hermann nitsch museum

Mistelbach, September 2023

Das nitsch museum in Mistelbach zählt zu den größten monografischen Museen der Republik Österreich und versteht sich als Ort der Kontemplation und Sinnlichkeit. Seine Architektur ist an den Idealplan einer Klosteranlage angelehnt und umfasst Gebäudeteile, die als Haupt- und Seitenschiff, Chorraum, Krypta oder Kapelle bezeichnet werden und um eine zentrale Piazza angeordnet sind. Das 6-Tage-Spiel stellt das Zentrum von Hermann Nitschs Gesamtkunstwerk – dem Orgien Mysterien Theaters – dar. In einer Rauminstallation werden großformatige Schüttbilder, Aktionsfotos, Relikttücher, Tragbahren und Applikationen der Teilrealisierung der 2. Fassung des 6-Tage-Spiels 2022 präsentiert.

 hermann nitsch museum, Mistelbach, September 2023

Der ungebändigte Wille des Künstlers nach dem Vordringen zum realen Geschehnis, zum realen Erlebnis und zur unmittelbaren, intensiven Wahrnehmung der Sinne und des Seins stellt den Ausgangspunkt und das immerwährende Leitmotiv für alle Ausstellungstätigkeiten und Unternehmungen des nitsch museums in Mistelbach dar.

 hermann nitsch museum, Mistelbach, September 2023

Konzeptuell konzentrierte sich die Planung auf die Lange Halle mit Seitenhalle, die Große Halle und die Schmiede im Zentrum der Anlage. Die Lange Halle und die Große Halle waren dünnwendige Ziegelbauten mit breiten Fensterbändern und einem Filigran-Stahlwerk zur Stützung des Daches, Raumklimatisch waren die Hallen für museale Zwecke zunächst völlig ungeeignet, raumatmosphärisch jedoch sehr ansprechend: ein monumentaler, archaischer, sakraler Ausdruck lag den Hallen inne.

 hermann nitsch museum, Mistelbach, September 2023

Hermann Nitsch wurde am 29. August 1938 in Wien geboren. Er ist entscheidender Gründer des Wiener Aktionismus und zählt zu den vielseitigsten zeitgenössischen Künstlern: Aktionist, Maler, Komponist (Sinfonien, Orgelkonzerte), Bühnenbildner. Sein Gesamtkunstwerk das Orgien Mysterien Theater umfasst das breite Spektrum seiner Kunst, indem es den Einsatz aller fünf Sinne erfordert - das Tragische führt zur Auseinandersetzung mit Fleisch, Blut und Eingeweiden.

 hermann nitsch museum, Mistelbach, September 2023

HERMANN NITSCH DAS 6-TAGE-SPIEL
Die Jahresausstellung „Hermann Nitsch Das 6-Tage-Spiel" widmet sich in Kooperation mit der Albertina Wien dem Herzstück des Gesamtkunstwerkes des im April 2022 verstorbenen Künstlers. Hermann Nitsch gilt als bedeutendster Wegbereiter des Wiener Aktionismus und zählt zu den wichtigsten Aktionskünstlern der internationalen Kunstgeschichte. Seit dem Jahr 1957 entwickelte er sein Opus magnum, das Orgien Mysterien Theater, eine Form des Gesamtkunstwerkes, welches alle Sinne des Menschen beansprucht. Mit diesem völlig neuen Theaterkonstrukt revolutionierte der Künstler den Theaterbegriff des 20. Jahrhunderts. Wichtige Grundlagen des Orgien Mysterien Theaters sind antike Mysterienfeste, Ritualhandlungen, die griechische Tragödie und reale Geschehnisse, die das reinigende Element der Kathar-sis enthalten. Das 6-Tage-Spiel stellt das Zentrum von Hermann Nitschs Gesamtkunstwerk des Orgien Mysterien Theaters dar. Es ist das Hauptwerk seines Orgien Mysterien Theaters. Unermüdlich und gewissermaßen „davon beherrscht" ordnete Hermann Nitsch alles seinem 6-Tage-Spiel unter. Es war Zentrum seines Seins.

„das 6 tage dauernde spiel des o. m. theaters soll das grösste und wichtigste fest der menschen werden les ist ästhetisches ritual der existenzverherrlichung). es ist gleichzeitig volksfest und zu bewusstsein gebrachtes mysterium der existenz." (hermann nitsch)

 hermann nitsch museum, Mistelbach, September 2023

Die Idee zum Orgien Mysterien Theater entstand im Jahr 1957 und führte bis heute zur Realisierung von 160 Aktionen. Sein gesamtes Leben und Werk verschrieb der Künstler dem Orgien Mysterien Theater, dessen Höhepunkte die beiden 6-Tage-Spiele 1998 und 2022 sind. Sämtliche Aktionen und alle Werke, die er in unterschiedlichen künstlerischen Disziplinen erschaffen hat, mündeten letztendlich in das Vorhaben des 6-Tage-Spiels, an dem Hermann Nitsch bis zu seinem Lebensende arbeitete. Die traditionelle Bühne wird bei diesen Aktionen verlassen, reale Geschehnisse inszeniert und das Publikum als Teilnehmer aktiv in das Spielgeschehen integriert. Ziel ist es, die Sinne der Teilnehmer möglichst intensiv und unmittelbar anzu-sprechen. Das Fleisch der Wirklichkeit (Hermann Nitsch) wird erfahrbar gemacht. Durch die unmittelbare und intensive Auseinandersetzung mit dem Tod bejaht das Aktionstheater von Hermann Nitsch bewusst das Leben.

„das fest fordert eine bewusstheit, die bis tief zur annahme unserer tragischen wirklichkeit führt. die welt als ganzes soll angenommen werden mit allen extremen, ihren glücksmöglichkeiten, grässlichkeiten und der grausamkeit des todes." (hermann nitsch)

Die Ausstellung im nitsch museum zeigt Werkblöcke von der Erstrealisierung der sechs Tage und sechs Nächte dauernden Aktion im Jahr 1998 beziehungsweise von der Teilrealisierung der zweiten Fassung aus dem Jahr 2022. Zu sehen sind wesentliche Reliktinstallationen, Schüttbilder aus den Malaktionen, Teile der Aktionspartituren, ausgewählte Aktionsfotos, Filmdokumentationen, Applikationen und Gerätschaften. Frank Gassner, der langjährige Assistent von Hermann Nitsch, konzipierte anlässlich der Ausstellung einen Installationsraum mit dem Titel „Prinzendorf 22/98". In der Kapelle des nitsch museums ist weiterhin die bereits eröffnete Rauminstallation zum 6-Tage-Spiel zu sehen.

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PHILOSOPHIE/METHODE/TECHNIK/REALISATION
Das Orgien Mysterien Theater ist zugleich Philosophie, Wissenschaft und Kunst in einem. Seine Philosophie beinhaltet das Konzept der Einheit von Struktur und Funktion des Organismus/Spielteilnehmers im gesunden wie auch im verkrusteten Zustand. Als Wissenschaft umfasst sie Teilbereiche u. a. der Wahrnehmung und Empfindung im Dienste des OMT. Die Kunst besteht in der klar vorgeschriebenen und praktizierten Anwendung dieser Philosophie und Wissenschaft in der real inszenierten Aktionspraxis. Um diesem hohen Anspruch gerecht zu werden, benötigen Akteure vor allem in der Anwendung und Durchführung der Aktionen umfassende Kenntnisse. Sie müssen sich die speziellen Aktionsverfahren und Aktionsschritte aneignen, die philosophischen und konzeptionellen Grundlagen des OMT kennen; und sie brauchen u. a. sensible Hände, die auf die Aktionskörper „hören" und mit ihnen „sprechen" können. Akteure berücksichtigen hierbei gleichermaßen die Einheit des Körpers wie das Wissen um dessen energe-tische Kräfte und die Wechselbeziehungen zwischen den einzelnen Strukturen und deren Funktionen durch die Realisation der angeregten Sinnesmodalitäten in ihrer Gesamtheit. Der Akteur verwendet keine Medikamente, sondern vorgeschriebene Naturalien, welche ihm - laut Partitur -zur Verfügung stehen.

 hermann nitsch museum, Mistelbach, September 2023

Die eigentliche Aktionshandlung ist immer manuell. Die individuellen Darstellungen, die physische und psychische Situation sowie andere Lebensfaktoren des Akteurs/Spielteilnehmers werden bei der Festlegung/Realisation beachtet und in die Aktionsabläufe immer mit einbezogen und umgesetzt. Zitat Nitsch: Der Akteur und der Spielteilnehmer werden dadurch in die Lage versetzt, seine existenziellen Schlüssel-Funktionskomplexe biokybernetisch anzusteuern. Dies geschieht durch klar vorgeschriebene, konzipierte und erlernte Techniken und ist für den Aktionserfolg elementar ausschlaggebend.

Zitat Nitsch: „im übertreten der ekelschranke und dem ekstatischen erleben wird ein prozess der katharsis eingeleitet."

Eine bescheidene Handlung und Respekt gegenüber den Mitakteuren in ihrer Ganzheit sowie den sich dadurch entfaltenden Autoregulationskräften der Spielteilnehmer und der Natur sind inhärenter Bestandteil des OMT.
Im OMT werden durch das reale Geschehnis, die „leibhaftige" Umsetzung des Urdramas mit den immensen Sinneseindrücken von Farbe, Blut, Gedärm, die Spielteilnehmer mit der lebendigen Wirklichkeit konfrontiert.
Wer den Körper, das Leben mit all seinen Facetten und den daraus resultierend systematisch angesteuerten biokybernetischen Abläufen erkennt, erkennt das nahe Ende, er erkennt den Tod. Das Interesse am OMT ist nichts anderes als Interesse um den Tod und ist daher nichts anderes als eine Art von Ausdruck für das sein-bejahende Leben, ergo der lebendigen Wirklichkeit. Zitat Nitsch: „es ist so, wie es ist."

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Der Wiener Aktionismus steht inzwischen als Stichwort in jedem Lexikon zur Modernen Kunst. Brus, Mühl, Nitsch und Schwarzkogler, mit diesen Namen ist der Beginn des Wiener Aktionismus in den frühen sechziger Jahren verbunden, jeder von ihnen führte die zunächst nur auf Wien beschränkten Ereignisse auf seine Weise zur Blüte und alle fanden internationale Anerkennung.

Sie gingen dann später ihre eigenen Wege und ihre „Lebenswerke" zählen heute zu den wichtigsten Zeugnissen österreichischer Gegenwartskunst. In den fünfziger Jahren herrschte in Österreich noch ein rückwärtsgewandtes Milieu und ein totales Vakuum für Moderne Kunst. In den sechziger Jahren entwickelte sich die neue Kunstrichtung des Wiener Aktionismus. Die Künstler reagierten auf das kunstpolitische Klima mit den schärfsten Mitteln. Gruppen bildeten sich, um sich gegen die Polizei, die Presse und Teile des Publikums zu wehren. Nitsch musste in die Emigration. Nitsch reiste mehrmals nach New York. Erst ab 1970 kam es in Österreich zu weitreichenden Liberalisierungen, so dass Kunst wieder nach internationalen, demokratischen Standards stattfinden konnte. 1960 konzipierte Hermann Nitsch seine ersten Aktionen.

Hermann Nitsch sieht seine frühen Aktionen einerseits als Ausgangspunkt, andererseit aber vor allem als das Initiationsstadium für das große Gesamtkunstwerk: DAS ORGIEN MYSTERIEN THEATER. Die dramatischten, intensivsten, spektakulärsten Intensionen seines Theaters kamen zuerst zur Aufführung. Im Sechs Tages Spiel, fast 30 Jahre später, fand das o.m.theater (Schreibweise von Hermann Nitsch) in Prinzendorf vom 3.-9. August 1998 seinen bisherigen Höhepunkt. Aktionen wurden in vielen Ländern aufgeführt. Nicht nur in Österreich oder Deutschland, sondern auch in England, Frankreich, Holland, Amerika, Italien, Kanada, Island und Australien.

 hermann nitsch museum, Mistelbach, September 2023

hermann nitsch
geboren am 29.8.1938 in wien
gestorben am 18.4.2022 in mistelbach

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Nach einer diplomierten Ausbildung an der Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt in Wien (1953-58) übernimmt Nitsch 1957 eine Stelle als Gebrauchsgrafiker am technischen Museum der Stadt. Privat orientiert sich Nitsch zunächst am Expressionismus, den er mit großteils religiösen Figurenszenen verbindet. Ab 1960, nach einer Zeit der Hinwendung Nitschs zur Literatur, kehrt er mit Werken, die dem Informel verpflichtet sind, zur Malerei zurück. In diesem Jahr finden auch erste Malaktionen statt, die die Idee des Orgien Mysterien Theaters umzusetzen versuchen. Die Aktionen, bei denen es um das intensive sinnliche Erleben verschiedenster Substanzen und Flüssigkeiten geht, werden in den folgenden Jahren immer provokativer. Nach Schrei- und Lärmaktionen als Abreaktionsspiele realisiert Nitsch Lammzerreissungen, die zu weiteren Aktionen mit Fleisch führen. Nach großen Erfolgen des Orgien Mysterien Theaters Ende der 60er Jahre in den USA und Deutschland führt Nitsch während der 70er Jahre in vielen europäischen und nordamerikanischen Städten Aktionen durch.

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1971 gelingt der Ankauf des niederösterreichischen Schlosses Prinzendorf aus dem Besitz der Kirche, wo Nitsch im Zuge groß angelegter Aktionen auch seine Vorstellungen von der Musik zu seinem Theater verwirklicht. Bei den Aktionen werden Lärmorchester, Schreichöre und elektronisch verstärkte Instrumente eingesetzt. Nitsch deutet das Leben als Passion an, sowie den Malprozess als verdichtetes Leben und damit als Inbegriff der Passion. Der Künstler selbst bleibt durch seine an zentraler Stelle im Bild eingefügten Malhemden, die er während der Arbeit trägt, anwesend und animiert den Betrachter, sich mit dem Malvorgang zu identifizieren und mit ihm ins Bild einzutreten.

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Höhepunkte von Hermann Nitschs Projekten sind das "Drei Tage Spiel" 1984 in Prinzendorf oder der Zyklus von Schüttbildern, die er 1987 in der Wiener Secession herstellen konnte. Das Ideal des "6 Tage Spiels" verwirklicht Nitsch 1998. Seit den 90er Jahren wird seine Kunst auch immer häufiger in Ausstellungen gewürdigt, die häufig von Aktionen des Künstlers begleitet werden. In einer veränderten politisch-gesellschaftlichen Situation kann Nitsch sich als anerkannter Kunstschaffender etablieren.

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Bis zu seinem Tod am 18. April 2022 lebte und arbeitete Hermann Nitsch auf seinem Schloss in Prinzendorf an der Zaya, Niederösterreich sowie in Asolo, Italien. Seine Werke sind in den beiden Nitsch Museen in Mistelbach und Neapel sowie in der Nitsch Foundation in Wien und in den renommiertesten internationalen Museen und Galerien ausgestellt. Im Jahr 2022 übernahm die Pace Gallery mit Hauptsitz in New York die weltweite Vertretung von Hermann Nitsch.

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Bereits zur Mitte der 1950er-Jahre wurde von Hermann Nitsch die Grundidee des Orgien Mysterien Theaters entwickelt. Sämtliche Disziplinen dieses Gesamtkunstwerks mit Totalitätsanspruch, die im Folgenden summarisch skizziert werden sollen, gehen auf die 1950er und 1960er-Jahre zurück und sind von Beginn an in einem Gesamtkonzept verankert.

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Gesamtkunstwerk Orgien Mysterien Theater
1971 erwarb Hermann Nitsch das Schloss Prinzendorf und ernannte es zur Spielstätte seines Orgien Mysterien Theaters. Das O.M.Theater hat die Geschichte des Theaters und der neuen Kunst revolutioniert. Der Asolo Raum, benannt nach dem italienischen Ort, wo Nitsch ein Atelier besitzt, ist die bekannteste Installation von Hermann Nitsch und zeigt die Werkzeuge des O.M.Theaters. Die Grundbegriffe „rein" und „unrein" werden hier zum Schlüssel für das Verständnis der Werke von Hermann Nitsch. Für Hermann Nitsch ist die Kunst sakrales Ritual. Relikte (z.B. Malhemden), medizinisches Werkzeug, Sakralgegenstände mit Spuren aus den frühen Ak-tionen, Kreuzwegstationen, Schüttbilder sind im 1973 entstandenen Asolo Raum zusammengefasst. 1972 bei der documenta 5 erstmals in Einzelteilen gezeigt, wurde der Weltruf von Hermann Nitsch damit begründet.

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Das Geruchs- und Geschmackslaborist als Magazin des Gesamtkunstwerkes Orgien Mysterien Theater anzusehen. Die Farbenlehre und die Gebrauchsgegenstände, Substanzen und Ritualgefäße liefern in ihrer Konstellation einen weiteren Schlüssel zum Werk von Hermann Nitsch. Drama, Musik und Malerei sind dessen Hauptsäulen. Die Videoinstallation der Aktion im Burgtheater, 2005 zeigt die ganze Komplexität und die riesigen Dimensionen des O.M.Theaters. Die acht Stunden dauernde Aufführung des O.M. Theaters im Burgtheater, der führenden Bühne im deutschsprachigen Raum, gilt als Höhepunkt im Schaffen von Hermann Nitsch und wurde von 1300 Menschen erlebt. Die Gesamtzusammenhänge und die Tiefendimensionen des Werkes von Hermann Nitsch leuchten in ihrer ganzen Bedeutung auf.

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Asolo-Raum
Installation mit sakralen Geräten, Archivio F. Conz, Verona
Hermann Nitsch wurde 1973 von Francesco Conz eingeladen, in Asolo einen Raum zu gestalten. Er installierte einen Sakralraum, der einen Überblick über das Projekt des orgien mysterien theaters geben sollte. Alle wichtigen Elemente der Arbeit Hermann Nitschs sollten gezeigt werden: Aktionsmalerei, Relikte und Fotodokumentationen von Aktionen. Hermann Nitsch nannte den Raum „Relikte und Werkzeuge des orgien mysterien theaters". 1980 wurde der Raum aus Gründen der Übersiedlung von Francesco Conz aufgegeben, dennoch wurde er immer wieder zusammen mit großen Ausstellungen eingerichtet und ist deshalb ein Kernstück im Hermann Nitsch Museum im Museumszentrum Mistelbach.

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Die Jahresausstellung 2023 „Das 6-Tage-Spiel" widmet sich in Kooperation mit der Albertina Wien erstmals dem Herzstück des Gesamtkunstwerkes Hermann Nitschs.

Die Ausstellung im nitsch museum zeigt Werkblöcke aus der Erstrealisierung der Aktion im Jahr 1998 und der Teilrealisierung der zweiten Fassung von 2022. Zu sehen sind wesentliche Reliktinstallationen, Schüttbilder aus den Malaktionen, Teile der Aktionspartituren, ausgewählte Aktionsfotos, Filmdokumentationen, Applikationen und Gerätschaften. Ein Raum im nitsch museum ist von Frank Gassner, dem langjährigen Assistenten von Hermann Nitsch, unter dem Titel „Prinzendorf 98/22“ neu gestaltet. In der Kapelle des nitsch museum ist weiterhin die im Herbst 2022 eröffnete Rauminstallation zum 6-Tage-Spiel 2022 zu sehen.

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Farbspektren
Das Orgien Mysterien Theater, das große allumfassende Gesamtkunstwerk, von Hermann Nitsch entwickelt, hat seine zentrale Spielstätte seit 1971 im Schloss Prinzendorf, nur eine Weinviertler Hügelkette von diesem Museum entfernt. Aktion, Tragödie, Ritual, orgiastische Malerei, Musik, Klangströme, rauschende Feste und die intensive Schönheit der agrarischen Landschaft und des Lichtes verwandelt Hermann Nitsch dort in seinen Partituren zu einer gewaltigen Dramaturgie des Seins. 1972 war Nitsch mit den Wiener Aktionisten Hauptdarsteller bei der documenta 5 in Kassel. Die dort ausgestellten „Werkzeuge des OM Theaters" fasste er 1973 im „ASOLO RAUM" zusammen. Als Urgewalt des ständig auferstehenden und befruchtenden Lebens, ist Dionysos der Gott des Weines, des Tanzes, der Tragödie und Archetyp der Lebensbejahung für Hermann Nitsch zu einer der tragenden Symbolfiguren geworden.

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In seiner 56. Malaktion 2009 im Hermann Nitsch Museum kam es zu einer scheinbar unkontrollierten Explosion naturmystischer Farbströme. Das Verschütten von Farbe, dieses Grundritual der Malaktionen wurde dabei schon rein mengen- und flächenmäßig auf die Spitze getrieben und sprengt alle bisherigen Grenzen im Werk des Meisters. Beim „Ausmalen" seines Museums, der neobarocken Verwandlung der monumentalen Langhalle in eine „Kathedrale der Farben" bewältigte Hermann Nitsch mehr als 700 m² Leinwand. Eine atemberaubende Menge Farbflüssigkeiten musste nach genau kalkulierten Farbsystemen gemischt werden, um die Farbpalette Hermann Nitschs in diese neuen Dimensionen zu erweitern. Diese Farbsysteme hat Hermann Nitsch in langen Experimentalketten unter Beachtung der Farbenlehre Goethes entwickelt.

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Extreme Expressivität im spontanen Malvorgang und genaue Planung und Erforschung aller Elemente bis hin zur Philosophie, das ist das Markenzeichen der Arbeit von Hermann Nitsch. Auf der Grundlage dieser Farbenlehre inszenierte Hermann Nitsch das Opernoratorium „Szenen aus Goethes Faust" von Robert Schumann unter der Leitung von Franz Welser-Möst an der Züricher Oper. 2007 erschien im Residenz Verlag das Buch „HERMANN NITSCH die farbenlehre des o.m.theaters".

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RAUMINSTALLATION 6-TAGE-SPIEL 2022
Das nitsch museum zeigt ab Oktober 2022 in der Kapelle des Museumsgeländes eine Preview zur bevorstehenden Jahresausstellung 2023, die dem 6-Tage-Spiel des Orgien Mysterien Theaters im Werk von Hermann Nitsch gewidmet ist. Die Rauminstallation umfasst Schüttbilder, Fotos, Relikte und Gerätschaften aus der Teilrealisierung des 6-Tage-Spiels 2022. Eine Originalaufnahme der Aktionsmusik des ersten Tages begleitet die Präsentation auf akustischer Ebene.

Auf ausdrücklichen Wunsch des im April 2022 verstorbenen Künstlers Hermann Nitsch wurden im Juli 2022 post mortem die ersten beiden Tage der 2. Fassung des 6-Tage-Spiels in Schloss Prinzendorf realisiert. 24 Jahre sind seit der Erstrealisierung von Nitschs Opus Magnum im Jahr 1998 vergangen. „das 6-tage-spiel des o. m. theaters ist ein work in progress. alles was ich je gemacht habe, meine aktionsmalerei, all meine aktionen, meine musik waren vorstufen für das sich nie vollendende werk." (hermann nitsch)

Die kurz vor seinem Tod fertiggestellte Zweitfassung soll 2023 fortgesetzt werden und wird von der Jahresausstellung im nitsch museum begleitet. Die Rauminstallation ist die erste Präsentation nach dem Ableben des Künstlers im nitsch museum. Die Werkauswahl erfolgte durch Rita Nitsch.

 hermann nitsch museum, Mistelbach, September 2023



Wem der viele Text zu lange war und lieber Bewegtbilder mit Musik mag, kann sich gerne dieses Video antun: