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Über fünf Jahre war das historische Parlamentsgebäude
aufgrund seiner Sanierung für die Öffentlichkeit nicht zugänglich. Nun
ist das Hohe Haus an der Wiener Ringstraße auf dem neuesten Stand der
Technik, denkmalpflegerisch herausgeputzt, und vor allem eines: offen
für Besucher:innen.
In Österreich obliegt die Gesetzgebung auf Bundesebene zwei
eigenständigen gesetzgebenden Körperschaften, dem Nationalrat (183
Abgeordnete) und dem Bundesrat (61 Mitglieder), die gemeinsam auch als
Parlament bezeichnet werden. In seltenen Fällen treten Nationalrat und
Bundesrat als Bundesversammlung gemeinsam zusammen.
Nach über 130 Jahren beinahe ununterbrochenen Betriebs war das
Parlamentsgebäude am Ende seiner technischen Lebensdauer angelangt. Um
das Bauwerk zu bewahren und fit für die Zukunft zu machen, wurde 2014
die Sanierung des Gebäudes an der Wiener Ringstraße von den
Parlamentsfraktionen einstimmig beschlossen. Von 2014 bis 2017 wurden
umfassende vorbereitende Maßnahmen getroffen, ein Ausweichquartier in
der Hofburg und am Heldenplatz geschaffen und 2017 schließlich der
komplette parlamentarische Betrieb abgesiedelt. 2018 begannen die
Baumaßnahmen. Nach fünfjähriger Sanierung erstrahlt das Gebäude nun in
neuem Glanz.
Saniert wurden rund 55.000 m² Netto-Geschoßfläche, 740 Fenster und 600
historische Türen sowie 500 historische Luster und Leuchten. Die
Nutzfläche wurde um rund 10.000 m² erweitert. Die wesentlichen
architektonischen Neuerungen sind die neue Glaskuppel über dem
Nationalratssaal mit einem Durchmesser von 28 Metern und einer Fläche
von 550 m². Damit fällt erstmals Tageslicht in den Saal. Direkt unter
der Kuppel befindet sich der neue Besucher:innenumgang "Plenarium". Der
Nationalratssaal wurde zudem abgeflacht und das Plenum teilweise neu
angeordnet, um Barrierefreiheit zu gewährleisten.
Die gesamte Beletage wurde funktional neu gegliedert. Ausschusslokale
wurden neu angeordnet, der ehemalige Budgetsaal wurde zum
Bundesratssaal umgebaut. Im Dachgeschoß wurden bisher ungenutzte
Flächen ausgebaut. So entstanden das 800 m² große Restaurant Kelsen,
vier insgesamt 400 m² große Terrassen und zwei verglaste
Multifunktionsräume. Das gesamte Dach wurde neu eingedeckt, vier neue
Haupttreppenhäuser sorgen erstmals für eine zentrale Anbindung aller
Ober- und Untergeschoße.
Auch im Erdgeschoß wurden bisher für die Öffentlichkeit nicht
zugängliche Flächen erschlossen. Unter dem Nationalratssaal und unter
dem Bundesversammlungssaal entstanden zwei
(Untersuchungs-)ausschusslokale. Highlight für Besucher:innen ist das
neue Besucher:innenzentrum "Demokratikum - Erlebnis Parlament", das auf
1.500 m² direkt unter der Säulenhalle und in angrenzenden Sälen
geschaffen wurde.
Wesentliche Grundsätze der Sanierung wurden im gesamten Gebäude
verwirklicht. Das Haus wurde mit moderner Technik ausgestattet und an
aktuelle Sicherheitsstandards angepasst. Dennoch stand im Fokus,
historisch Wertvolles zu bewahren. Ein Team hochspezialisierter
Restaurator:innen kümmerte sich deshalb vor Ort und in verschiedenen
Fachwerkstätten um Denkmalschutz und Denkmalpflege. Zentrales Ziel war
zudem die Steigerung der Nachhaltigkeit des Parlamentsgebäudes. Die
Dämmung der Gebäudehülle zur Steigerung der Heizeffizienz, die
Installation einer bewegungs- und tageslichtabhängigen Lichtsteuerung
sowie der Einbau von energieeffizienter Technik sind einige der
umgesetzten Maßnahmen. Außerdem ist das Gebäude nun weitgehend
barrierefrei.
Sämtliche wesentliche Bereiche sind neben Treppenanlagen über
barrierefreie Aufzugsanlagen, Hebeplattformen oder Treppenlifte
zugänglich und mit taktilen Leitsystemen markiert. Bei der Vermittlung
von Informationen wurde das Zwei-Sinne-Prinzip umgesetzt.
Das gesamte Sanierungsprojekt wurde vom 2014 konstituierten
Bauherrenausschuss begleitet, dem neben den Mitgliedern der
Präsidialkonferenz auch die Rechnungshofpräsidentin angehört. Für
Nutzer:innenfragen wurde das projektbegleitende Gremium Nutzerbeirat
gegründet, an dessen Sitzungen neben Parlamentarier:innen und
Mitgliedern der Parlamentsdirektion auch der Monitor von Transparency
International teilgenommen hat.
Die in Wien ansässige Bietergemeinschaft Jabornegg & Pálffy_AXIS
wurde nach einem europaweiten Vergabeverfahren 2014 als Generalplaner
beauftragt. Mit dem Baumanagement war die Bundesimmobiliengesellschaft
betraut. Die Projektsteuerung oblag Vasko+Partner Ingenieure. Als
Örtliche Bauaufsicht fungierte die Bietergemeinschaft Werner Consult -
Wendl ZT GesmbH. Mit der begleitenden Kontrolle wurde die iC
consulenten Ziviltechniker GmbH betraut.
Über 100 Baufirmen aus ganz Österreich wirkten an der Sanierung des
Parlamentsgebäudes mit. Vom Dach aus dem Burgenland über Möbel aus der
Steiermark bis zum Wappenadler, der durch die Arbeit einer
oberösterreichischen Metallwerkstatt wieder in altem Glanz erstrahlt,
waren großteils heimische kleine und mittelständische Betriebe am Werk.
In Spitzenzeiten waren bis zu 550 Arbeiter:innen gleichzeitig auf der
Baustelle tätig.
Der Gesamtkostenrahmen wurde im Jahr 2014 einstimmig per Gesetz
festgelegt. Die Kosten für die Sanierung wurden mit 352,2 Mio. €, jene
für die Interimslokation und die Übersiedlung mit 51,4 Mio. € - jeweils
mit einer Reserve von 20 % - festgelegt. Im November 2020 wurde eine
nachträgliche Kostenüberschreitung um 20 % beschlossen und damit die
Reserve aktiviert. Die Schlussabrechnung für das Gesamtprojekt erfolgt
voraussichtlich mit Ende des Jahres 2023. Ein Restrisiko von rund 2-3 %
besteht weiterhin.
Bevor der parlamentarische Betrieb in einem so großen, umfassend
sanierten Gebäude starten kann, war ein komplexer Prozess der
Inbetriebnahme nötig. In 47 Einzelprojekten - von der Möblierung, der
Ausstattung mit Medientechnik, der IT im gesamten Haus bis zur
Organisation von Sicherheits- und Logistikabläufen - wurde das Haus
koordiniert "hochgefahren". In zahlreichen Probesitzungen wurde der
Sitzungsbetrieb von Nationalrat und Bundesrat simuliert. Eine enorme
logistische Herausforderung war auch die Rückübersiedlung von insgesamt
800 Arbeitsplätzen, bis zu 6.400 Umzugskartons und rund 3.000 Klein-
und Sonderinventargegenständen.
Nach der Rückübersiedlung ins sanierte Parlamentsgebäude werden die in
der Hofburg genutzten Bereiche wieder an die Burghauptmannschaft
übergeben. Die Pavillons (im Bibliothekshof und am Heldenplatz) wurden
ab 20. Februar 2023 abgebaut. Der Abbau wird einige Monate in Anspruch
nehmen. Konkrete Projekte für eine Wiederverwendung werden derzeit
geprüft.
Der Festakt zur Eröffnung des sanierten Parlamentsgebäudes am
Donnerstag, den 12. Jänner 2023, startete um 15.00 Uhr im
Bundesversammlungssaal mit Reden von Nationalratspräsident Wolfgang
Sobotka, Bundesratspräsident Günter Kovacs, Zweiter
Nationalratspräsidentin Doris Bures und Drittem Nationalratspräsidenten
Norbert Hofer. Die Festrede kam vom ehemaligen Präsidenten des
Deutschen Bundestages Wolfgang Schäuble.
Abschließend fand ein moderiertes Gespräch mit den Klubobleuten bzw.
Klubvorsitzenden der Parlamentsfraktionen August Wöginger (ÖVP), Pamela
Rendi-Wagner (SPÖ), Herbert Kickl (FPÖ), Sigrid Maurer (Grüne) und
Beate Meinl-Reisinger (NEOS) statt.
Bürger:innen konnten das wiedereröffnete Hohe Haus an zwei Tagen der
offenen Tür am 14. und 15. Jänner 2023 erkunden. Die Services und
Demokratiebildungsangebote des Parlaments starteten im neu sanierten
Parlamentsgebäude mit 16. Jänner in ihren regulären Betrieb. Das betraf
neben dem neu geschaffenen Besucher:innenzentrum "Demokratikum -
Erlebnis Parlament" die Parlamentsführungen, die Demokratiewerkstatt,
den Parlamentsshop und die Parlamentsbibliothek.
Die erste Ausschusssitzung des Nationalrats im neu sanierten
Parlamentsgebäude war mit dem Wissenschaftsausschuss am 17. Jänner
anberaumt. Die erste Nationalratssitzung fand am 31. Jänner statt. Der
Bundesrat ist am 16. Februar zu seiner ersten planmäßigen Sitzung im
neuen Bundesratssaal zusammengekommen. Am 26. Jänner wurde Alexander
Van der Bellen für seine zweite Amtszeit als Bundespräsident im
historischen Bundesversammlungssaal angelobt.