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Der sieben Kilometer südlich von Graz gelegene Österreichische Skulpturenpark hat sich seit seiner Gründung im Jahr 2003 als Zentrum für zeitgenössische Skulptur etabliert. Die faszinierende Parkanlage des Landschaftsarchitekten Dieter Kienast erstreckt sich über ein Areal von rund sieben Hektar und ist Entfaltungsraum für mehr als 80 Skulpturen. Werke renommierter Künstler/innen aus Österreich – von Fritz Wotruba über Franz West bis hin zu Erwin Wurm, Heimo Zobernig und Michael Kienzer – kommunizieren hier mit Beispielen internationaler Bildhauerei, zum Beispiel von Jeppe Hein, Nancy Rubins, Tobias Rehberger oder Susana Solano.
In den späten 1960ern und 1970ern dominierten das wirtschaftliche und
wissenschaftliche Wachstum, die Erdumrundung, der erste Blick auf
unseren Planeten, die Mondlandung und der Computer die Welt. In dieser
Zeit sozialisiert, entwickelt Wakolbinger Skulpturen aus der Maschine,
die eigene Gesetzmäßigkeiten und Algorithmen vorgibt. Handschrift wird
dabei zur vernachlässigbaren Kategorie. Gleichzeitig erinnert die
Skulptur an das mystische Wesen eines Göttervogels, der die Erde
berührt, an das Festhalten des Augenblicks, des Durchzugs oder
Weiterflugs. Der schwebende Sockel verdeutlicht das Spiel von
Leichtigkeit und Schwere.
So verhält es sich auch mit der Arbeit Giardini (Placement) im
Österreichischen Skulpturenpark. Sie entstammt einer Serie
computergenerierter Formate, die allansichtig gerendert das schwerelose
Entheben von oben, unten, rechts und links ermöglichen. Entworfen
mittels eines 3D-Programmes entledigen sich die Placements des
Charakters der Handschriftlichkeit und werden vom Künstler virtuell als
riesige Monumente in obskure Orte und Landschaften platziert. Eines der
real umgesetzten Exponate wurde für den Skulpturenpark adaptiert.
Manfred Wakolbinger, Placement (Giardini), 2012
Aus gewundenem Kupferrohr geformt, bildet Michael Kienzers Skulptur o.
T. (1992/94) ein konisches, trichterartiges Raumgeflecht, das nicht
einfach in die Landschaft gestellt ist, sondern über einer Hügelkuppe
aufragt bzw. aus ihr hervorzugehen scheint.
So als ob das Objekt aus der Landschaft wie ein spiraliges Gestrüpp
hervorwachsen oder auch wie ein riesiges Vogelnest über diesem Gelände
thronen würde. Es wirkt damit wie ein spiegelbildlicher skulpturaler
Kommentar oder wie eine komplementäre Fortsetzung dieser
Landschaftsformation.
Dieses Kunstgebilde aus patiniertem Kupfer verweist in seinem
spiegelbildlichen Bezug zur Landschaft auf deren eigene Künstlichkeit
und skulpturale Eigenschaften. Es bezeichnet also von sich aus seinen
landschaftlichen Kontext als seinerseits kalkuliertes und konstruiertes
Gebilde, und verdeutlicht damit, dass jede Bestimmung von Natürlichkeit
und Natur unausweichlich zivilisatorische Rahmenbedingungen und
Vorstellungen widerspiegelt.
Michael Kienzer, o. T., 1992/94
Liniengeflechte und -gerüste aus roter, grüner und blauer Farbe sind
die Grundmotive in Sabina Hörtners Arbeiten. Die Linie ist dabei ein
Bauelement, mit dessen Hilfe buchstäblich vielschichtige
Formkonstellationen in Fläche und Raum erzeugt werden.
Die Auswahl der Farben beruht nicht auf gefühlsbetonten Vorlieben,
sondern orientiert sich an den am häufigsten verwendeten
Edding-Markern. Hörtner verwendet also industriell genormte Farben, die
für profane Arbeitsprozesse produziert werden, und nutzt die optischen
Eigenschaften der Farben: „Die Tatsache, daß 3 Farben unterschiedliche
Ebenen einnehmen, z.B. blau liegt entfernter als rot, ist eine für mich
nützliche Tatsache.“ (Hörtner)
So setzt sie auch in der Skulptur o. T. bei der räumlichen Wirkung der
Farben an, um Strukturen des Raumes und der Verräumlichung in Gestalt
einer Skulptur zu visualisieren. Die farbige Skulptur ist also nicht
nur ein räumliches Gebilde, sondern eine Form gewordene Strukturierung
von Raum.
Sabina Hörtner, o. T., 1993
Die Skulptur ist eine raffinierte Konstruktion, bei der aus jeweils
einem Würfel fünf weitere Würfel wachsen. In Summe sind es 156 Stück,
deren Generationen in einer diagonalen Verdrehung der Achsen für
Dynamik sorgen. Der technisch anmutende Titel bezieht sich auf das Jahr
der Entstehung, die Form (Hexaeder) und die Gestaltung. Die
Verkleinerung der Würfel geschieht mit dem Faktor 0,44902, nicht
zuletzt folgen die Seitenverhältnisse dem Goldenen Schnitt und sorgen
damit für eine besonders harmonische Wirkung. Was auf den ersten Blick
wie Chaos wirkt, folgt einer ausgeklügelten Ordnung.
„Skulptur“, sagte Hartmut Skerbisch einmal, „ist keine Disziplin der
schönen Künste.“ Was dann? „Skulptur thematisiert das Verhältnis des
Menschen zu sich.“ In diesem Sinn gestaltet Skerbisch seit Jahrzehnten
plastische Arbeiten, deren Gestalt er lieber aus
gesellschaftspolitischen und wissenschaftlichen Umfeldern generiert
denn vordergründig schöngeistigen. Skerbisch hat u. a. Solarbäume
entwickelt, ein Energiespiel, skulpturale Körper nach geometrischen
Axiomen.
3D Fraktal 03/H/dd ist ein weiteres gutes Beispiel für dieses
Verfahren. Die Grunddefinition holt man am besten aus dem Lexikon:
„Fraktal (Adjektiv oder Substantiv) ist ein von Benoit Mandelbrot
(1975) geprägter Begriff (lat. fractus: gebrochen, von frangere:
brechen, in Stücke zerbrechen), der natürliche oder künstliche Gebilde
oder geometrische Muster bezeichnet, die einen hohen Grad von
Selbstähnlichkeit aufweisen. Das ist beispielsweise der Fall, wenn ein
Objekt aus mehreren verkleinerten Kopien seiner selbst besteht.
Geometrische Objekte dieser Art unterscheiden sich in wesentlichen
Aspekten von gewöhnlichen glatten Figuren.“
Hartmut Skerbisch, 3D Fraktal 03/H/dd, 2003
3D Fraktal 03/H/dd ist eine raffinierte Konstruktion, bei der aus
jeweils einem Würfel fünf weitere Würfel wachsen. In Summe 156 Stück,
deren Generationen außerdem in einer diagonalen Verdrehung der Achsen
für Dynamik sorgen – man sieht die Würfel förmlich wie die
buchstäblichen Pilze aufschießen und kann sich weiteres Wachstum
plastisch vorstellen.
Wie immer bei Skerbisch ist auch im Zusammenhang mit der Chaostheorie
nichts dem Zufall überlassen. Die Verkleinerung der Würfel geschieht
mit dem Faktor 0,44902, nicht zuletzt folgen Seitenverhältnisse dem
Goldenen Schnitt. Die Abkürzungen im Titel bedeuten Folgendes: 03 steht
für das Entstehungsjahr 2003, H meint Hexaeder (Würfel) und dd die
bereits erwähnte diagonale Drehung. Es ist kein Zufall, dass der Weg
mitten durch die Arbeit führt: Diese Kunst will keine Distanz.
Die Gegenwart ist genau betrachtet zu kurz, um sie tatsächlich
wahrnehmen zu können. Letztendlich ist nahezu alles „noch nicht“ oder
„nicht mehr“. Somit erscheint es konsequent, wenn der Künstler gar kein
Kunstwerk anbietet, sondern nur die Mutmaßung anstellt, dass es da
gewesen ist oder erst da sein wird. Seine Absenz ist somit der
realistischste Zustand.
Ein Text hilft uns, mit dieser Tatsache umzugehen und sie letztlich
auch zu ertragen. Die Illusion, in der wir leben, ist die
Unvollständigkeit, mit der wir es zu tun haben. Das Bild, das wir uns
von der Realität machen, ist, ähnlich wie die Sprache, Teil einer
Tatsächlichkeit, die wir nicht bis zur Vollständigkeit zu erfassen
imstande sind. Wir nähern uns ihr nur an – immer müssen wir erkennen,
dass ein Stück fehlt.
Heinz Gappmayr, der seit den frühen 1960er-Jahren zwischen Konkreter
Poesie und Konzeptkunst und Aspekten der Minimal Art künstlerisch tätig
ist, zeigt uns in seiner Arbeit ständig das Dilemma, in dem wir uns
befinden. Bild und Text sind dabei gleichwertig eingesetzt, denn im
Text liegt grundsätzlich Visuelles und im Bild existiert eine
sprachliche bzw. textliche Ebene.
Heinz Gappmayr, NOCH NICHT SICHTBAR - NICHT MEHR SICHTBAR, 2003
Das Boot ist ein funktionsfähiges, am slowenischen Straßenrand
entdecktes Objet trouvé. Es handelt sich also nicht um einen
ursprünglich als Kunstwerk geschaffenen, sondern um einen gefundenen
Gegenstand, der erst durch die Inszenierung auf einem Sockel – in
diesem Fall die Landschaftsarchitektur Dieter Kienasts – zu einem
Kunstwerk wird. Die besondere Wirkung der Skulptur entsteht durch die
Positionierung im Park selbst, die zu einem Gespräch zwischen dem
Objekt und der Landschaft führt: Einerseits bezieht sich das Boot auf
den dahinterliegenden Badesee, andererseits scheint es, als wäre es in
einer künstlichen Wellenlandschaft gestrandet.
Michael Schuster verbindet in seiner Arbeit medienreflexives und
konzeptuelles Handeln mit bild- und objekthaften Bezügen. Sein
Betonboot zeigt eine Reflexion über ortsspezifische Gegebenheiten in
sinnlich objekthafter Gestalt: Das Boot bezieht sich zunächst auf den
angrenzenden Freizeitraum mit seinem Badesee. Es scheint, als ob das
Boot geradewegs aus seinem angestammten Platz geschleudert worden wäre,
um in einer anderen Art von Wellenlandschaft zu landen: nämlich im
hügeligen Auf und Ab einer künstlichen Landschaft, deren gefaltetes
Profil noch an ihre ursprüngliche und vorige Nutzung als
Gartenschaugelände erinnert.
Damit stellt Schuster nicht einfach eine Skulptur in den Park, sondern
er thematisiert dessen Geschichte und sein Umfeld innerhalb des Areals
selbst. Das Gelände mit seinen künstlich angelegten „Wellen“ wird
gleichsam zum Teil dieses Werks. Es wird als eine Art natürlicher
„Sockel“ für das Boot erkennbar, das ortlos geworden, den neuen Umraum
zugleich zur Gänze als Kontext beansprucht und besetzt, auch wenn es
nur an dessen Grenze zu liegen kommt.
Michael Schuster, Betonboot, 2003
Rubins verdichtet elektrische Geräte, Boiler, Wohnwagen- oder
Flugzeugteile, die sie aus Deponien zusammensammelt, zu monumentalen
Skulpturen. Dabei haben die einzelnen Teile, die so eng wie möglich
komponiert werden, einerseits selbstreferenziellen Charakter und
verweisen andererseits auf Auswirkungen des Konsumismus und der
industriellen Fertigungsmaschinerie.
Wurden in der Pop Art Alltagsgegenstände in ihrer glanzvollen
Verfügbarkeitsästhetik in den Status der Kunst überführt, oszillieren
nun die ausgedienten, verbrauchten Gegenstände bei Nancy Rubins
zwischen der Abscheu vor wertlosem Plunder und der Faszination ihrer
Geschichte, wodurch sie zu neuen Fetischen werden. Wegwerfkultur und
Musealisierung begegnen sich in ihren Arbeiten wie Vergessenes und
Heroisiertes.
Die Skulptur vermittelt ihren visionären Charakter in der Tatsache,
dass Rubins mit denselben Materialien, nämlich mit
Flugzeugschrottteilen, bereits seit Ende der 1980er-Jahre, also lange
vor 9/11, arbeitet. Die bedrückende Aktualität dieser Neukonstruktion,
deren Ästhetik zwischen futuristischem Geschwindigkeitsrausch,
eingefrorenem Desaster und der Schönheit durch die gebündelte
Neuordnung liegt, erfuhr anhand der realen Katastrophe eine zusätzliche
inhaltliche Komponente.
Nancy Rubins, Airplane Parts & Hills, 2003
Zur Geschichte des Österreichischen
Skulpturenparks
Der Österreichische Skulpturenpark geht auf die ambitionierte Haltung
Emil Breisachs zurück: Der ehemalige Intendant des ORF-Landesstudios
Steiermark wollte zeitgenössischer Skulptur auch außerhalb von Museen
einen Platz einräumen und künstlerische Arbeiten ab 1981 auf dem
ORF-Gelände platzieren. Daraus entwickelte sich die Idee,
österreichisches skulpturales Schaffen im internationalen Kontext zu
positionieren und ein Begegnungsfeld mit den Betrachter*innen zu
eröffnen.
Als im Jahr 2000 Dieter Kienast, der prominente Schweizer
Landschaftsarchitekt, sieben Kilometer südlich von Graz ein 7 Hektar
großes Areal für die Internationale Gartenschau geschaffen hatte,
bestätigte sich dieses in der Folge als idealer Ort für einen großzügig
angelegten Skulpturenpark. Mit Gründung der Privatstiftung
Österreichischer Skulpturenpark in Kooperation mit der PORR GmbH und
dem Land Steiermark konnte die
Basis für ein von Peter Weibel durchformuliertes Konzept für einen
internationalen Skulpturenpark ausgearbeitet und im Jahr 2003 der
Öffentlichkeit vorgestellt werden.
Um den damals 57 Skulpturen umfassenden Park abzusichern, ihn in einen
fundierten wissenschaftlichen und breiten Kunst- und Kulturkontext zu
integrieren und einer noch größeren Öffentlichkeit bekannt und
zugänglich zu machen, initiierte die Privatstiftung in Abstimmung mit
dem Land Steiermark im Jahr 2007 die Übernahme des Betriebs durch das
Landesmuseum, seit 2009 Universalmuseum Joanneum.
Sole d'acciaio, „Sonne aus Stahl“, nennt Ilija Šoškić sein skulpturales
Kraftzentrum. Dreißig Stahl-Strahlen, geschwungene Metalllamellen hat
der herbe Poet aus Montenegro rund um eine Feuersteinkuppel angeordnet.
Schwere Blütenblätter, deren Oberflächen zwischen hartem Blau und
warmem Rostrot oszillieren und je nach Lichteinfall ihre Aura ändern.
„Materialismo magico“ nannte das einst ein italienischer Kritiker – der
Künstler lebt, abgesehen von kurzen Aufenthaltsversuchen in der Heimat,
seit fast vierzig Jahren in Rom, „Magischer Materialismus“. Das gilt in
der Tat für viele Werke des Künstlers, der im Umfeld der Arte Povera
groß wurde. „Magisch materiell“ pulsiert nicht nur Soskics Stahl-Sonne,
von ähnlicher Energie war etwa ein gigantischer „Seestern“, den er
zeitgleich schuf. Oder ein „Arcobaleno d'acciaio“, ein „Regenbogen aus
Stahl“, der sich Ende der 1980er-Jahre über die Treppe zum Grazer
Mausoleum spannte.
Ilija Šoškić, Sole d'acciaio, 1989
Mit dieser Arbeit führt uns Weibel an die Grenzen der Wahrnehmung. Ein
überdimensionaler Griff eines Koffers steht mitten in der Landschaft.
Er zeigt den Betrachter*innen die Weltkugel als einen riesigen
Behälter, gefüllt mit Daten, Organismen und Gegenständen, die
ihrerseits selbst Informationsträger sind. Ähnlich funktionieren auch
wir Menschen, die wir alles, was wir haben und womit wir uns
beschäftigen, mit uns herumtragen. Die Verbindung zwischen sinnlicher
Erfahrung und Verstand, die Kant als Weg zur wirklichen Erkenntnis sah,
wird deutlich.
Philosophen, Künstler, Wissenschaftler führen vor, dass unser
materielles und körperliches Leben eine Illusion ist und die
Wirklichkeit „außerhalb“ zu suchen sei – überall, nur nicht vor unseren
Augen. Von Platos Höhlengleichnis bis zu Hollywoodfilmen wie „The
Matrix“ werden wir damit konfrontiert.
Peter Weibel, Die Erdkugel als Koffer, 2004
Das Kreuz ist in einer christlich dominierten Gesellschaft
unverwechselbares Sinnbild der Auferstehung Jesu. Mit dem Angebot,
selbst einen Nagel in eines der Kreuze zu schlagen, schafft Ono die
Möglichkeit, eine neue, aktive Rolle in diesem Vorgang der Kreuzigung
einzunehmen. Gleichzeitig werden wir dadurch Mittäter*innen.
Kulturelle, religiöse, politische oder künstlerische Grenzen können
durch den Griff zum Hammer überschritten werden. Dabei entsteht eine
neue Sensibilität für das Setzen von Aktivität und es gelingt eine
Verbindung zwischen kollektivem und individuellem Gedächtnis.
Stellt die erste Version unter dem Titel „Painting to Hammer a Nail in“
aus dem Jahr 1966 eine Leinwand dar, in die vom Publikum Nägel
eingeschlagen werden sollten, so zielt Ono in der Cross Version auf das
Erinnern ab, auf die Verbindung von individuellem und kollektivem
Gedächtnis, sie befasst sich mit Zeit und der Frage nach Existenz. Man
ist erinnert an Golgotha, an das Kreuz als christliches Sinnbild der
Wiederauferstehung, aber auch an die persönliche und liberale Herkunft
Yoko Onos als Kind eines Vaters, der von sich sagte, er sei ein Christ,
ohne einer Kirche anzugehören.
Yoko Ono - Painting to Hammer a Nail In / Cross Version, 2005 (1990,
1999, 2000)
Diese Skulptur ist starr und doch in Bewegung: Das Loch verschiebt sich
vom oberen Rand der ersten Kurve bis zum unteren der fünften und
letzten und deutet so eine imaginäre Bewegung an. Darauf könnte auch
der Titel Bezug nehmen, heißt doch „to perambulate“ (engl.) im
Deutschen auch „durch etwas reisen/gehen“. Es wird eine Rotation
dargestellt, die das als Maschine anmutende Objekt optisch nach vorne
rollen lässt. Durch die projizierte Bewegungsübertragung von einem
„Maschinenteil“ auf den nächsten wird diese Vorstellung zusätzlich
angetrieben.
Die Skulptur „Perambulator“ von Karin Hazelwander wirkt wie eine
Anordnung, die eine Funktion haben könnte. Offenbar ist sie als „stark
Spazierengehende“ (perambulare lat.) gedacht, als eine Spaziermaschine.
Aus jüngeren skulpturalen Arbeiten von Hazelwander lässt sich
schließen, dass sie sich für den Simulator interessiert, für den
Apparat, auf den ästhetische Projektionen auftreffen. Die Serialität
der Teile, die die Gestalt einer dynamische Kurve haben, erinnert an
maschinische Konstruktionsweisen, die die Kraft über rotierende Platten
wirken lassen.
Karin Hazelwander, Perambulator, 1993
Zwei Metalleimer, die mit der Hohlseite auf einer roten Metallplatte
fixiert wurden, sind die Grundelemente dieser Skulptur. Diese Eimer
sind grundsätzlich benützbare Gebrauchsgegenstände, die jedoch,
herausgelöst aus ihrem ursprünglichen Kontext, unbrauchbar gemacht
wurden und sich nun als abstrakte geometrische Elemente vom Objekt- zum
Skulpturenstatus wandeln. Im Objektstatus der Gegenstandswelt stehen
Eimer normalerweise auf dem Boden. Wurm verändert die
Präsentationsform, indem er die Bodenplatte aufklappt und die
Sichtweise von einer Boden- zu einer Wandskulptur kippt.
In Erwin Wurms Outdoor-Skulptur-Bunker im Österreichischen
Skulpturenpark, die wie eine abstrakte Wandskulptur aussieht, bilden
zwei Metalleimer, die mit der Hohlseite auf einer roten Metallplatte
fixiert wurden, die Grundelemente. Von dieser Arbeit lassen sich die
dialektischen Traditionslinien des Objektbegriffs der Avantgarde des
20. Jahrhunderts von Duchamps Readymades bis zu den Objets trouvés der
Surrealisten zurückverfolgen.
Diese beiden Eimer sind grundsätzlich benützbare Gebrauchsgegenstände,
die jedoch, herausgelöst aus ihrem ursprünglichen Kontext, unbrauchbar
gemacht wurden und nun als abstrakte geometrische Skulpturelemente sich
vom Objekt- zum Skulpturenstatus rückverwandeln.
Erwin Wurm, Bunker, 1987
Gironcoli begreift seine monumentalen Arbeiten als Organismen, die
Prozesse wie Werden und Vergehen oder Leben und Tod widerspiegeln. In
der Gegenüberstellung von Elementen des Lebens mit maschinenartigen,
technoiden Strukturen verweist diese Skulptur auf die starre
Unerbittlichkeit sozialer und wirtschaftlicher Vorgänge. Scheinbar
natürlich Gewachsenes trifft auf strenge Struktur, Menschliches auf
Maschinelles, sodass eine Spannung entsteht, die diesem Objekt etwas
Lebendiges verleiht. Es scheint, als ob es sich im nächsten Augenblick
in Bewegung setzen könnte.
Bruno Gironcoli, o. T., 1995/96
Ende der 1970er-Jahre begann Bruno Gironcoli jene monumentalen
Plastiken zu entwerfen, die für sein Schaffen bezeichnend wurden und
die ihre typische Erscheinung einer gleichermaßen differenzierten wie
ambivalenten Struktur verdanken – einer hybriden Mischung
verschiedenartigster Elemente, in der Vegetabiles neben streng
Geometrischem, Anthropomorphes neben Apparativem erwächst und welche
diesen mächtigen Gebilden ihr technoid-biomorphes Aussehen verleiht.
Trotz der auffälligen Nähe seiner Formenwelt zu realen Dingen sieht
Gironcoli in all diesen Elementen zuerst die bildhauerische Idee, den
formalästhetischen Gedanken abseits konventioneller Bedeutungen. In der
Folge jedoch ist es nicht allein das Objekthafte, was uns diese
Arbeiten zu vermitteln suchen.
Zum Wesen des Österreichischen
Skulpturenparks
Wenn Skulptur und Natur in Verbindung treten, reagieren sie
aufeinander. Es entwickelt sich eine Wechselbeziehung, die im Laufe der
Zeit eine sich permanent ändernde Geschichte erzählt. Im Garten als vom
Menschen gestaltete Natur sind wir im Österreichischen Skulpturenpark
speziell dazu eingeladen, mit in die Landschaft eingefügten Skulpturen
in Dialog zu treten. Wir treffen auf zeitgenössische Skulptur, von
abstrakter Bildhauerei bis zu gefundenen oder verdichteten
Objekten.Manche Arbeiten integrieren Licht, Schatten, Wasser oder Luft,
entwickeln sich im Wachsen oder interagieren mit uns.
Zwei ineinander übergehende Teile des
Parks
Im Berggarten befinden wir uns
in einem Schotterabbaugebiet, aus dem Badeteiche entstanden sind und
eine groß angelegte Freizeitanlage realisiert wurde. Der
Landschaftsarchitekt Dieter Kienast umrahmte den Park mit einem vier
Meter hohen Rasenwall, der diesen schutzgebend einfasst. Wir betreten
außergewöhnliches und einmaliges Terrain, in dem wir Graspyramiden, die
die Landschaft konturieren, einen geometrisch angelegten Seerosenteich
mit Lilienbewuchs und ein punktuell bespielbares Café, Kirschbäume,
Lavendelbeete oder durch Bambus strukturierte Rasenstücke finden. Neue
Blickachsen werden ebenso eröffnet wie das Spiel zwischen Erweiterung
und Zurückgezogenheit. Besondere Pflanzen wie Frauenmantel, Hyazinthen,
Narzissen, Tulpen oder eine Linde erweitern duftend und in ständigem
Farbwechsel unsere Umgebungswahrnehmung.
Im Fasangarten zitiert Kienast
die Geschichte der Gartenbaukunst seit der Antike und inszeniert bei
gleichzeitiger Reflexion auf den Minimalismus der 1960er-Jahre
spezielle Gartenräume. So öffnet sich, umgeben von hohen Buchenhecken,
ein in sich ruhender, einzigartiger Lotosblütenteich mit kontemplativem
Inselmittelpunkt als Referenz auf die altägyptische Gartenanlagenkunst.
In deren Zentrum können wir auf der einen Baum umschließenden
Möbelskulptur von Peter Kogler verweilen und in Kontakt mit Kunst und
Natur treten.
Diesem Teil folgt eine sich verjüngend ansteigende Treppenkonstruktion,
die Himmelstreppe, als Verweis auf unsere Verbindung zu Zonen außerhalb
der Erde und die Wirkkraft der Erfindung der Zentralperspektive in der
Renaissance. Hier finden wir Skulpturen, die in der Auseinandersetzung
mit dem Körper, körperlichen Veränderlichkeiten, Verschiebungen und
Perspektivenwechseln entstanden.
Ab den 1940er-Jahren beschäftigte sich Leinfellner mit dem Motiv
liegender bzw. ruhender Figuren, einem geradezu klassischen Thema der
Kunst seit der Antike. Die große Ruhende setzt sich aus grob behauenen,
vereinfachten Einzelformen zusammen, welche sich jedoch in der präzisen
Erfassung der gelösten Körperhaltung wie selbstverständlich zu einem
natürlichen Ganzen verbinden. Arme, Beine, Rumpf und Kopf weisen in
verschiedene Richtungen und sind dadurch Teil einer ausgewogenen
Komposition, womit Kunst- und Naturform eine perfekte Synthese ergeben.
Heinz Leinfellner, Die große Ruhende, 1964/65
Mit Beginn der 1990er-Jahre beschäftigt sich Hans Kupelwieser mit
pneumatischen Skulpturen, die er Gonflables nennt. Aus einer 1994
entwickelten Serie fand eine der aufgeblasenen Aluminiumskulpturen
ihren definitiven Standort im Skulpturenpark.
Der Entstehungsprozess unterliegt einem Zufallsprinzip, da die
Skulpturen, wie schon der Titel verrät, ihre Form erhalten, wenn unter
höchstem Druck speziell verschweißte dünne Alubleche aufgeblasen
werden. Das Resultat ist immer ein anderes, je nach Luftdruck verformen
sich die Bleche und bilden verschiedene Oberflächenstrukturen mit
Einbuchtungen, Falten und Graten aus. Sie funktionieren als
geschlossenes Boden- oder als begehbares Wandobjekt wie in seiner
Installation „Blase in die Ecke“, als er 2004 in der Neuen Galerie Graz
im Hof des Gebäudes eine Metallblase montierte, die zu schweben schien.
Das von Kupelwieser verwendete Material Aluminium führt zur Reflexion
historischer Positionen, wie z. B. Andy Warhols Silver Clouds von 1966,
jene mit Helium gefüllten metallisierenden Polyesterfolien, die wie
Silberwolken durch den Ausstellungsraum der New Yorker Leo Castelli
Gallery flogen oder die pneumatischen Objekte aus transparenten
PVC-Hüllen, wie sie von österreichischen Künstlern und Architekten in
den 1960er-Jahren wie Hans Hollein, Walter Pichler oder Hausrucker – Co
als futuristisches Wohndesign entwickelt wurden.
Hans Kupelwieser, Gonflable 6, 2002
Herbert Boeckl war in erster Linie Maler und gilt als einer der
wichtigsten Vertreter des Österreichischen Expressionismus. Neben
Atlantis ist nur eine weitere Skulptur – die Bronze „Springendes
Pferd“, 1929 – von ihm bekannt. In den 1930er-Jahren hatte Boeckl
bereits einen prominenten Platz in der nationalen Kunstszene inne. Ab
1935 wirkte er als Professor an der Akademie der bildenden Künste Wien,
wo er ab 1938 den legendären „Abendakt“ leitete und einer großen Zahl
von Schülern ein einflussreicher Lehrer wurde.
Für die Bronzeplastik Atlantis, die er ursprünglich in Wachs modelliert
hatte, orientierte sich Boeckl stärker an den Gestaltungsprinzipien der
Malerei als an jenen der Plastik. Die Figur ist in ihrer Stellung mit
dem „Sitzenden gelben Akt mit Maske“ von 1935 verwandt. Während der Akt
auf dem Gemälde sich jedoch entspannt an die Kissen lehnt, fehlen der
Skulptur die stützenden Elemente. Durch die zurückgelehnte Haltung
gerät sie in ein labiles Gleichgewicht, Spannung und Unsicherheit
entstehen. Auch die raue Oberfläche mit dem auf ihr spielenden Licht
steht in enger Beziehung zur Malerei. Vergleicht man Atlantis mit den
gleichzeitigen Heroenfiguren der NS-Kunst, wird Boeckls Distanz zu
dieser Art der Idealisierung und sein Anspruch auf Vermittlung einer
anderen Realität bewusst.
Herbert Boeckl, Atlantis, 1940–1944
Ein Sprungbrett ist nicht wie gewöhnlich vor einem Schwimmbecken
positioniert, sondern spiegelbildlich in einen blau ausgestrichenen
Pool versenkt. Überraschenderweise erweckt das denselben
perspektivischen Eindruck, als würde man das Brett von unten sehen. In
der Op-Art (Optische Kunst) stößt man seit den 1960er-Jahren auf
ähnliche spontane Wahrnehmungstäuschungen, die das menschliche Sehen
als aktiven Sinnesvorgang erkennbar machen. Das Gehirn versucht den
Eindruck sinnvoll zu interpretieren, was allerdings nicht zu gelingen
scheint.
Als Vertreter einer jüngeren Generation von Künstlerinnen und
Künstlern, die sich mit dem Begriff Skulptur auseinandersetzen, führt
er mit ebenso einfachen wie eindringlichen Mitteln vor, wie leicht man
Gesehenes „missverstehen“ kann. Physikalische Gesetzmäßigkeiten
wörtlich genommen oder Perspektivenänderungen führen dabei oft zu
verblüffenden Wahrnehmungswechseln.
So auch in seiner Arbeit -3 m Brett. Ein Sprungbrett wird dabei nicht
vor ein Schwimmbecken positioniert, sondern spiegelbildlich in einen
blau ausgestrichenen Pool versenkt. Man hat überraschenderweise
denselben perspektivischen Eindruck, als würde man das Brett von unten
sehen. Die dreidimensionale Anordnung wird zum Vexierbild – zu einem
Bild, das durch spezielle Konstruktion aus verschiedenen
Blickrichtungen unterschiedliche Bildinhalte vermittelt. Eine
multistabile Wahrnehmung tritt beim Betrachter auf.
Markus Wilfling, -3m Brett, 2004
Für diese Skulptur wurde ein Findling – ein großer Bruchstein aus einem
Steinbruch – durch einen technisch aufwendigen Prozess in einen
Stahlmantel eingeschweißt. Der Mantel schmiegt sich an die Höhen und
Tiefen des Steins, sodass das Objekt als Gesamtes beinahe an ein
Schmuckstück erinnert. Krenn ist sich des schönen Scheins bewusst, mit
dessen Hilfe er die Gegensätze von gefundener (natürlicher) und
geschaffener (kultureller) Form aufeinanderprallen lässt. Fragen nach
dem Verhältnis zwischen Natur und Zivilisation werden aufgeworfen und
der beherrschende Eingriff des Menschen in das „Natürliche“ wird
thematisiert.
In einer Reihe von sowohl klein als auch groß dimensionierten
Skulpturen verleiht Othmar Krenn seiner Vorstellung von einem
Dualitätsprinzip, das er immer wieder mit unterschiedlichen Materialien
und konzeptuellen Ansätzen umkreist, Ausdruck.
Im Zentrum dieser Werkserie steht die mehrfach variierte Konfrontation
von Stein und Metall, die in verschiedenen Typologien vorhanden ist:
Steinummantelungen, Steinrasterungen, Scheiben- und Kegelsteine. Diese
auf einer immer wieder reflektierten Grundidee basierenden
variantenreichen Gestaltungen setzen sich auf den ersten Blick die
Verbindung von Natur und Zivilisation zum Ziel.
Othmar Krenn, Teilummantelung, 1995
Punktuell wird im Park mit mehr als 75 permanenten und jährlich
temporären Arbeiten die Geschichte der Skulptur seit der klassischen
Moderne gezeigt, verhandelt und weiterentwickelt. Klassische
Materialien wie Stein, Bronze oder Marmor finden hier ebenso Verwendung
wie Beton, Glas, Kunststoff, Styropor, Spiegel, Stahl, Schrottteile
oder Watte. Von der anthropomorphen Plastik über die Erweiterung zur
Möbelskulptur und damit Eingliederung in die Arbeitswelt bis zu
konzeptuellen und computergenerierten oder sprachlichen Arbeiten reicht
die Palette.
Dieses Labyrinth ist ein offener gläserner Riesenkasten, der den
Ausblick auf die Umgebung zulässt. Der Blick haftet auf dem Glas,
während man zugleich das Bild der Landschaft wahrnimmt. Das Glas wirkt
wie ein Schirm, der das Sehen einfängt, ein Bildschirm, der die Welt
präsentiert, allerdings zum Preis der Trennung und Distanz von ihr. Die
Bezeichnung Labyrinth macht deutlich, dass etwas weit offenstehendes
Sichtbares nicht weniger geheimnisvoll ist als etwas Verdecktes oder
Verstecktes. Ausgangspunkte für diese Arbeit waren das architektonisch
angelegte Gartenlabyrinth sowie ein Irrgarten aus Buchen in nächster
Nähe.
Matta Wagnest, Labyrinth, 2005
In seinen überdimensionalen Aluminiumskulpturen behandelt Molacek die
Blüte der Rose elitär. Die Skulpturen sind in vier unterschiedlichen
Farben an öffentlichen Orten, in Parks und Gärten platziert. Die im
Bauerngarten befindliche schwarze Rose entfaltet ihre Wirkung im
Wechselspiel mit der sie umgebenden Natur, die sich ständig verändert.
Es geht Molacek nicht darum, die natürliche Schönheit einer Blume als
Landschaftsmaler abzubilden. Stattdessen soll etwas Fragiles und Feines
mit übertriebener Deutlichkeit und Überdimensionalität, ähnlich einem
Superstar in der Medienwelt, hervorgehoben werden.
Rudi Molacek, Rose, 1999
Das Kreuz ist in einer christlich dominierten Gesellschaft
unverwechselbares Sinnbild der Auferstehung Jesu. Mit dem Angebot,
selbst einen Nagel in eines der Kreuze zu schlagen, schafft Ono die
Möglichkeit, eine neue, aktive Rolle in diesem Vorgang der Kreuzigung
einzunehmen. Gleichzeitig werden wir dadurch Mittäter*innen.
Kulturelle, religiöse, politische oder künstlerische Grenzen können
durch den Griff zum Hammer überschritten werden. Dabei entsteht eine
neue Sensibilität für das Setzen von Aktivität und es gelingt eine
Verbindung zwischen kollektivem und individuellem Gedächtnis.
Yoko Ono, Painting to Hammer a Nail In / Cross Version, 2005 (1990,
1999, 2000)
Diese scheinbar auf der Erde schwebenden oder sich ausruhenden Zylinder
wirken ebenso leicht wie schwer. Das Material und die wuchtigen
Einfassungen stehen im Gegensatz zur Leere, die ein wichtiger
Bestandteil dieser dreiteiligen Skulptur ist: Leerer Raum wird durch
die transparenten Gitterstrukturen, die Hohlräume der Zylinder selbst
und die Räume zwischen den Objekten erfahrbar. Durch ihre einander
zugewandten Positionen werden die Einzelteile zu einem großen Ganzen,
das sich, je nach Perspektive der betrachtenden Person, stets neu
zusammensetzt, verdichtet und wieder ausdünnt.
Susana Solano, Ajuste en el Vacio, 1995/1996
watermusic wurde exklusiv für Graz realisiert: zuerst temporär für den
Schloßbergplatz und dann als Wasser-Haus im Seerosenteich des Parks.
Als Häuschen erinnert das äußere Erscheinungsbild an Einfamilienhäuser
außerhalb des Parks und beherbergt im Inneren die Welt von EVA &
ADELE. Dort zeigen drei Projektionen das Paar beim Winken, beim
Wassertreten und beim Wasserschöpfen, untermalt von einem den
Aktivitäten entsprechenden, beruhigenden Sound. Dieses Werk stellt
Fragen zu künstlerischer Kommunikation, Aspekten geschlechtlicher
Identitäten und Kunstmarketing.
Eva & Adele, watermusic, 2003/04
Wurm versieht ein echtes Auto mit einem Kunststoffüberzug unter Zusatz
von Polyester und verändert damit eine uns sehr vertraute Form durch
übertriebenes Volumen. Das Auto als Aushängeschild von Mobilität und
bedeutendes Statussymbol verliert seine natürlichen Proportionen, seine
Form und auch seine Funktionalität. Es wird nicht nur „fett“, sondern
wandelt sich von einem metallenen, harten Gebrauchsgegenstand zu einem
optisch weichen, surrealen Objekt. Das nun nicht mehr bewegliche
Fortbewegungsmittel scheint gewissermaßen zu zerfließen und begegnet
uns als groteskes und doch liebenswürdiges Monstrum.
Erwin Wurm, Fat Car, 2000/2001
Ein ehemaliger stählerner Wassersilo (11 m Länge, 4 m Durchmesser)
wurde vom Medienkünstler und Musiker Pinter neu interpretiert. Er
bildet die Grundstruktur dieser Skulptur. Acht integrierte
Basslautsprecher verwandeln den Silo in ein Musikinstrument. Die tiefen
Frequenzbereiche erzeugen Druckwellen, die den Sound nicht nur hörbar,
sondern auch körperlich spürbar machen. Auf einem externen Monitor sind
die Kompositionsdaten sichtbar. Als umgebautes Readymade verweist die
Arbeit aufgrund ihrer spezifischen physikalischen Gegebenheiten auf die
funktionelle Vielseitigkeit eines Objekts.
Michael Pinter, SUB/DC, 2003
Die große, halbkreisförmige Figur wirkt wie ein Schaufelrad mit Taschen
oder Fächern und einem leicht durchhängenden Boden. Schon Leonardo da
Vinci verwendete ein ähnliches Konzept für einen Schwimmbagger,
wie eine seiner Zeichnungen in der Sammlung Codex Atlanticus zeigt. Wie
eine unbequeme Leiter stellt sich uns Körperteil-Hürden als Hindernis
entgegen und wird zu einem „Gegen-Stand“ im wahrsten Sinne des Wortes.
Die Kompaktheit des Werks wird durch Farbe und Material besonders stark
zur Geltung gebracht.
Richard Fleissner, Körperteil-Hürden, 1994
Das 9 × 7 × 7 m große, schwabbelig und gleichzeitig monströs wirkende
Fat House thematisiert das Eigenheim als relativen Reichtum,
„Verfettung“ als Ergebnis unseres Konsums und die gegenseitige
Beeinflussung von Kunst, Architektur und Leben. Durch ein Video im
Inneren wird das Haus selbst zu einem liebenswerten Wesen, das eine
Geschichte zu erzählen hat. Zugleich wird deutlich, dass der Mensch und
die von ihm geschaffenen Gegenstände voneinander abhängig sind. Wurm
untersucht in seinen Arbeiten Materialität von der Leere bis zur
Überfülle, Größenverhältnisse und Verfremdungen von Alltagserfahrungen
und -dingen.
Erwin Wurm, Fat House, 2003
Für dieses Werk verwendet Zobernig sehr gebräuchliche und doch im
Alltag meist unsichtbare Fertigteile aus Beton und negiert dabei eine
persönliche künstlerische Handschrift. Diese Bausteinringe setzt er
übereinander, wodurch eine riesige Säule entsteht. Die Skulptur wird
bewusst nicht aufwendig oder schön gestaltet. So bleibt die
Aufmerksamkeit auf dem Material selbst und ermöglicht eine nüchterne
Sicht auf die Welt. Dadurch thematisiert der Künstler auch die Frage,
wo und wie die Grenzen zwischen Kunst- und Alltagsgegenständen zu
ziehen sind.
Heimo Zobernig, o. T., 2003
Die Ausschnitte der Stahlplatte sind standardisierte Symbole für
Elemente in Nassräumen. Auch eine menschliche Silhouette ist in
Kupelwiesers Badezimmer erkennbar. Dabei scheint es sich um ein
systematisches Verzeichnis von alltäglichen Badezimmer-Gegenständen zu
handeln, das wie der Code einer Sprache funktionieren kann. Der
Unterschied zwischen natürlich Gewachsenem (das weiche Gras in den
Leerstellen) und kulturell Geformtem (die vom harten Stahl begrenzten
Formen) wird sichtbar.
Hans Kupelwieser, Badezimmer, 1995/2003
Wem der viele Text zu lange war und lieber Bewegtbilder mit Musik mag,
kann sich gerne dieses Video antun: