv für alle Ausstellungstätigkeiten und
Unternehmungen des nitsch museums in Mistelbach dar.
Konzeptuell konzentrierte sich die Planung auf die Lange Halle mit
Seitenhalle, die Große Halle und die Schmiede im Zentrum der Anlage.
Die Lange Halle und die Große Halle waren dünnwendige Ziegelbauten mit
breiten Fensterbändern und einem Filigran-Stahlwerk zur Stützung des
Daches, Raumklimatisch waren die Hallen für museale Zwecke zunächst
völlig ungeeignet, raumatmosphärisch jedoch sehr ansprechend: ein
monumentaler, archaischer, sakraler Ausdruck lag den Hallen inne.
Hermann Nitsch wurde am 29. August 1938 in Wien geboren. Er ist
entscheidender Gründer des Wiener Aktionismus und zählt zu den
vielseitigsten zeitgenössischen Künstlern: Aktionist, Maler, Komponist
(Sinfonien, Orgelkonzerte), Bühnenbildner. Sein Gesamtkunstwerk das
Orgien Mysterien Theater umfasst das breite Spektrum seiner Kunst,
indem es den Einsatz aller fünf Sinne erfordert - das Tragische führt
zur Auseinandersetzung mit Fleisch, Blut und Eingeweiden.
HERMANN NITSCH DAS 6-TAGE-SPIEL
Die Jahresausstellung „Hermann Nitsch Das 6-Tage-Spiel" widmet sich in
Kooperation mit der Albertina Wien dem Herzstück des Gesamtkunstwerkes
des im April 2022 verstorbenen Künstlers. Hermann Nitsch gilt als
bedeutendster Wegbereiter des Wiener Aktionismus und zählt zu den
wichtigsten Aktionskünstlern der internationalen Kunstgeschichte. Seit
dem Jahr 1957 entwickelte er sein Opus magnum, das Orgien Mysterien
Theater, eine Form des Gesamtkunstwerkes, welches alle Sinne des
Menschen beansprucht. Mit diesem völlig neuen Theaterkonstrukt
revolutionierte der Künstler den Theaterbegriff des 20. Jahrhunderts.
Wichtige Grundlagen des Orgien Mysterien Theaters sind antike
Mysterienfeste, Ritualhandlungen, die griechische Tragödie und reale
Geschehnisse, die das reinigende Element der Kathar-sis enthalten. Das
6-Tage-Spiel stellt das Zentrum von Hermann Nitschs Gesamtkunstwerk des
Orgien Mysterien Theaters dar. Es ist das Hauptwerk seines Orgien
Mysterien Theaters. Unermüdlich und gewissermaßen „davon beherrscht"
ordnete Hermann Nitsch alles seinem 6-Tage-Spiel unter. Es war Zentrum
seines Seins.
„das 6 tage dauernde spiel des o. m.
theaters soll das grösste und wichtigste fest der menschen werden les
ist ästhetisches ritual der existenzverherrlichung). es ist
gleichzeitig volksfest und zu bewusstsein gebrachtes mysterium der
existenz." (hermann nitsch)
Die Idee zum Orgien Mysterien Theater entstand im Jahr 1957 und führte
bis heute zur Realisierung von 160 Aktionen. Sein gesamtes Leben und
Werk verschrieb der Künstler dem Orgien Mysterien Theater, dessen
Höhepunkte die beiden 6-Tage-Spiele 1998 und 2022 sind. Sämtliche
Aktionen und alle Werke, die er in unterschiedlichen künstlerischen
Disziplinen erschaffen hat, mündeten letztendlich in das Vorhaben des
6-Tage-Spiels, an dem Hermann Nitsch bis zu seinem Lebensende
arbeitete. Die traditionelle Bühne wird bei diesen Aktionen verlassen,
reale Geschehnisse inszeniert und das Publikum als Teilnehmer aktiv in
das Spielgeschehen integriert. Ziel ist es, die Sinne der Teilnehmer
möglichst intensiv und unmittelbar anzu-sprechen. Das Fleisch der
Wirklichkeit (Hermann Nitsch) wird erfahrbar gemacht. Durch die
unmittelbare und intensive Auseinandersetzung mit dem Tod bejaht das
Aktionstheater von Hermann Nitsch bewusst das Leben.
„das fest fordert eine bewusstheit,
die bis tief zur annahme unserer tragischen wirklichkeit führt. die
welt als ganzes soll angenommen werden mit allen extremen, ihren
glücksmöglichkeiten, grässlichkeiten und der grausamkeit des todes."
(hermann nitsch)
Die Ausstellung im nitsch museum zeigt Werkblöcke von der
Erstrealisierung der sechs Tage und sechs Nächte dauernden Aktion im
Jahr 1998 beziehungsweise von der Teilrealisierung der zweiten Fassung
aus dem Jahr 2022. Zu sehen sind wesentliche Reliktinstallationen,
Schüttbilder aus den Malaktionen, Teile der Aktionspartituren,
ausgewählte Aktionsfotos, Filmdokumentationen, Applikationen und
Gerätschaften. Frank Gassner, der langjährige Assistent von Hermann
Nitsch, konzipierte anlässlich der Ausstellung einen Installationsraum
mit dem Titel „Prinzendorf 22/98". In der Kapelle des nitsch museums
ist weiterhin die bereits eröffnete Rauminstallation zum 6-Tage-Spiel
zu sehen.
PHILOSOPHIE/METHODE/TECHNIK/REALISATION
Das Orgien Mysterien Theater ist zugleich Philosophie, Wissenschaft und
Kunst in einem. Seine Philosophie beinhaltet das Konzept der Einheit
von Struktur und Funktion des Organismus/Spielteilnehmers im gesunden
wie auch im verkrusteten Zustand. Als Wissenschaft umfasst sie
Teilbereiche u. a. der Wahrnehmung und Empfindung im Dienste des OMT.
Die Kunst besteht in der klar vorgeschriebenen und praktizierten
Anwendung dieser Philosophie und Wissenschaft in der real inszenierten
Aktionspraxis. Um diesem hohen Anspruch gerecht zu werden, benötigen
Akteure vor allem in der Anwendung und Durchführung der Aktionen
umfassende Kenntnisse. Sie müssen sich die speziellen Aktionsverfahren
und Aktionsschritte aneignen, die philosophischen und konzeptionellen
Grundlagen des OMT kennen; und sie brauchen u. a. sensible Hände, die
auf die Aktionskörper „hören" und mit ihnen „sprechen" können. Akteure
berücksichtigen hierbei gleichermaßen die Einheit des Körpers wie das
Wissen um dessen energe-tische Kräfte und die Wechselbeziehungen
zwischen den einzelnen Strukturen und deren Funktionen durch die
Realisation der angeregten Sinnesmodalitäten in ihrer Gesamtheit. Der
Akteur verwendet keine Medikamente, sondern vorgeschriebene Naturalien,
welche ihm - laut Partitur -zur Verfügung stehen.
Die eigentliche Aktionshandlung ist immer manuell. Die individuellen
Darstellungen, die physische und psychische Situation sowie andere
Lebensfaktoren des Akteurs/Spielteilnehmers werden bei der
Festlegung/Realisation beachtet und in die Aktionsabläufe immer mit
einbezogen und umgesetzt. Zitat Nitsch: Der Akteur und der
Spielteilnehmer werden dadurch in die Lage versetzt, seine
existenziellen Schlüssel-Funktionskomplexe biokybernetisch anzusteuern.
Dies geschieht durch klar vorgeschriebene, konzipierte und erlernte
Techniken und ist für den Aktionserfolg elementar ausschlaggebend.
Zitat Nitsch: „im übertreten der ekelschranke und dem ekstatischen erleben wird ein prozess der katharsis eingeleitet."
Eine bescheidene Handlung und Respekt gegenüber den Mitakteuren in
ihrer Ganzheit sowie den sich dadurch entfaltenden
Autoregulationskräften der Spielteilnehmer und der Natur sind
inhärenter Bestandteil des OMT.
Im OMT werden durch das reale Geschehnis, die „leibhaftige" Umsetzung
des Urdramas mit den immensen Sinneseindrücken von Farbe, Blut, Gedärm,
die Spielteilnehmer mit der lebendigen Wirklichkeit konfrontiert.
Wer den Körper, das Leben mit all seinen Facetten und den daraus
resultierend systematisch angesteuerten biokybernetischen Abläufen
erkennt, erkennt das nahe Ende, er erkennt den Tod. Das Interesse am
OMT ist nichts anderes als Interesse um den Tod und ist daher nichts
anderes als eine Art von Ausdruck für das sein-bejahende Leben, ergo
der lebendigen Wirklichkeit. Zitat Nitsch: „es ist so, wie es ist."
Der Wiener Aktionismus steht inzwischen als Stichwort in jedem Lexikon
zur Modernen Kunst. Brus, Mühl, Nitsch und Schwarzkogler, mit diesen
Namen ist der Beginn des Wiener Aktionismus in den frühen sechziger
Jahren verbunden, jeder von ihnen führte die zunächst nur auf Wien
beschränkten Ereignisse auf seine Weise zur Blüte und alle fanden
internationale Anerkennung.
Sie gingen dann später ihre eigenen Wege und ihre „Lebenswerke" zählen
heute zu den wichtigsten Zeugnissen österreichischer Gegenwartskunst.
In den fünfziger Jahren herrschte in Österreich noch ein
rückwärtsgewandtes Milieu und ein totales Vakuum für Moderne Kunst. In
den sechziger Jahren entwickelte sich die neue Kunstrichtung des Wiener
Aktionismus. Die Künstler reagierten auf das kunstpolitische Klima mit
den schärfsten Mitteln. Gruppen bildeten sich, um sich gegen die
Polizei, die Presse und Teile des Publikums zu wehren. Nitsch musste in
die Emigration. Nitsch reiste mehrmals nach New York. Erst ab 1970 kam
es in Österreich zu weitreichenden Liberalisierungen, so dass Kunst
wieder nach internationalen, demokratischen Standards stattfinden
konnte. 1960 konzipierte Hermann Nitsch seine ersten Aktionen.
Hermann Nitsch sieht seine frühen Aktionen einerseits als
Ausgangspunkt, andererseit aber vor allem als das Initiationsstadium
für das große Gesamtkunstwerk: DAS ORGIEN MYSTERIEN THEATER. Die
dramatischten, intensivsten, spektakulärsten Intensionen seines
Theaters kamen zuerst zur Aufführung. Im Sechs Tages Spiel, fast 30
Jahre später, fand das o.m.theater (Schreibweise von Hermann Nitsch) in
Prinzendorf vom 3.-9. August 1998 seinen bisherigen Höhepunkt. Aktionen
wurden in vielen Ländern aufgeführt. Nicht nur in Österreich oder
Deutschland, sondern auch in England, Frankreich, Holland, Amerika,
Italien, Kanada, Island und Australien.
hermann nitsch
geboren am 29.8.1938 in wien
gestorben am 18.4.2022 in mistelbach
Nach einer diplomierten Ausbildung an der Graphischen Lehr- und
Versuchsanstalt in Wien (1953-58) übernimmt Nitsch 1957 eine Stelle als
Gebrauchsgrafiker am technischen Museum der Stadt. Privat orientiert
sich Nitsch zunächst am Expressionismus, den er mit großteils
religiösen Figurenszenen verbindet. Ab 1960, nach einer Zeit der
Hinwendung Nitschs zur Literatur, kehrt er mit Werken, die dem Informel
verpflichtet sind, zur Malerei zurück. In diesem Jahr finden auch erste
Malaktionen statt, die die Idee des Orgien Mysterien Theaters
umzusetzen versuchen. Die Aktionen, bei denen es um das intensive
sinnliche Erleben verschiedenster Substanzen und Flüssigkeiten geht,
werden in den folgenden Jahren immer provokativer. Nach Schrei- und
Lärmaktionen als Abreaktionsspiele realisiert Nitsch Lammzerreissungen,
die zu weiteren Aktionen mit Fleisch führen. Nach großen Erfolgen des
Orgien Mysterien Theaters Ende der 60er Jahre in den USA und
Deutschland führt Nitsch während der 70er Jahre in vielen europäischen
und nordamerikanischen Städten Aktionen durch.
1971 gelingt der Ankauf des niederösterreichischen Schlosses
Prinzendorf aus dem Besitz der Kirche, wo Nitsch im Zuge groß
angelegter Aktionen auch seine Vorstellungen von der Musik zu seinem
Theater verwirklicht. Bei den Aktionen werden Lärmorchester,
Schreichöre und elektronisch verstärkte Instrumente eingesetzt. Nitsch
deutet das Leben als Passion an, sowie den Malprozess als verdichtetes
Leben und damit als Inbegriff der Passion. Der Künstler selbst bleibt
durch seine an zentraler Stelle im Bild eingefügten Malhemden, die er
während der Arbeit trägt, anwesend und animiert den Betrachter, sich
mit dem Malvorgang zu identifizieren und mit ihm ins Bild einzutreten.
Höhepunkte von Hermann Nitschs Projekten sind das "Drei Tage Spiel"
1984 in Prinzendorf oder der Zyklus von Schüttbildern, die er 1987 in
der Wiener Secession herstellen konnte. Das Ideal des "6 Tage Spiels"
verwirklicht Nitsch 1998. Seit den 90er Jahren wird seine Kunst auch
immer häufiger in Ausstellungen gewürdigt, die häufig von Aktionen des
Künstlers begleitet werden. In einer veränderten
politisch-gesellschaftlichen Situation kann Nitsch sich als anerkannter
Kunstschaffender etablieren.
Bis zu seinem Tod am 18. April 2022 lebte und arbeitete Hermann Nitsch
auf seinem Schloss in Prinzendorf an der Zaya, Niederösterreich sowie
in Asolo, Italien. Seine Werke sind in den beiden Nitsch Museen in
Mistelbach und Neapel sowie in der Nitsch Foundation in Wien und in den
renommiertesten internationalen Museen und Galerien ausgestellt. Im
Jahr 2022 übernahm die Pace Gallery mit Hauptsitz in New York die
weltweite Vertretung von Hermann Nitsch.
Bereits zur Mitte der 1950er-Jahre wurde von Hermann Nitsch die
Grundidee des Orgien Mysterien Theaters entwickelt. Sämtliche
Disziplinen dieses Gesamtkunstwerks mit Totalitätsanspruch, die im
Folgenden summarisch skizziert werden sollen, gehen auf die 1950er und
1960er-Jahre zurück und sind von Beginn an in einem Gesamtkonzept
verankert.
Gesamtkunstwerk Orgien Mysterien Theater
1971 erwarb Hermann Nitsch das Schloss Prinzendorf und ernannte es zur
Spielstätte seines Orgien Mysterien Theaters. Das O.M.Theater hat die
Geschichte des Theaters und der neuen Kunst revolutioniert. Der Asolo
Raum, benannt nach dem italienischen Ort, wo Nitsch ein Atelier
besitzt, ist die bekannteste Installation von Hermann Nitsch und zeigt
die Werkzeuge des O.M.Theaters. Die Grundbegriffe „rein" und „unrein"
werden hier zum Schlüssel für das Verständnis der Werke von Hermann
Nitsch. Für Hermann Nitsch ist die Kunst sakrales Ritual. Relikte (z.B.
Malhemden), medizinisches Werkzeug, Sakralgegenstände mit Spuren aus
den frühen Ak-tionen, Kreuzwegstationen, Schüttbilder sind im 1973
entstandenen Asolo Raum zusammengefasst. 1972 bei der documenta 5
erstmals in Einzelteilen gezeigt, wurde der Weltruf von Hermann Nitsch
damit begründet.
Das Geruchs- und Geschmackslaborist
als Magazin des Gesamtkunstwerkes Orgien Mysterien Theater
anzusehen. Die Farbenlehre und die Gebrauchsgegenstände, Substanzen und
Ritualgefäße liefern in ihrer Konstellation einen weiteren Schlüssel
zum Werk von Hermann Nitsch. Drama, Musik und Malerei sind dessen
Hauptsäulen. Die Videoinstallation der Aktion im Burgtheater, 2005
zeigt die ganze
Komplexität und die riesigen Dimensionen des O.M.Theaters. Die acht
Stunden dauernde Aufführung des O.M. Theaters im Burgtheater, der
führenden Bühne im deutschsprachigen Raum, gilt als Höhepunkt im
Schaffen von Hermann Nitsch und wurde von 1300 Menschen erlebt. Die
Gesamtzusammenhänge und die Tiefendimensionen des Werkes von Hermann
Nitsch leuchten in ihrer ganzen Bedeutung auf.
Asolo-Raum
Installation mit sakralen Geräten, Archivio F. Conz, Verona
Hermann Nitsch wurde 1973 von Francesco Conz eingeladen, in Asolo einen
Raum zu gestalten. Er installierte einen Sakralraum, der einen
Überblick über das Projekt des orgien mysterien theaters geben sollte.
Alle wichtigen Elemente der Arbeit Hermann Nitschs sollten gezeigt
werden: Aktionsmalerei, Relikte und Fotodokumentationen von Aktionen.
Hermann Nitsch nannte den Raum „Relikte und Werkzeuge des orgien
mysterien theaters". 1980 wurde der Raum aus Gründen der Übersiedlung
von Francesco Conz aufgegeben, dennoch wurde er immer wieder zusammen
mit großen Ausstellungen eingerichtet und ist deshalb ein Kernstück im
Hermann Nitsch Museum im Museumszentrum Mistelbach.
Die Jahresausstellung 2023 „Das 6-Tage-Spiel" widmet sich in
Kooperation mit der Albertina Wien erstmals dem Herzstück des
Gesamtkunstwerkes Hermann Nitschs.
Die Ausstellung im nitsch museum zeigt Werkblöcke aus der
Erstrealisierung der Aktion im Jahr 1998 und der Teilrealisierung der
zweiten Fassung von 2022. Zu sehen sind wesentliche
Reliktinstallationen, Schüttbilder aus den Malaktionen, Teile der
Aktionspartituren, ausgewählte Aktionsfotos, Filmdokumentationen,
Applikationen und Gerätschaften. Ein Raum im nitsch museum ist von
Frank Gassner, dem langjährigen Assistenten von Hermann Nitsch, unter
dem Titel „Prinzendorf 98/22“ neu gestaltet. In der Kapelle des nitsch
museum ist weiterhin die im Herbst 2022 eröffnete Rauminstallation zum
6-Tage-Spiel 2022 zu sehen.
Farbspektren
Das Orgien Mysterien Theater, das große allumfassende Gesamtkunstwerk,
von Hermann Nitsch entwickelt, hat seine zentrale Spielstätte seit 1971
im Schloss Prinzendorf, nur eine Weinviertler Hügelkette von diesem
Museum entfernt. Aktion, Tragödie, Ritual, orgiastische Malerei, Musik,
Klangströme, rauschende Feste und die intensive Schönheit der
agrarischen Landschaft und des Lichtes verwandelt Hermann Nitsch dort
in seinen Partituren zu einer gewaltigen Dramaturgie des Seins. 1972
war Nitsch mit den Wiener Aktionisten Hauptdarsteller bei der documenta
5 in Kassel. Die dort ausgestellten „Werkzeuge des OM Theaters" fasste
er 1973 im „ASOLO RAUM" zusammen. Als Urgewalt des ständig
auferstehenden und befruchtenden Lebens, ist Dionysos der Gott des
Weines, des Tanzes, der Tragödie und Archetyp der Lebensbejahung für
Hermann Nitsch zu einer der tragenden Symbolfiguren geworden.
In seiner 56. Malaktion 2009 im Hermann Nitsch Museum kam es zu einer
scheinbar unkontrollierten Explosion naturmystischer Farbströme. Das
Verschütten von Farbe, dieses Grundritual der Malaktionen wurde dabei
schon rein mengen- und flächenmäßig auf die Spitze getrieben und
sprengt alle bisherigen Grenzen im Werk des Meisters. Beim „Ausmalen"
seines Museums, der neobarocken Verwandlung der monumentalen Langhalle
in eine „Kathedrale der Farben" bewältigte Hermann Nitsch mehr als 700
m² Leinwand. Eine atemberaubende Menge Farbflüssigkeiten musste nach
genau kalkulierten Farbsystemen gemischt werden, um die Farbpalette
Hermann Nitschs in diese neuen Dimensionen zu erweitern. Diese
Farbsysteme hat Hermann Nitsch in langen Experimentalketten unter
Beachtung der Farbenlehre Goethes entwickelt.
Extreme Expressivität im spontanen Malvorgang und genaue Planung und
Erforschung aller Elemente bis hin zur Philosophie, das ist das
Markenzeichen der Arbeit von Hermann Nitsch. Auf der Grundlage dieser
Farbenlehre inszenierte Hermann Nitsch das Opernoratorium „Szenen aus
Goethes Faust" von Robert Schumann unter der Leitung von Franz
Welser-Möst an der Züricher Oper. 2007 erschien im Residenz Verlag das
Buch „HERMANN NITSCH die farbenlehre des o.m.theaters".
RAUMINSTALLATION 6-TAGE-SPIEL 2022
Das nitsch museum zeigt ab Oktober 2022 in der Kapelle des
Museumsgeländes eine Preview zur bevorstehenden Jahresausstellung 2023,
die dem 6-Tage-Spiel des Orgien Mysterien Theaters im Werk von Hermann
Nitsch gewidmet ist. Die Rauminstallation umfasst Schüttbilder, Fotos,
Relikte und Gerätschaften aus der Teilrealisierung des 6-Tage-Spiels
2022. Eine Originalaufnahme der Aktionsmusik des ersten Tages begleitet
die Präsentation auf akustischer Ebene.
Auf ausdrücklichen Wunsch des im April 2022 verstorbenen Künstlers
Hermann Nitsch wurden im Juli 2022 post mortem die ersten beiden Tage
der 2. Fassung des 6-Tage-Spiels in Schloss Prinzendorf realisiert. 24
Jahre sind seit der Erstrealisierung von Nitschs Opus Magnum im Jahr
1998 vergangen. „das 6-tage-spiel des o. m. theaters ist ein work in
progress. alles was ich je gemacht habe, meine aktionsmalerei, all
meine aktionen, meine musik waren vorstufen für das sich nie
vollendende werk." (hermann nitsch)
Die kurz vor seinem Tod fertiggestellte Zweitfassung soll 2023
fortgesetzt werden und wird von der Jahresausstellung im nitsch museum
begleitet. Die Rauminstallation ist die erste Präsentation nach dem
Ableben des Künstlers im nitsch museum. Die Werkauswahl erfolgte durch
Rita Nitsch.
Wem der viele Text zu lange war und lieber Bewegtbilder mit Musik mag,
kann sich gerne dieses Video antun: