Pöchlarn

die Nibelungenstadt, Juni 2023

Pöchlarn ist eine Stadtgemeinde im Bezirk Melk in Niederösterreich (Österreich), liegt im Mostviertel, am rechten (südlichen) Ufer der Donau direkt an der Mündung der Erlauf, im Nibelungengau, und wird auch als Nibelungenstadt bezeichnet. Besuchenswert sind die katholische Pfarrkirche Pöchlarn Maria Himmelfahrt, das Geburtshaus von Oskar Kokoschka (Kokoschka-Haus) und das Nibelungendenkmal mit den Wappen der Nibelungenstädte.

 Pöchlarn, Juni 2023

Die Pfarrkirche Pöchlarn steht frei eng umstellt vom ehemaligen Karner und dem Haus Wiener Straße und mit dem Westturm am Haus Kirchenplatz Nr. 1 anschließend am Standort des ehemaligen römischen Prätoriums am Kirchplatz und auf engem Raum an der Pfarrgasse in der Stadtgemeinde Pöchlarn im Bezirk Melk in Niederösterreich. Die auf das Fest Mariä Himmelfahrt geweihte römisch-katholische Pfarrkirche gehört zum Dekanat Ybbs in der Diözese St. Pölten.

Das Kirchenäußere zeigt ein hoches breites ungegliedertes Langhaus mit Rundbogenfenster unter einem Schopfwalmdach, ein Steinquader zeigt die Ritzung 1496. Die Portalvorhalle mit einem Kreuzgratgewölbe schützt das schlichte spätgotische Schulterportal. Der mächtige hohe vorgestellte viergeschoßige Westturm hat eine ausgewogene barocke Gliederung mit Eckpilaster, Putzfeldschichtung, Rundbogennischen und Rundbogenfenster, ein zweigeschoßiges Schallhaus mit Uhrengiebeln, er trägt eine stark eingeschnürten Zwiebelhelm mit hoher Zwiebellaterne.

 Pöchlarn, Juni 2023

Das Kircheninnere zeigt eine weite dreischiffige Halle über einer annähernd quadratischen Grundfläche, das Mittelschiff ist breiter, über hohen schlanken abgefasten Pfeilern und Halbpfeilern an der Wand mit Pilastern und Gebälk mit Platzlgewölben auf Gurt- und Scheidbögen. Im Westjoch befindet sich eine dreischiffige kreuzgratunterwölbte Empore, der Zugang erfolgt über zwei in der Westwand eingebaute spätgotische Wendeltreppen, deren Portale sind gefast bzw. haben eine spätgotische Stabrahmung. Der Triumphbogen ist leicht eingezogen spätgotische gekehlt und profiliert, im Osten mit 1486. An das quadratische Chorjoch mit einem Kreuzrippengewölbe schließt ein Fünfachtelschluss an, die polygonalen und halbrunden Dienste reichen bis zum Boden, um 1486. Barocke Portale führen in die Choranbauten, im Süden unter einer barocken Stichkappentonne, im Norden mit einer Tonne mit unregelmäßig gesetzten Stichkappen um 1500, die Oratorienfenster zeigen geohrte Rahmungen.

Die beiden Statuen an den Säulen im Kirchenschiff stellen den hl. Mönch Franz von Assisi und die hl. Nonne Theresia von Avila dar (von Jakob Schletterer, 1772).

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Die Orgel aus 1905 mit 20 Registern stammt von Johann Lachmayr.

 Pöchlarn, Juni 2023

 Pöchlarn, Juni 2023

Die ornamentalen Glasmalereien zeigen im Polygon Mariä Verkündigung und Begegnung an der Goldenen Pforte um 1900, im Langhaus Herz Jesu aus 1908, vielfigurige Kreuzigung aus 1911, hl. Monika um 1911, hl. Antonius um 1911, Christus in der Werkstatt Josefs aus 1911, Herz Mariä aus 1908, alle von Ostermann und Hartwein.

 Pöchlarn, Juni 2023  Pöchlarn, Juni 2023

Die spätbarocke Kanzel an der nördlichen Seite des Triumphbogens schuf ein unbekannter Künstler im Jahr 1740; sie wurde 1774 von anderorts in die Kirche übertragen und 1778 mit zusätzlichem spätbarocken Dekor verziert. Ebenfalls 1778 erhielt sie von Tischlermeister Michael Gschwind einen neuen Schalldeckel mit dem Bildnis des Guten Hirten.

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Der Kreuzweg nach Fugel wurde um 1920 vom Maler Hugo Jäckl aus Zell bei Waidhofen an der Ybbs verfertigt.

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Der neugotische Hochaltar wurde von dem Bildhauer Leopold Hofer aus St. Pölten angefertigt und 1903 aufgestellt. Er zeigt im Mittelfeld über dem Tabernakel die Statuengruppe „Maria, Heil der Kranken", darüber die Heiligste Dreifaltigkeit, seitwärts die Figuren der hll. Johannes Evangelist und Josef, darüber die hll. Barbara und Katharina; an der Predella ein Relief, das die Geburt Christi und die Grablegung darstellt.
Johannes, Apostel und Evangelist (mit Kelch). Gestorben um das Jahr 100 n. Chr. Sohn des Fischers Zebedäus und der Salome, jüngerer Bruder des hl. Jakobus d. Ä. („Donnersöhne"). Kam über Johannes den Täufer zu Jesus. Ruhte im Abendmahl an der Brust Jesu; stand unter dem Kreuz neben Maria. Wirkte zuerst mit Petrus in Jerusalem und Samaria, ging dann nach Ephesus. Unter Kaiser Domitian (81-96) auf die Insel Patmos verbannt, wo er die „Geheime Offenbarung" (Apokalypse) schrieb. Kehrte unter Kaiser Nerva (96-98) nach Ephesus zurück. Er und sein Kreis hinterließen das vierte Evangelium und drei Johannesbriefe. Sein Gedenktag ist der 27. Dezember.
Barbara, die Fremde (Nichtgriechin). Gestorben angeblich 306. Nach der Legende ist sie die Tochter eines Heiden in Nikomedien (Ismid) gewesen, der sie als Christin angezeigt habe. Martyrium angeblich 306. Ihre Verehrung ist früh nachweisbar. Gedenktag 4. Dezember.

Das ehem. Hochaltarbild „Maria Himmelfahrt" des großen Malers Martin Johann Schmidt (Kremser Schmidt) aus dem Jahr 1796 ist heute an der Nordwand des Chores angebracht.

Mittelfeld des neugotischen Hochaltares von Leopold Hofer aus St. Pölten, 1903. Statuengruppe „Maria, Heil der Kranken", begleitet von den Figuren der hll. Johannes Evangelist und Josef, darüber die hll. Barbara und Katharina.

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Die beiden Seitenaltäre mit spätbarocken Aufbauten, die frühklassizistische Anklänge aufweisen, tragen ebenfalls Ölbilder des berühmten Martin Johann Schmidt (Kremser Schmidt).
Auf dem rechten Seitenaltarbild ist der hl. Nepomuk zu sehen. Ein 1753 entstandenes, frühes Gemälde des Kremser Schmidt, in dem er „zum ersten Mal ein Himmelfahrtsthema gestaltet. Das Emporschweben wird durch fliegende, stützende und begleitende Engel glaubhaft gemacht. Licht und Farbe aber sind die eigentlichen Träger dieser Vision" (Feuchtmüller, Der Kremser Schmidt).

Pöchlarn, Juni 2023

Die beiden Seitenaltäre wurden 1772 aufgestellt und 1912 und 1920 vergrößert.
Auf dem linken Seitenaltar ist der hl. Sebastian (1773) dargestellt, dem Frauen die Pfeile entfernen und ihn umsorgen. Die Bildkomposition zieht sich links vorne in den Raum des Bildes hinein. Die Dramatik des Geschehens wird weniger durch innere Stimmungen als durch Gesten erzielt.

In der Mitte steht die Statue des hl. Josef, der das Jesuskind und eine Lilie hält. Nachdem der hl. Bernhard von Clairvaux (t 1153) in seinen Schriften die Stellung des hl. Josef zu Maria und Jesus ausführlich dargelegt hatte, setzte die Verehrung des Heiligen im 14. Jh. ein und wurde besonders von den Bettelorden gefördert. Er wurde Patron der Kranken und Sterbenden und ist seit 1870 auch der Schutzpatron der ganzen Kirche. Sein Hochfest wird am 19. März gefeiert.

Zu beiden Seiten stehen die Eltern der Gottesmutter, Joachim und Anna. Diese Namen der Eltern Mariä und der Großeltern Jesu stammen aus einer legendären, frühchristlichen Schrift, dem apokryphen Jakobusevangelium. Die Verehrung der hl. Anna reicht im Osten bis ins 6. Jh. Im Westen breitete sie sich seit dem 10. Jh. aus. In neuerer Zeit wurde auch der hl. Joachim verehrt. Der Gedenktag dieser beiden Heiligen wird am 26. Juli begangen.

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 Chor. Der spätgotische, überaus breite Chorraum mit seinem feinen Netzrippengewölbe, dem 5/8-Schluß und den vier zweiteiligen Fenstern schließt gegen das westlich angebaute dreijochige Langhaus hin mit einem gotischen, tiefkehlig profilierten Triumphbogen ab.

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Vor der Apsis steht eine vom Schiffmeister Wallnpöck gestiftete Steinplastik des hl. Johannes Nepomuk (1725) mit verziertem Rokoko-Sockel.

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Beachtlich ist die spätbarocke Gliederung und Dekoration des viergeschoßigen, 52 m hohen Turmes (1775-1781), mit kräftigen, bisweilen schon plattenförmigen, übereinandergelegten Putzfaschen, mit Dreiecksgiebelchen und im Zopfmustergeformten Blindbalustraden. Der Stil ist genau in den Übergang von Rokoko zum beginnenden Klassizismus, „Plattenstil", zu datieren.

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Manche nennen sie „Nibelungenstadt". Andere die „charmanteste Stadt zwischen Wien und Linz". Auch Begriffe wie „klein aber fein" und „Perle an der Donau" kennt man. Pöchlarn hat viele Beinamen und Bezeichnungen. Und irgendwie wird die Stadtgemeinde auch allen gerecht - ein attraktiver Ort an der mächtigen Donau mit interessanter Vergangenheit und spannender Zukunft. Von Arelape zur Römerzeit über Bechelaren im Mittelalter bis zum Pöchlarn der Neuzeit - mit dem Wechsel der Namen spannt sich ein Bogen über 2000 Jahre Kulturgeschichte. Die 750-Jahr-Feier der Stadt (2017) markierte den Weg in die Zukunft.

Im 15. und 16. Jahrhundert erlebte Pöchlarn eine Blütezeit durch regen Handel, vor allem mit Eisen und Eisenwaren aus dem Erzberg. Weil dieses auf der Donau verschifft wurde, entwickelte sich Pöchlarn zu einem wichtigen Umschlagplatz. Auch heute ist die Donau ein Garant für die Weiterentwicklung der Stadt: zur Ansiedlung von Unternehmen und Menschen, als Touristenmagnet und für Freizeitzwecke der Bewohner. Der Zugang zum Wasser krönt die optimale Erreichbarkeit der Stadt durch Anschluss an die Westautobahn (A1), an die Bundesstraße B1, an die Westbahn sowie den Zugang zum Waldviertel über die Donaubrücke.

Pöchlarn ist mit rund 4000 Einwohnern und ca. 2500 Arbeitsplätzen gut aufgestellt. Die Wirtschaft strotzt vor Vitalität und Vielseitigkeit. Aus touristischer Sicht ist die Stadt das Tor zum berühmten Weltnatur- und Weltkulturerbe Wachau; außerdem ist sie Etappenziel vieler Gäste, die auf dem Donau-Radweg unterwegs sind. In dem Ort stehen mehrere Schulen und das Geburtshaus deş berühmten Malers Oskar Kokoschka (1886-1980), dazu gibt es ein breites Kultur- und Vereinsleben sowie engagierte Menschen, die positiv nach vorn blicken. Wohnen in Pöchlarn ist begehrt, weil es eine (Klein-)Stadt mit einer Prise Landromantik ist. „Pöchlarn zum (Er-)Leben" - so lautet zu Recht das Motto der Stadt, die auf eine interessante Geschichte zurück- und auf eine verheißungsvolle Zukunft blickt.

 Pöchlarn, Juni 2023

Sowohl im Norden, bei Klein Pöchlarn, als auch im Süden des Pöchlarner Beckens bei Harlanden siedelten in der Jungsteinzeit, etwa um 4000 vor Christus, Menschen, welche bereits mit Produkten aus den Serpentinsteinbrüchen von Klein Pöchlarn Tauschhandel betrieben. Das heutige Stadtgebiet dagegen war von Donau und Erlauf umflossen und bildete eine Insel mit einem sehr wichtigen Donauübergang. Die Siedlungen am Südrand unseres Raumes blieben auch nach der Einwanderung der Illyrer, um ca. 1800 vor Christus, weiter bestehen. Illyrischer Herkunft ist auch der Name der Erlauf, Arilapa" (Adlerfluss), der später abgewandelt als „Arelape" das römische Kastell und die römische Zivilstadt bezeichnet.

Durch die Eroberung des Königreiches Noricum um 15 v. Chr. drangen die Römer bis zur Donau vor und sicherten die Donaugrenze, den „Limes", mit dem Bau von Straßen und Kastellen gegen die im Norden wohnenden Germanen. Als eines dieser neuen Kastelle entsteht zur Zeit des Kaisers Tiberius auf der Donauinsel ein kleines Infanterielager, dessen Umrisse wahrscheinlich den Bereich Thörringplatz, Kirchenplatz, Weigelspergergasse umfasste. Die Markomannen brachen im Jahre 166 nach Christus über die Donau nach Süden vor und zerstörten die Grenzbefestigungen. Kaiser Mark Aurel gelang bis 180 nach Christus die Rückeroberung und konnte die Markomannen wieder über die Donau zurücktreiben. Die Donau- bzw. Limesbefestigungen wurden neu und stärker wiedererrichtet. Die 2. Legion „Italica" wurde an die Donau verlegt und bezog Quartiere von Schlögen, ÖO., bis Tulln mit dem Hauptstützpunkt Lorch (Enns-Albing). Das Kastell Arelape wurde nach Westen erweitert, anstatt der Infanterie garnisonierte nun hier eine Kavallerieeinheit.

Mit dem Verfall des Römischen Reiches und dem Verlust von Gebieten in Pannonien wird „Arelape" 395 auch Sitz des Kommandanten der Donauflottille. Im 5. Jahrhundert wird das Gebiet immer mehr zum Durchzugsland der verschiedenartigsten germanischen Völker, die von den Hunnen nach Westen getrieben werden. Um die Mitte des 6. Jahrhunderts bricht ein neues mongolisches Reitervolk, die Awaren, in unseren Raum vor. Von Süden und Osten sickern die Slawen in Niederösterreich ein. Um 670 beginnt der Gegenstoß der Bayern von Westen her, sie erreichen die Erlauf und Melk um ca. 700. Um diese Zeit entsteht wahrscheinlich das Dorf Ornding als bayerische Siedlung. Als Karl der Große um 800 die awarische Herrschaft vernichten kann, wird die erste - karolingische - Ostmark errichtet. Am 6. Oktober 832 schenkte der Enkel Karl des Großen, König Ludwig der Deutsche, dem Bistum Regensburg (St. Emmeram) das Gebiet um die,Herilungoburg" die spätere Hofmark Pöchlarn mit den Orten Pöchlarn, Brunn, Harlanden, Steinwand, Röhrapoint, Knocking, Ornding und Wörth.

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Das 16. Jahrhundert bringt die Blütezeit der Stadt durch regen Handel, vor allem mit Eisen aus dem Erzberg, das über die „Dreimärktestraße" Gresten, Scheibbs und Purgstall nach Pöchlarn gelangt und mautfrei auf dem Land- und Wasserweg weiterbefördert wurde. Auch der Weinhandel spielt bis ins 19. Jahrhundert für Pöchlarn eine wichtige Rolle. Der Raum Melk-Ybbs war vom 14. bis ins 19. Jahrhundert ein ergiebiges Weinbaugebiet. Die Türkeneinfälle von 1529 und 1532 brachten der Stadt selbst kaum Schäden, wohl aber den umliegenden Orten der Hofmark. Die Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges auf Pöchlarn waren durch Truppendurchmärsche, ungeheure Steuerlasten, starken Rückgang des Handels und einer enormen Geldentwertung gekennzeichnet. 1632 flüchtet der Regensburger Bischof Albert IV., Graf Thörring zu Stein und Pertenstein, vor den Schweden in die Hofmark Pöchlarn. Für seine freundliche Aufnahme lässt er als Dank 1640 den Wolfgangs- und den Marienbrunnen errichten und die Stadtmauer instand setzen.

Im Spanischen Erbfolgekrieg stellte sich der Regensburger Bischof auf die Seite der Gegner Österreichs, dadurch wurde die Hofmark 1703 bis 1708 Kriegsbeute des Kaisers. Misswirtschaft der Beschlagnehmer nahm den Bürgern den Wohlstand fast vollkommen. Hochwässer, Eisstöße und Brände machten der Stadt arg zu schaffen, so auch der Großbrand 1766, bei welchem die Stadt, die untere Vorstadt, die Pfarrkirche, der Karner, das Schloss und die Peterskirche eingeäschert wurden. Die Bevölkerung hatte Jahre mit dem Wiederaufbau zu kämpfen. 1805 und 1809 wurde Pöchlarn von den Franzosen besetzt, hohe Kriegssteuern und Plünderungen schädigten die Stadt und ihre Umgebung schwer. 1803 bzw. 1810 endete die fast tausendjährige Herrschaft des Bistums Regensburg durch den Reichsdeputationshauptschluss. Die Herrschaft Pöchlarn wurde 1811 vom k.u.k Cameralfonds eingezogen und nach unwirtschaftlicher Verwaltung 1823 an den Baron Bors von Borsod abgegeben, welcher 1900 die Herrschaft an Baron Tinti weiterverkaufte. Durch die Märzrevolution 1848 wurde der Untertanenverband aufgehoben und die Stadt wurde eine autonome Gemeinde.

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Mit der Eröffnung der Westbahn 1858 beginnt ein langsamer Wiederaufstieg. 1877 wurde die Bahnstrecke Pöchlarn-Kienberg-Gaming in Betrieb genommen, so wurde Pöchlarn Umschlagplatz für landwirtschaftliche und industrielle Produkte des Erlauftales. Am 1. März 1886 erblickt der große Maler Oskar Kokoschka in Pöchlarn das Licht der Welt. Der 1. Weltkrieg brachte mit dem Zerfall der Donaumonarchie und dem Verlust des östlichen Wirtschaftsraumes die erste Republik in eine schlechte Ausgangslage, die eine Krisensituation heraufbeschwor, welche auch den Aufstieg der Stadt in Grenzen hielt.

Der Anschluss ans „Deutsche Reich" brachte für die Stadt Pöchlarn kaum Aufschwung, sondern viel Kummer und Leid durch den 2. Weltkrieg. Am 8. Mai 1945 besetzten russische Truppen Pöchlarn und trafen in Erlauf auf amerikanische Truppen. Nach 10-jähriger Besatzung war 1955 Österreich wieder frei und der begonnene Wiederaufbau konnte rascher voranschreiten. Der wirtschaftliche Aufstieg der Stadt Pöchlarn ging stetig voran, Gewerbe- und Industriebetriebe siedelten sich im Raum Pöchlarn an und bauten ihre Kapazitäten rasch aus. Durch den Bau des Donaukraftwerkes Melk in den Jahren 1979 bis 1981 änderte sich Pöchlarn enorm und die gefürchteten Überschwemmungskatastrophen werden in Hinkunft von Pöchlarn ferngehalten werden. Auch die verbesserten Verkehrsbedingungen durch Bahnunterführungen, Autobahnanschluss und die im Herbst 2001 freigegebene Donaubrücke werden wesentlich zur steten Weiterentwicklung Pöchlarns beitragen.

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Der Welserturm, ein Wahrzeichen der Stadt Pöchlarn, war Teil der mittelalterlichen Stadtbefestigung und wurde im Jahre 1484 vom Regensburger Bischof Heinrich IV. von Absberg als Wehrturm gebaut. Seit 1999 hat der Turm ein modernes Dach. Das Stadtmuseum im Welserturm beherbergt die Funde aus dem „Römischen Pöchlarn".

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Der hl. Nepomuk am Donauufer (Nähe Motorfährschiff)
Johannes Nepomuk. Er wurde um 1350 in Pomuk geboren, war seit 1370 Kleriker der Diözese Prag und später Generalvikar. Als solcher wurde er in Jurisdiktionsstreitigkeiten mit König Wenzel verwickelt, festgenommen, gefoltert und 1393 von der Karlsbrücke in die Moldau gestürzt. Er gilt deshalb als Helfer in Wassernot und bei schuldloser Verdächtigung. Sein 1693 auf der Prager Karlsbrücke errichtetes Standbild fand viele Nachbildungen. Sein Gedenktag ist der 16. Mai.

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Warum Pöchlarn im Nibelungenlied erwähnt wird
Rund 2400 Strophen hat das Nibelungenlied ein Heldenepos aus dem 12./13. Jahrhundert, das Ereignisse und Personen aus dem 5. bis 10. Jahrhundert reflektiert. In einer Strophe wird Pöchlarn erwähnt - ein unbezahlbares Geschenk für den Bekanntheitsgrad der Stadt. Doch wie kam es dazu? Die burgundische Königstochter Kriemhild, die am Hof zu Worm lebte, machte sich der Sage nach auf den Weg ins Hunnenland (heute Ungarn), um den dortigen König Etzel zu heiraten. In Pöchlarn, das damals Bechelaren hieß, wurden sie und ihr Gefolge vom Markgrafen Rüdiger von Bechelaren freundlich empfangen sowie einige Tage großzügig beherbergt und bewirtet. Als Dank für die Gastfreundschaft wurde die Strophe über die Stadt gedichtet.

Das Nibelungendenkmal in Pöchlarn verdeutlicht mit 16 Mosaikwappen die Handlungsorte aus dem Heldenepos. Entlang des Donaudammes stehen außerdem vier Figuren aus der Nibelungensage, die ihre Geschichte erzählen und in die Stadt einladen. Im Nibelungenlied wird die Gastfreundschaft Pöchlarns beschrieben. Diesem Lob bzw. Anspruch fühlt sich die Stadt heute noch verpflichtet.

Nibelungendenkmal mit den Wappen der Nibelungenstädte
Eine Nibelungenstadt ist eine Stadt oder allgemeiner ein Ort, der einen Bezug zu den Nibelungen oder zum Nibelungenlied hat (z. B. ausdrückliche Nennung im Text) oder einen Anspruch darauf erhebt.

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Die Römer erbauten in Pöchlarn eine Befestigungsanlage. Sie war Teil des hunderte Kilometer langen Grenzwalls (Limes), errichtet zum Schutz vor den aus Norden eindringenden germanischen Völkern. Hier im Welserturm zeigt eine permanente Ausstellung interessante Funde aus der Römerzeit. In mehreren Ausbauphasen errichteten hier römische Soldaten Legionslager, Kastelle und Wachtürme. Pöchlarn war ein wichtiger Teil des Donau-Limes Mit der Liburne, einem wendigen Kriegsschiff, kontrollierten die Römer die Schifffahrt auf der Donau.

Vom 1. bis ins 5. Jahrhundert n. Chr. war das Kastell ARELAPE, das in dieser Zeit mehrmals aus- und umgebaut wurde, vermutlich durchgehend mit römischen Soldaten belegt und ab dem 4. Jh. ein Stützpunkt der römischen Donauflotte. Das Kastell und die angrenzende Siedlung trugen den Namen „Arelape". Dieser verschwand im Laufe der Zeit und wurde als „Erlauf" nur für den Fluss gebraucht.

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Der Nibelungengau (dazu gehören die Gemeinden Krummnußbaum und Pöchlarn) gehört wohl zu den geschichtsträchtigsten Talschaften der Donau in Österreich. Die Nibelungen hatten ihren Weg zum Hunnenkönig Etzel auf der alten Heeresstraße genommen und dabei die aus der Römerzeit überlieferten Orte besucht. Durch die Erwähnung im berühmten Heldenlied bürgerte sich für den Abschnitt zwischen Ybbs und Pöchlarn die Bezeichnung Nibelungengau ein.

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Am 1. März 1886 kam Oskar Kokoschka in dem Haus mit der Adresse Regensburger Straße 29 in Pöchlarn zur Welt. Das Kokoschka-Haus in Pöchlarn, Niederösterreich, ist das Geburtshaus des Künstlers Oskar Kokoschka und beherbergt das Oskar-Kokoschka-Dokumentationszentrum.

Die Ausstellung „Oskar Kokoschka. Stürmische Jahre in Berlin“ widmet sich Oskar Kokoschkas (1886-1980) Arbeiten für die Berliner Zeitschrift Der Sturm, einem wichtigen Künstlernetzwerk der europäischen Avantgarde. Kokoschkas Porträtzeichnungen, die erstmals hier veröffentlichten Blätter seines Dramas „Mörder, Hoffnung der Frauen“ sowie die Darstellungen aus der Welt des Zirkus und Varietes hatten wesentlichen Anteil am künstlerischen Durchbruch Kokoschkas und zeigen parallel dazu die vielfältige Kunst- und Kulturszene Berlins der 1910er-Jahre.

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Oskar Kokoschka - ein großer Pöchlarner
Kokoschka wurde am 1. März 1886 in Pöchlarn geboren. Sein Geburtshaus in der Regensburger Straße wurde zu einer Gedenkstätte mit moderner Galerie ausgebaut. Sehr früh erwarb Kokoschka sich weltweite Aufmerksam keit als Maler und Dichter. Schwerpunkt seines Schaffens sind Landschafts- und Städtebilder, Porträts und mytho-logische Darstellungen. Die Beziehung mit Alma Mahler und der große Bekannten- und Freundeskreis fanden ihren Niederschlag in Por-träts, die zweifellos zu den intensivsten Menschenbildern der Moderne zählen. Ab 2021 kommt Kokoschka groß raus, denn auf zwölf Hausfassaden im Zentrum werden Bilder des Malers im XXL-Format gezeigt. „Der große Kokoschka 2.0" ist eine Neuauflage der Erfolgspremiere von 2019 mit neuen Motiven.

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Oskar Kokoschka
1886 Oskar Kokoschka wird am 1. März in Pöchlarn / Niederösterreich geboren. 1887 lässt sich die Familie in Wien nieder.
1904-1909 Studium an der Wiener Kunstgewerbeschule Arbeiten für die Wiener Werkstätte
1908 Beteiligung an der „Kunstschau" in Wien; Uraufführung seines Dramas „Mörder, Hoffnung der Frauen"
1909 Teilnahme an der „Internationalen Kunstschau" in Wien Bekanntschaft mit Adolf Loos und der Wiener Avantgarde.
1910 Aufenthalte in Berlin und Mitarbeit an Herwarth Waldens Avantgardezeitschrift „Der Sturm"
1911 Rückkehr nach Wien und Teilnahme an der Hagenbund-Ausstellung; gibt Kunstunterricht an der privaten Schwarzwald-Schule
1912 Assistent an der Kunstgewerbeschule für „Allgemeines Aktzeichnen" Erste Begegnung und Beginn der Liebesbeziehung mit Alma Mahler
1913 Ausstellungsbeteiligungen in Budapest, Zürich, München, Stuttgart
1914/1915 Trennung von Alma Mahler
1915/1916 Freiwillige Meldung zum Kriegsdienst, schwere Verwundungen bei Einsätzen in Galizien (Ukraine) und am Isonzo (Italien)
1916-1919 September bis November 1916 in Berlin bei Herwarth Walden, Aufenthalte in Stockholm und Dresden
1919-1924 Professor an der Dresdner Akademie
1924-1933 Ausgedehnte Reisen durch Europa, Nordafrika und Vorderasien, Längere Aufenthalte in Paris und Wien
1934 Tod der Mutter, Übersiedlung nach Prag, antifaschistisches Engagement, Lernt seine spätere Frau Olda Palkovská kennen.
1937 Erste große Einzelausstellung in Wien im Österreichischen Museum für Kunst und Industrie (heute: MAK),
Diffamierung als „entarteter" Künstler durch die Nationalsozialisten
1938 Erhalt der tschechischen Staatsbürgerschaft
1938-1953 Emigration mit Olda Palkovská nach England, Heirat 1941 Das Ehepaar lebt in London, Aufenthalte in Schottland und Cornwall. Kokoschka wird britischer Staatsbürger (1947)
1953 Gründung der Internationalen Sommerakademie und seiner „Schule des Sehens" in Salzburg (bis 1962),
Übersiedlung nach Villeneuve am Genfer See
1971 Veröffentlichung seiner Autobiografie „Mein Leben"
1973 Gründung der Oskar Kokoschka Dokumentation Pöchlarn
1975 Kokoschka nimmt wieder die österreichische Staatsbürgerschaft an.
1980 Oskar Kokoschka stirbt am 22. Februar in Montreux/Schweiz.

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Oskar Kokoschka. Stürmische Jahre in Berlin
Die Ausstellung widmet sich Oskar Kokoschkas (1886-1980) Arbeiten für die Berliner Zeitschrift Der Sturm, einem wichtigen Künstlernetzwerk der europäischen Moderne. Der in Pöchlarn geborene Maler, Grafiker und Dramatiker war ab 1910, dem Gründungsjahr, für das von Herwarth Walden herausgegebene Avantgardeblatt tätig. Kokoschka porträtierte wichtige Persönlichkeiten aus den Bereichen Architektur, Schauspiel, Musik oder Literatur. Die Bildnisse hatten gemeinsam mit den erstmals in der Zeitschrift veröffentlichten Illustrationen seines expressionistischen Dramas "Mörder, Hoffnung der Frauen" sowie den Darstellungen aus der Welt des Zirkus und Varietès wesentlichen Anteil am künstlerischen Durchbruch Kokoschkas und zeigen parallel dazu die vielfältige Kunst- und Kulturszene Berlins der 1910er-Jahre. Unter dem Titel" Zwanzig Zeichnungen" und "Menschenköpfe" wurden Kokoschkas Zeichnungen für den Sturm auch als eigene Mappenwerke von Herwarth Waldens Sturm-Verlag herausgegeben.

Kokoschka im Dialog
Oskar Kokoschkas explizite Darstellungen von Femiziden und struktureller patriarchaler Gewalt sind von erschreckender Aktualität. Seine radikale Formensprache in Malerei und Grafik fasziniert Kunstschaffende seit vielen Generationen, wie auch das Ausstellungsprojekt "Kokoschka im Dialog" mit Studierenden der Abteilung für Malerei und Animationsfilm der Universität für angewandte Kunst Wien zeigt. Die Arbeiten sind in der Ausstellung in direkter Gegenüberstellung mit den Werken Oskar Kokoschkas präsentiert.

50 Jahre Oskar Kokoschka Dokumentation Pöchlarn
Anlässlich des Jubiläums werden zudem die Entstehung und wechselvolle Geschichte der Forschungseinrichtung und des Ausstellungsbetriebs im Geburtshaus Oskar Kokoschkas in Pöchlarn näher beleuchtet.

Oskar Kokoschka und die Zeitschrift Der Sturm
Im Jahr 1910 gründete der deutsche Verleger Herwarth Walden (1874 -1941) eine neue Zeitschrift, die unter dem Titel Der Sturm schon bald zur führenden Plattform der internationalen Avantgarde werden sollte. Sie setzte sich mit Literatur, Kunst, Musik, Kunsttheorie und Kulturpolitik auseinander und widmete sich ästhetischen, philosophischen und moralischen Fragen. Sowohl die Zeitschrift, in der unter anderem Else Lasker-Schüler, Peter Altenberg, Adolf Loos, Max Brod, Heinrich Mann oder Selma Lagerlöf publizierten, als auch die von Herwarth Walden 1912 gegründete Sturm-Galerie bildeten ein wichtiges Sprachrohr des Expressionismus, Futurismus und Kubismus. Auf Vermittlung von Karl Kraus und Adolf Loos wurde Oskar Kokoschka zwei Jahre nach seinem skandalreichen Debüt bei der "Kunstschau Wien 1908" die Möglichkeit geboten, bei Herwarth Walden mitzuarbeiten. 1910 übersiedelte der junge Künstler für ein Jahr nach Berlin und prägte mit seinen frühexpressionistischen Zeichnungen vor allem den ersten Jahrgang der Zeitschrift maßgeblich. Allein in dieser Zeit entstanden 28 Arbeiten für das progressive Medium, doch auch die nächsten Jahre war Kokoschka mit Porträts und szenischen Darstellungen auf den Titelseiten und im Blattinneren vertreten. Die Auswahl an Sturm-Ausgaben aus den Jahren 1910 bis 1916 zeigt auch eine stilistische Entwicklung. Im Gegensatz zu den frühen Darstellungen, die von der starken Binnenzeichnung, nervösen Strichen und dichten Schraffuren geprägt sind, weist das Selbstporträt aus dem Jahr 1916 bereits eine viel größere Ruhe auf.

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Beziehungen und Verflechtungen
Herwarth Walden, der umtriebige und leidenschaftliche Pianist, Komponist, Schriftsteller, Verleger und Galerist, gilt als eine der einflussreichsten und prägendsten Persönlichkeiten im Berlin der 1910er-Jahre. 1878 als Georg Lewin geboren, war er in erster Ehe mit Else Lasker-Schüler verheiratet, von der möglicherweise auch sein Pseudonym stammt. Die Dichterin und Zeichnerin veröffentlichte zahlreiche Gedichte und Texte sowie auch die beiden Kokoschka-Karikaturen im Sturm - der Künstler als gesuchter, aber netter Ganove. Gemeinsam mit seiner zweiten Frau, der schwedischen Malerin und Schriftstellerin Nell Roslund, baute Walden die Zeitschrift zum transnationalen "Unternehmen Sturm" aus. Neben dem Verlag gab es eine Galerie, eine Bühne, eine Schule, musikalische Abende und Lesungen sowie eine Buchhandlung und Postkartenproduktion, wobei der Aufschwung auch im Zusammen-hang mit geheimdienstlichen Schattengeschäften mit dem deutschen Kriegspresseamt gestanden haben dürfte. Im Gegensatz dazu war die Anfangszeit des Sturms von ständigen finanziellen Engpässen geprägt. Karl Kraus, der Herausgeber der Wiener Satirezeitschrift Die Fackel, unterstützte Waldens Zeitschriftengründung sowohl inhaltlich als auch finanziell. Sein Porträt sowie jenes von Adolf Loos, beide waren wichtige Mentoren Kokoschkas, bildeten den Auftakt zu einer Serie von Porträtzeichnungen im Sturm, zu der auch die Bildnisse Nell und Herwarth Waldens gehören.

"Mörder, Hoffnung der Frauen"
In der Zeitschrift Der Sturm wurden 1910 erstmals die Druckfassung sowie die vier expressionistischen, radikalen Illustrationen zu Oskar Kokoschkas Drama" Mörder, Hoffnung der Frauen" publiziert, welches bei der "Internationalen Kunstschau Wien 1909" zur Uraufführung kam. Wie in zahlreichen frühen Arbeiten des Künstlers steht das Thema der - oftmals sexuellen - Gewalt gegen Frauen im Mittelpunkt, ein Geschlechterkonflikt, der sich in den Zeichnungen zu einem dramatischen, blutigen Kampf steigert und im brutalen Femizid gipfelt. In dem Drama hat Kokoschka eine Vielzahl an Geschichten, Rückgriffen und Motiven verarbeitet. Der Text weist mehrere Bedeutungsebenen auf: Neben der Antike und Kleists Penthesilea spielt das Christentum ebenso herein wie der in dieser Zeit immer wieder thematisierte Vampirismus bis hin zum Lustmörder-Motiv, das damals nicht zuletzt durch Frank Wedekinds Drama" Lulu" in den Intellektuellenzirkeln beständiges Thema war. Gleichermaßen können die frühen Dramen nicht ohne Johann Jakob Bachofen (sein Buch Das Mutterrecht befand sich in der Bibliothek Kokoschkas) und die misogynen Theorien von Otto Weininger gesehen werden. Die vier Blätter, die zum Zeitpunkt ihres Erscheinens im Sturm vielfach für Unverständnis gesorgt haben, waren auch Teil des von Herwarth Walden 1913 verlegten Kokoschka-Mappenwerks "Zwanzig Zeichnungen". Nell Walden schreibt in ihrem 1963 erschienenen Buch Herwarth Walden. Ein Lebensbild zu Kokoschkas Zeichnungen: "Herwarth Walden erklärte mir: ,Ich kann dir keine Hochzeitsgeschenke geben, aber du kannst die Zeichnungen von Kokoschka haben!' Ich verbannte nun natürlich die eingerahmten Reproduktionen aus Schweden, und wir hängten die schönen, starken, damals verfemten Zeichnungen von Kokoschka aus den ersten ,Sturm'-Jahrgängen auf. Darunter waren die jetzt so berühmten Frühzeichnungen, Mörder, Hoffnung der Frauen."

 Pöchlarn, Juni 2023

Kokoschka im Dialog - Reflexionen zu "Mörder, Hoffnung der Frauen"
Oskar Kokoschkas radikale Formensprache in Malerei und Grafik, Konzeption und Komposition von Bildmotiven ist immer wieder Ausgangspunkt für eine lebendige künstlerische Auseinandersetzung. Aus Anlass des 50-Jahr-Jubiläums der Oskar Kokoschka Dokumentation Pöchlarn findet 2023 eine Kooperation mit der Abteilung für Malerei und Animationsfilm der Universität für angewandte Kunst Wien statt. Kokoschka war selbst von 1904 bis 1909 Student der Angewandten, der früheren Wiener Kunstgewerbeschule, mit der er sich zeitlebens eng verbunden fühlte. Neun Studierende aus unterschiedlichen Semestern haben sich Kokoschkas Zeichnungen für die Zeitschrift Der Sturm, die in den Jahren 1910 bis 1916 entstanden sind, als Grundlage für eigene Arbeiten genommen.

Aspekte des nach 1900 omnipräsenten Geschlechterkampfs sowie Kokoschkas explizite Darstellungen von Femiziden und struktureller patriarchaler Gewalt erscheinen in aktuellen Diskursen mehr denn je virulent. Hanna Skultéty reflektiert über die der Gesellschaft immanente Gewalt und nähert sich dem Thema mit einer ausdrucksstarken, farbkräftigen Arbeit in einem eher kindlich illustrativen Stil. In dem Triptychon ist nicht mehr die Frau das Opfer, sondern es ist die tätliche/tödliche Auseinandersetzung zwischen Männern in einem abstrakten Raum wiedergegeben. Auch Janne Marie Dauers mehrteilige Arbeit entstand vor dem Hintergrund von Kokoschkas "Mörder, Hoffnung der Frauen". Sie greift das Drama auf spielerisch abstrakte Weise auf, indem sie die Regieanweisungen des Stücks mithilfe eines Comics in einen neuen Kontext - ein Scheidungsdrama - setzt und die gewaltsame Situation ad absurdum führt. Aus Kokoschkas brutaler männlicher Figur, im Text nur als "Der Mann" bezeichnet, wird laut Dauer ein "lächerlicher, hilfloser Büroangestellter", der von einer Frau einen Ordner mit Papieren überreicht bekommt und diese dann verbrennt.

 Pöchlarn, Juni 2023

Oskar Kokoschka Dokumentation Pöchlarn - Ein halbes Jahrhundert 1973-2023
Vor 50 Jahren konstituierte sich in Pöchlarn der von einem international besetzten Kuratorium begleitete "Verein zur Erforschung und Dokumentation des Werkes Oskar Kokoschkas", am 14. Juli 1973 fand im Geburtshaus Oskar Kokoschkas die offizielle Eröffnung der Gedenkstätte statt. Zum Leiter der von Oskar und Olda Kokoschka unterstützten wissenschaftlichen Einrichtung wurde Johann Winkler ernannt, der diese während seiner Tätigkeit bis Mitte der 1990er-Jahre zu einer der wesentlichsten Anlaufstellen der Kokoschka-Forschung machte und zahlreiche nationale und internationale Ausstellungen und Publikationen realisieren konnte. Ende der 1990er-Jahre bot sich der Stadtgemeinde Pöchlarn die Möglichkeit, das Haus zu kaufen und zu einem allen Museumsstandards gerecht werdenden Ausstellungszentrum umzubauen. Wie sich das Kokoschka Museum Pöchlarn heute präsentiert, ist maßgeblich den ehemaligen Bürgermeistern und Vorsitzenden des Vereins - Rupert Strauß, Hans Klimmer sowie Georg Fuchs zu verdanken. Unvergesslicher Spiritus Rector der Oskar Kokoschka Dokumentation war bis zu seinem Tod im Jahr 2018 Franz Eder. Parallel dazu sichert die über 25-jährige Kooperation mit der Universität für angewandte Kunst Wien die wissenschaftliche Bearbeitung und Kuratierung der jährlich stattfindenden Ausstellungen. Anlässlich des 50-Jahr-Jubiläums der Oskar Kokoschka Dokumentation Pöchlarn erschien eine Festschrift mit dem Titel "Kokoschka im Fokus. Stürmische Jahre in Berlin / Oskar Kokoschka Dokumentation Pöchlarn. Ein halbes Jahrhundert 1973-2023".

Der Töpfer
Anlässlich der Eröffnung der Oskar Kokoschka Dokumentation Pöchlarn im Jahr 1973 schenkte Oskar Kokoschka der Stadtgemeinde das Bronzerelief „Der Töpfer", das auch als Titelbild für die Gründungsfestschrift diente. Die Vorlage für das Relief bildete ein Blatt aus seinem 1963 entstandenen Lithografie-Zyklus »Apulia«. Einen weiteren Abguss aus der Berliner Gießerei Noack ließ Kokoschka neben der Tür seines Hauses in Villeneuve anbringen. 1978 schuf die Firma Rosenthal zudem eine auf 20 Stück limitierte Auflage in Porzellan.

 Pöchlarn, Juni 2023

Ehrenbürgerschafts-Urkunde
Im Jahr 1951 wurde Oskar Kokoschka (in Abwesenheit) die Ehrenbürgerschaft Pöchlarns durch den Gemeinderat unter Bürgermeister Friedrich Stifsohn verliehen. Nach 1945 hatte der in Golling bei Pöchlarn aufgewachsene, akademische Maler Sepp Mayrhuber den Gemeinderat auf Oskar Kokoschka, ihren wohl berühmtesten Sohn, aufmerksam gemacht. In Folge war es zur Kontaktaufnahme mit dem damals noch in England lebenden Künstler gekommen.

 Pöchlarn, Juni 2023

Ehrenring der Stadt Pöchlarn („Nibelungenring")
1956, anlässlich des 70. Geburtstags Oskar Kokoschkas, beschloss der Gemeinderat den Künstler mit dem neu geschaffenen Ehrenring der Stadt, dem Nibelungenring, zu ehren. Oskar Kokoschka nahm diese Ehrung am 16. August 1956 persönlich durch Bürgermeister Franz Leeb entgegen. Sein Besuch wurde in Pöchlarn zu einem Festtag, an dem nicht nur sämtliche Würdenträger der Stadt, sondern auch die Bevölkerung lebhaft teilnahm.

 Pöchlarn, Juni 2023

Varieté und Nachtleben
Oskar Kokoschkas Zeichnungen für die wöchentlich erscheinenden Sturm-Ausgaben, die dem Blatt sein spezifisches künstlerisches Profil verleihen, unterscheiden sich stilistisch stark von seinen noch secessionistisch geprägten Arbeiten für die Wiener Werkstätte und das Cabaret Fledermaus aus der Zeit an der Wiener Kunstgewerbeschule. In den expressionistischen Porträts und Darstellungen dominieren nun scharfe Linien, Schraffuren und gekreuzte Strichlagen. Besonders eindrucksvoll zeigt sich der Stil in jenen Zeichnungen, die im Zuge von Kokoschkas Rezensionstätigkeit für den Sturm entstanden. Die nach 1900 boomenden Zirkus-, Tanz- und Varietéaufführungen in Berlin übten eine große Faszination auf den Künstler aus. Die Redaktion des Sturms hatte Freikarten für den Wintergarten, eines der seinerzeit beliebtesten Varietés Berlins mit internationalen Künstler:innen und Sensationsnummern. Oskar Kokoschka verbrachte manche Abende im Varieté und hielt die teils waghalsigen Vorführungen der Artist:innen für den Sturm in Zeichnungen fest, zudem berichtete er in einigen kurzen Textbeiträgen über die Attraktionen. Andere Blätter aus diesem Zeitungsjahrgang, aufgrund der dichten Zeichnung und dem expressiv-nervösen Strichgefüge teils schwer lesbar, geben Szenen aus dem Prostituierten-Milieu sowie das nächtliche Treiben in der Großstadt wieder. Die ursprünglich für die Wochenschrift für Kultur und die Künste entstandenen Darstellungen, wie der Untertitel des Sturms lautete, gab Herwarth Walden 1913 als Mappenwerk unter dem Titel "Zwanzig Zeichnungen" heraus. In der drei Jahre später verlegten Mappe mit dem bezeichnenden Titel " Menschenköpfe" sind die Porträts zweier damaliger Größen des Varietés enthalten, die beide wiederholt im Berliner Wintergarten auftraten: Die aus Paris bekannte Diseuse Yvette Guilbert sowie die beliebte Berliner Volkssängerin Claire Waldoff.

 Pöchlarn, Juni 2023

Menschenköpfe
Die Mappe der " Menschenköpfe" versammelt eine lose Serie von Porträts Oskar Kokoschkas, die vorwiegend 1910/1911 und dann 1916 für die Zeitschrift Der Sturm entstanden sind. Den Auftakt machten Adolf Loos und Karl Kraus, zwei der wichtigsten Vertreter des Wiener Kunst- und Kulturlebens nach 1900. Es folgten die Bildnisse von Herwarth Walden sowie den engen Vertrauten und Mitarbeitern des Verlegers, wie jenes des Architekten Paul Scheerbart, des Schauspielers und Rezitators Rudolf Blümner oder des Lyrikers Richard Dehmel. Diese frühen Darstellungen heben sich stilistisch deutlich von Kokoschkas fünf Jahre später im Sturm publizierten Porträts ab, etwa dem der Schauspielerin Gertrud Eysoldt oder der Schriftstellerin Mechtild Lichnowsky. Kokoschka war nach zweimaliger Verwundung im Ersten Weltkrieg für drei Monate zur Rekonvaleszenz in Berlin. Herwarth und Nell Walden stellten ihm einen Arbeitsraum in der Sturm-Zentrale in der Potsdamer Straße zur Verfügung, wo neben drei Illustrationen zu einem Text seines Bruders Bohuslav auch die neuen Porträts entstanden. Die Gesichter sind nun durch wenige Striche und einen kräftigen Zeichenduktus geformt. Die harte Feder wurde von einem weichen Tuschpinsel abgelöst, die Porträtierten wirken natürlicher. Die Zeichnungen stehen in einem starken Kontrast zu den frühen sogenannten psychologischen Porträts.

 Pöchlarn, Juni 2023

Oskar Kokoschka wird am 1. März 1886 in diesem Haus, damals Haus Vorstadt Nr. 5, geboren. Seine Kindheit und Jugend verbringt er jedoch weitgehend in Wien. Schon als junger Künstler verlässt er Österreich eine internationale Karriere beginnt. Zahlreiche Lebensstationen folgen, darunter Berlin, Dresden, Paris, Prag und London. Nach 1945 nimmt seine Geburtsstadt Pöchlarn wieder Kontakt mit ihm auf. 1951 wird er zum Ehrenbürger ernannt und 1954 spendet Kokoschka großzügig für die Pöchlarner Opfer einer Hochwasserkatastrophe. 1956 erhält er den Ehrenring der Stadt Pöchlarn, den der Künstler bei einem persönlichen Besuch entgegennimmt. Im Jahr 1973 wird der Verein zur Erforschung und Dokumentation des Werkes Oskar Kokoschkas, kurz: die Oskar Kokoschka Dokumentation, unter der Patronanz von Oskar und Olda Kokoschka gegründet. Neben der Förderung der Kokoschka-Forschung zählt die Präsentation seines Werkes in jährlich wechselnden Sonderausstellungen im Geburtshaus zu ihren Hauptaufgaben.

 Pöchlarn, Juni 2023

Kokoschka wird am 1. März 1886 bei einem Aufenthalt der Mutter in Pöchlarn im Haus Vorstadt Nr. 5 geboren. Sein Vater Gustav stammt aus einer alten Prager Goldschmiedefamilie und arbeitet wirtschaftsbedingt als Handelsreisender, seine Mutter Romana, geb. Loidl, hat ihre Wurzeln in einer steirischen Bauernfamilie. Kokoschkas Familie, mit der er lebenslang eng verbunden bleibt, übersiedelt bald nach Wien. Dort wächst er in einfachen Verhältnissen auf. Schon in der Schulzeit zeigt sich sein außergewöhnliches künstlerisches Talent.

Von 1904 bis 1909 studiert Kokoschka an der k. k. Kunstgewerbeschule in Wien, wo er ursprünglich als „Zeichenlehrer" u. a. von Bertold Löffler ausgebildet wird. Noch als Student wird er Mitarbeiter der Wiener Werkstätte, wo er u.a. Postkarten sowie sein Märchenbuch „Die träumenden Knaben" (1908) gestaltet. Bildlich steht es noch dem Jugendstil nahe, seine Texte zählen jedoch zu den frühesten expressionistischen Dichtungen. Er widmet es Gustav Klimt, der ihm die Chance gibt, erstmals bei der prominenten „Kunstschau" 1908 auszustellen.

Kokoschkas Ausstellungsdebüt 1908 wird zum Skandal, er selbst als „Oberwildling" bezeichnet.
Zugleich wird der Architekt Adolf Loos sein Förderer und der junge Künstler im künstlerisch-intellektuellen Kreis des „Wien um 1900" um Karl Kraus und Peter Altenberg aufgenommen. Kokoschkas schonungslose Porträts, die radikal Seelenzustände zeigen, werden von der Kunstkritik mit teils wüsten Beschimpfungen abgelehnt. Die Uraufführung seines Dramas „Mörder, Hoffnung der Frauen" 1909 endet im Tumult. OK - die Initialen, mit denen er seine Arbeiten signiert - stilisiert sich in Folge als „Wilder" und Dandy, kahl rasiert und in nobler Garderobe.

 Pöchlarn, Juni 2023

1909 ist Kokoschka auch bei der „Internationalen Kunstschau" in Wien vertreten. Mit Adolf Loos reist er in die Schweiz. Ab 1910 arbeitet er mit Herwarth Walden in Berlin für die Avantgarde-Zeitschrift „Der Sturm". In Wien scheiden sich die Geister: Bei einer Hagenbund-Ausstellung 1911 erntet er sowohl heftige Kritik als auch große Anerkennung. Die Schulbehörde erzwingt seine Entlassung als Zeichenlehrer von der privaten Mädchenschule der Eugenie Schwarzwald wegen seines fantasievollen, kindgerechten Unterrichts. Sein Vortrag „Das Bewußtsein der Gesichte" endet 1912 mit Polizeieinsatz.

Von 1912 bis 1914 ist Kokoschka mit Alma Mahler, der jungen Witwe des Komponisten Gustav Mahler in einer leidenschaftlichen Beziehung verbunden. In Bildern, Bildzyklen und Dramen verarbeitet er sein Liebesglück, aber auch seine Eifersucht sowie den Schmerz nach der Abtreibung eines gemeinsamen Kindes. Das berühmte Gemälde „Die Windsbraut", als Verlobungsbild gedacht, zeigt das Paar in bedrohlicher Meereswoge. Alma beendet die Beziehung 1914. Kokoschka meldet sich zum Kriegsdienst und „Die Windsbraut" wird verkauft. Noch 1919 lässt er eine Puppe nach Almas Vorbild herstellen, die er mehrfach malt.

Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs meldet sich Kokoschka freiwillig zur Armee und beginnt Anfang 1915 seinen Kriegsdienst in einem Dragonerregiment. Im Sommer erleidet er an der galizischen Front einen Nackenschuss und einen Lungenstich. Im Lazarett entwirft er sein Drama „Orpheus und Eurydike". Im Sommer 1916 ist er als Kriegsmaler an der Isonzofront, gilt aber bald wegen eines schweren Schocks nach einer in unmittelbarer Nähe erlebten Explosion als „kriegsuntauglich". Zeichnungen mit pazifistischen und kriegsverdammenden Motiven entstehen.

 Pöchlarn, Juni 2023

Ab Ende 1916 ist Kokoschka im Sanatorium „Weißer Hirsch" in Dresden, wo er Anschluss an Literaten- und Theaterkreise findet: sein berühmtes Gemälde „Die Freunde" entsteht. 1919 erfüllt sich sein Wunsch nach einer Professur an der Akademie in Dresden, ein Vertrag mit der Galerie Cassirer Berlin sichert ihn zusätzlich ab. Etliche Dramen erfahren ihre Uraufführung, seine Arbeiten werden international ausgestellt und von Museen angekauft. Er malt zahlreiche Städtebilder, vor allem von Dresden. Diese Schaffensphase ist durch eine flächige, farbintensive Malweise geprägt.

Ab 1923 ist Kokoschka von seiner Professur in Dresden beurlaubt und kehrt nicht mehr zurück, intensive Reisejahre beginnen, Porträts, Landschafts- und Städtebilder entstehen. Er lebt zeitweilig in Paris und London, wo er im Zoo u. a. den „Mandrill" malt. Ausgedehnte Aufenthalte in Südfrankreich, Holland und 1928/29 eine große Afrika-Reise finden fruchtbaren Niederschlag in seiner Arbeit.

Bereits 1920 kauft Kokoschka für seine Familie ein Haus im Liebhartstal am Rande des Wienerwalds. Als 1923 sein Vater stirbt, fühlt er sich mehr denn je für das Wohl seiner Mutter und Geschwister verantwortlich. So lebt und arbeitet er ab 1924 immer wieder auch in Wien. Viele bekannte Bilder entstehen, u. a. in seinem Wiener Dachatelier. Im Februar 1934 radikalisiert sich durch die Bürgerkriegsunruhen das politische Klima in Österreich, Kokoschkas Mutter stirbt. Kokoschka verlässt Wien im Herbst 1934 endgültig.

 Pöchlarn, Juni 2023

Schon als Student schreibt Kokoschka Dramen, die wie „Mörder, Hoffnung der Frauen" (1908/09) zur frühexpressionistischen Literatur zählen und meist Skandale provozieren. Im Cabaret Voltaire (Zürich), dem Geburtsort des Dadaismus, wird sein Stück „Sphinx und Strohmann (Hiob)" 1917 uraufgeführt. Kokoschka führt wiederholt auch Regie und entwirft bis ins hohe Alter Bühnenbilder für seine eigenen Stücke sowie von anderen, z. B. von Ferdinand Raimund. Kokoschkas Drama „Comenius" wird nach seinen Anweisungen 1974 für das Fernsehen verfilmt.

Musik zieht sich wie ein roter Faden durch OKs Lebenswerk. Er ist mit Komponisten (u. a. Arnold Schönberg, Anton von Webern, Ernst Křenek) und Musikern befreundet und porträtiert sie. Seine Literatur wird vertont: 1919 „Mörder, Hoffnung der Frauen" (Oper von Paul Hindemith), 1923 „Orpheus und Eurydike" (Oper von Křenek), 1972 „Die träumenden Knaben" (Kantate von Gottfried von Einem). Sein Zyklus „Das Konzert" (1920/21) befasst sich mit den Emotionen beim Musikhören. Für zahlreiche Opern, u. a. von Mozart und Verdi, erhält er Aufträge für Bühnenbild- und Kostümentwürfe.

Schon bei seiner ersten Schweiz-Reise 1909 hat die Landschaft rund um den Genfer See OK sehr beeindruckt. 1953 kauft er mit seiner Frau Olda ein Grundstück in Villeneuve, ein einfaches Haus wird nach seinen Wünschen gebaut. Es ist von einem riesigen Garten mit Blick auf den See umgeben. Der „unstete Wanderer" wird hier zum begeisterten Gärtner und legt seine vielen Reisen so, dass er die Blütezeit im Frühjahr nicht verpasst. In seinem Atelier, das er „Bibliothek" nennt, entstehen viele Blumenaquarelle und sein wichtiges Spätwerk.

 Pöchlarn, Juni 2023

Im Herbst 1934 verlässt Kokoschka Wien und zieht nach Prag, wo er u. a. den Staatspräsidenten Thomas Masaryk malt sowie eine Vielzahl von Prager Stadtansichten. Er lernt die junge Juristin Olda Palkovská, seine spätere Frau, kennen. Er ist ein engagierter Antifaschist und Pazifist und fordert (erfolglos) ein übernationales Schulsystem, das er als Grundlage für eine friedliche Zukunft sieht. Ähnlich wie Picasso versucht er mit einem Plakat auf die Massaker im Spanischen Bürgerkrieg aufmerksam zu machen. 1935 wird er tschechoslowakischer Staatsbürger.

1937 ist Kokoschka in der national-sozialistischen Hetzschau „Entartete Kunst" mit mehreren Arbeiten vertreten. Insgesamt 456 seiner Werke werden als „entartet" aus deutschen Museen entfernt und teilweise im bekannten Schweizer Auktionshaus Fischer für das Naziregime gewinnbringend versteigert. Er selbst flieht im Oktober 1938 mit Olda nach London. Er beginnt eine Serie von politischen Allegorien, wie „Das rote Ei": Hitlers und Mussolinis Machthunger und die (teils schweigende, teils aktive) Zustimmung Englands und Frankreichs sind wiederholt Themen seiner „Bildrätsel".

Kokoschka bleibt nach dem Krieg in England und wird 1947 britischer Staatsbürger. Die Sorge um seine in Wien und Prag verbliebene Familie ist weiterhin groß. Er ist vielfältig humanitär engagiert, so lässt er u. a. 5.000 Plakate seiner Grafik „Christus hilft den hungernden Kindern" als Appell in London affichieren. Ab 1948 wird sein Werk in mehreren amerikanischen Städten (u. a. New York, Boston) gezeigt. In Europa, etwa in Basel (1947) oder bei der XXIV. Biennale in Venedig 1948, wird er als moderner „Altmeister" gefeiert. Auch in Österreich finden große Sonderschauen statt, zu einer dauernden „Rückkehr" kommt es jedoch nicht. 1953 lassen sich Kokoschka und seine Frau Olda in Villeneuve am Genfer See nieder.

 Pöchlarn, Juni 2023

Kokoschka ist ein unkonventioneller, stets begeisterter und begeisternder Lehrer - schon an der Mädchenschule Eugenie Schwarzwalds (1911) und als Leiter des „Aktkurses" an der k. k. Kunstgewerbeschule (1912/13). Nach 1945 unterrichtet er in den USA (Boston, Minneapolis), in der Schweiz (Sion) und nicht zuletzt in Salzburg. Dort gründet er seine „Schule des Sehens" (heute: „Internationale Sommerakademie"), die er von 1953-1963 leitet. Seine „Schule" ist für alle, nicht nur für „akademische" Maler, offen. „Sehen" hat für ihn in einem tieferen Sinne mit menschlicher Erkenntnis und Reifung zu tun.

Kokoschka ist sein Leben lang sehr an der Antike interessiert. Im Mittelmeerraum sieht er die Wiege der (westlichen) Kultur, die Grundlage des Humanismus. Seine Triptychen mit antiken Themen greifen auch aktuelle politische Inhalte auf. Grafikzyklen wie „Bekenntnis zu Hellas" sowie Illustrationen zu antiker Literatur von Homer, Euripides oder Aristophanes („Odyssee", „Die Troerinnen“, „Die Frösche") entstehen. Mit dem Geschichtsschreiber Herodot identifiziert er sich vielfach. Sein (unausgeführter) Entwurf für die Münchner Olympiade 1972 mit einer „Kouros"-Figur steht sinngemäß für Kunst und Sport.

Kokoschka hat unzählige Porträts von Künstlern, Wissenschaftlern, Unternehmern und Politikern geschaffen. In der Nachkriegszeit wird er zu einem der gefragtesten Porträtmaler, darunter Politiker wie der österreichische Bundespräsident Theodor Körner, der deutsche Bundespräsident Theodor Heuss sowie die deutschen Kanzler Konrad Adenauer und Helmut Schmidt. Im Zyklus „Jerusalem Faces" porträtiert er politische und religiöse Vertreter (u.a. Golda Meir, Teddy Kollek). Anregende Gespräche um Frieden, Humanismus und Kunst finden dabei statt.

Kokoschka ist stets viel gereist. Auch in den mittleren und späten Lebensjahren malt er zahlreiche, sehr bekannte Städtebilder. Er wählt dabei oft verschiedene, aber immer erhöhte Standpunkte für seine Motive. Es wäre nicht Kokoschka, wenn nicht auch auf vielen dieser Bilder (politische) Botschaften mitschwingen würden, so etwa bei der wiedereröffneten Wiener Staatsoper, einem Symbol österreichischer Identität. Das Berliner Bild entsteht genau fünf Jahre nach dem Berliner Mauerbau. Was auf den ersten Blick wie ein Fisch-Stillleben (1962) aussieht, entpuppt sich als Reaktion auf eine Hochwasserkatastrophe in Hamburg („Sturmflut").

OSKAR KOKOSCHKA - Die frühen Jahre
Zeichnungen und Aquarelle ausgewählt von SERGE SABARSKY, New York
Historisches Museum der Stadt Wien, Karlsplatz 2. Dezember 1982-30. Jänner 1983 Di., Mi., Fr. 10-16, Do. 10-19, Sa. 14-18, So., Fei. 9-17 25. 12. 1982 und 1. 1. 1983 geschlossen.

 Pöchlarn, Juni 2023