Wallfahrtskirche Maria Straßengel

Mariä Namen, Mai 2023

Maria Straßengel zählt zu den bedeutendsten Kirchenbauten der österreichischen Hochgotik und ist in seiner Architektur unter anderem vom Wiener Stephansdom inspiriert. Die Scheiben der Kirchenfenster bilden zudem die größte Ansammlung mittelalterlicher Glasmalereien in der Steiermark.

 Wallfahrtskirche Maria Straßengel, Mai 2023

Die Wallfahrtskirche Maria Straßengel ist eine denkmalgeschützte römisch-katholische Expositur- und Wallfahrtskirche in der zur Marktgemeinde Gratwein-Straßengel gehörenden Ortschaft Judendorf-Straßengel in der Steiermark. Die auf Mariä Namen geweihte Kirche gehört zum Seelsorgeraum Rein der Region Steiermark Mitte in der Diözese Graz-Seckau.

 Wallfahrtskirche Maria Straßengel, Mai 2023

Wegmarken des Glaubens - Christusweg „Weg des Lebens“
Zur Einstimmung der Wallfahrer vor Betreten des Marienheiligtums am Berg wurden ost- und westseitig, vermutlich um die Mitte des 18. Jahrhunderts, insgesamt neun Pfeilerbildstöcke errichtet. Um 1970 plante man unter dem damaligen Seelsorger P. Dionys Pils eine höchst notwendige grundlegende Restaurierung der Bildstöcke. Dabei wurde eine Neugestaltung des gesamten Kreuzweges ins Auge gefasst. Über die übliche Gestaltung eines Kreuzweges hinaus, sollte ein „Weg des Lebens" entstehen. Mit der Gestaltung wurde der Straßengler Künstler Gottfried Johannes Höfler beauftragt. Er schuf insgesamt 49 Sandsteinreliefs und spannte mit den Darstellungen einen Bogen durch die Heilsgeschichte von der Erschaffung der Welt bis zur Auferstehung.

Gottfried Johannes Höfler (1934-2005) war in Straßengel wohnhaft und schuf als bildender Künstler nicht nur zahlreiche Kunstwerke, sondern zeichnete auch für wichtige Um- und Neugestaltungen sakraler und öffentlicher Räume verantwortlich. Die Arbeiten an den Kreuzwegbildern waren Ende 1974 fertiggestellt.

 Wallfahrtskirche Maria Straßengel, Mai 2023

Wegmarken des Glaubens - Christusweg „Weg des Lebens"
Bildstock der Sünde (Sandsteinreliefs von Gottfried Höfler 1934 - 2005)
... und wirft ihn in den Abgrund
Schlange - Symbol des Bösen
Hand, die nach der verbotenen Frucht greift
Brudermord - Kain erschlägt Abel

 Wallfahrtskirche Maria Straßengel, Mai 2023

Wegmarken des Glaubens - Christusweg „Weg des Lebens"
Bildstock der Erwartung und des Glaubens (Sandsteinreliefs von Gottfried Höfler 1934 - 2005)
Maria mit dem Fuß auf der Schlange - Sieg über das Böse
Maria tritt durch Empfängnis „aus ihrem Lebenskreis"
Jesus, als er im Tempel zum ersten Mal auftrat
Jesus auf Mariens Knien nach der Kreuzabnahme

 Wallfahrtskirche Maria Straßengel, Mai 2023

Wegmarken des Glaubens - Christusweg „Weg des Lebens"
Bildstock der Evangelisten (Sandsteinreliefs von Gottfried Höfler 1934-2005)
Matthäus - Antlitz des Sehers
Johannes - Adlerbild
Markus - Löwe
Lukas - Stier

 Wallfahrtskirche Maria Straßengel, Mai 2023

Wegmarken des Glaubens - Christusweg „Weg des Lebens"
Bildstock der Hände (Sandsteinreliefs von Gottfried Höfler 1934 - 2005)
Pilatus wäscht seine Hände in Unschuld
Jesu Hände werden ans Kreuz genagelt
Hände drücken Jesus die Dornenkrone aufs Haupt
Aus der Hand sind die Würfel gefallen

 Wallfahrtskirche Maria Straßengel, Mai 2023

Wegmarken des Glaubens - Christusweg „Weg des Lebens"
Bildstock der Erfüllung (Sandsteinreliefs von Gottfried Höfler 1934-2005)
Obere Reihe: Abendmahl, Ölbergszene, Verrat des Judas, Verspottung Jesu
Untere Reihe: Kreuztragen, Kreuzigung, Auferstehung, Szene mit dem „ungläubigen" Thomas

 Wallfahrtskirche Maria Straßengel, Mai 2023

Relief am Wasserbehälter - Gottfried Höfler (1934-2005) Straßengler Künstler
Viertel rechts oben: Aufgehende Sonne über dem Meer, „Es werde Licht" und Bedeutung des Wassers und der Sonne für das irdische Leben
Viertel rechts unten: Baum als Sinnbild für die Natur
Viertel links unten: Mensch als Krone der Schöpfung, weist mit einem Arm über seinen Lebenskreis hinaus
Viertel links oben: Streben nach Göttlichkeit. Die Endlichkeit des Strebens ist begrenzt, symbolisiert durch die Sanduhr.

 Wallfahrtskirche Maria Straßengel, Mai 2023

1757 wurde der Torbogen anlässlich der 600 Jahr-Feier mit einem Fresko für die Wallfahrer aus Nah und Fern versehen. Den Pilgern wurde die Legende des wundertätigen Wurzelkreuzes dadurch bildlich nähergebracht. Der Torbogen war ursprünglich mit Ornamenten und Voluten (schneckenförmige Verzierungen) reich bemalt, und stellte seit jeher einen Blickfang für die ankommenden Wallfahrer dar. Im Laufe der Jahrhunderte mussten, bedingt durch die Witterungseinflüsse, immer wieder Renovierungsarbeiten vorgenommen werden. Dadurch wurde auch das unansehnlich gewordene Bild mit einer Putzschicht überzogen, und darauf die Legende neu gemalt. Am rechten Bildrand ist noch ein kleines Stück eines früheren Freskos (vor 1757) ersichtlich. Es sind noch Ansätze einer Bischofsmütze und zweier Bischofsstäbe zu erkennen.

 Wallfahrtskirche Maria Straßengel, Mai 2023

Das restaurierte Bild
Die Madonna zu Füßen des legendären Tannenbaumes, darüber das Wurzelkreuz (das durch das Verhalten der Rinder von den Hirten gefunden wurde), den heiligen Geist und Gottvater. Links und rechts in den Wolken befindet sich der heilige Benedikt von Nursia und der heilige Bernhard von Clairvaux. Die beschädigte Stützmauer auf der linken Seite wurde zurückgesetzt, und dadurch konnte die zweite Schießscharte freigelegt werden. Durch diese aufwändigen Arbeiten konnte der wehrhafte Charakter des Torbogens wieder voll zur Geltung gebracht werden. Auf Initiative von Pfarrer P. Paulus Baumann fand die Restaurierung im Jahre 2002 von Brunhilde Meder statt. Die Finanzierung erfolgte, mit Spenden zum 25-jährigen Priesterjubiläum.

 Wallfahrtskirche Maria Straßengel, Mai 2023

Die „tönenden Engel" von Straßengel - Die drei Engel an der Kirchhofsmauer sind Teil des originalen Ensembles der Turmfiguren des 1366 vollendeten gotischen Turms.
Auf dem Turm stehen über den hohen Maßwerkfenstern acht lebensgroße Figuren -  sieben Engel und die Gottesmutter Maria. Drei dieser Engel sind durch Kopien ersetzt worden. Ihre Originale sind jetzt an der Kirchhofsmauer aufgestellt. Ein Engel hält ein Spruchband, ein anderer ein geöffnetes Buch. Der dritte Engel scheint eine Posaune vor der Brust zu halten. Auf dem Turm gibt es noch zwei weitere Engel, die ein Blasinstrument hielten, dazu einen Engel mit Spruchband und einen Engel mit vor der Brust gekreuzten Armen. Die ebenfalls durch eine Kopie ersetzte edle gotische Marienstatue steht heute in der Kirche und grüßt mit einem Segensgestus die Gläubigen beim Eintreten in die Kirche. Einzigartig sind die berühmten ehemals „tönenden Engel" mit ihren Blasinstrumenten. Der auf dem Berg allgegenwärtige Wind brachte durch eine Spezialvorrichtung diese Engel zum Tönen. Die Engel am Turm von Straßengel gemahnen an das Jüngste Gericht und rufen die Pilger zur inneren Umkehr auf. Die „tönenden Engel" sind als deutliche Warnung zu verstehen: Engel blasen die Posaunen des Gerichts.

 Wallfahrtskirche Maria Straßengel, Mai 2023

Wallfahrtskirche Maria Straßengel
1346-1366 Bau der gotischen Kirche
1455 Baubeginn der ca. 120 m langen Wehranlage zum Schutz vor Osmanengefahr
Spätgotisches Kirchhoftor, Glockenturm, Erweiterungen in der Barockzeit
1494 Bau des ehemaligen Propsteigebäudes, heute Pfarrhof
1582 Errichtung der Taverne („Kaisergebäu"), 1673 Nächtigung Kaiser Leopolds I.
17. Jh. Bau des „Prälatenhauses" (ehem. Neugebäude) mit spätgotischem Baukern
Seit 2007 „Steirisches Wahrzeichen"
1788 Entweihung und Abriss angedroht, 1789 abgewendet

 Wallfahrtskirche Maria Straßengel, Mai 2023

Die beiden Portale und ihre Tympanareliefs
Zwei Spitzbogenportale mit profiliertem Gewände und hohen Fialen führen in das Innere; ihre Tympanareliefs zählen zu den bedeutendsten Leistungen der Reliefkunst des 14. Jahrhunderts in Österreich.

Das Tympanonrelief des Südportals, das ebenfalls vom Meister des Verkündigungsreliefs stammt, zeigt in einer ergreifenden Schilderung die „Beweinung Christi" nach der Kreuzabnahme, wobei die Beweinungsszene mit dem Andachtsbild der Marienklage verbunden ist: Maria sitzt auf einer Bank und drückt in tiefem Schmerz mit beiden Händen den von der Todesstarre geprägten Körper ihres Sohnes an sich, während der kniende Joseph von Arimathia mit einem Tuch die Füße Christi vom Todesschweiß zu trocknen scheint; unter dem gegabelten Astkreuz - es ist dies ein Symbol des Lebensbaumes - stehen Johannes der Evangelist, Maria Salome und Maria Magdalena.

Beweinung Christi
Nach der Kreuzabnahme umarmt Maria den Körper ihres geliebten Sohnes. Joseph von Arimathia trocknet die Füße Jesu. Unter dem Astkreuz als Symbol des Lebensbaumes stehen als Begleiter Jesu der Evangelist Johannes, Maria Magdalena und Maria Salome. Darüber schweben drei Engel als trauernde Gottesboten: Der rechte weist mit dem aufgeschlagenen Buch auf die Erfüllung der Heiligen Schrift; das Weihrauchgefäß in seiner rechten Hand ist, wie der Rauchbehälter des linken Engels, ein Sinnbild des Opfers und Gebetes. Von erschütternder Ausdruckskraft ist der dritte Engel, der sein Antlitz weinend mit einem Tuch verhüllt. Der Totenschädel und die Gebeine vor dem Kreuzesstamm charakterisieren Golgatha.

 Wallfahrtskirche Maria Straßengel, Mai 2023

Der quadratische Querschnitt der Kirche zeigt einen Hallenraum, wobei das Mittelschiff gegenüber den Seitenschiffgewölben - wie in St. Stephan in Wien - leicht überhöht ist. Die Höhe des Mittelschiffs beträgt wie die des Dachstuhls 13,80 Meter, die Höhe der Pfeiler 9,12 Meter. Die Kirche weist im Mittelschiff eine Länge von 28 Metern und in den Seitenschiffen von 23,70 Metern auf; die Breite beträgt 12,60 Meter (Innenmaße). Den schmalen, aus vier hochrechteckigen Jochen gebildeten Seitenschiffen und dem breiteren, fünfjochigen Mittelschiff sind Chöre im 5/8-Schluss vorgesetzt, wodurch eine gestaffelte Chorpartie entsteht.

Diese Grundrisslösung mit drei polygonalen Apsiden, die Jochbildung und der gestaffelte Aufriss folgen dem Chor der Wiener Stephanskirche (1304/40). Die Last des Gewölbes mit den birnstabprofilierten Kreuzrippen wird im Mittelschiff auf vier kantonierte Pfeilerpaare, in den Seitenschiffen auf hochsitzende Konsolen und in den Chören auf Runddienste geleitet. Verstärkte Scheidbögen betonen die Trennung der Kirchenschiffe.

Die Bauplastik und ihre Motive: Die Kapitelle zeigen verschiedene Blattformen. Auch die Schlusssteine im Scheitel der Gewölberippen und die Wandkonsolen weisen analoge naturalistische Blattgestaltungen auf, wie Weinlaub, Efeublätter und Feigenlaub.

 Wallfahrtskirche Maria Straßengel, Mai 2023

Chor und Langhaus werden an der Ost- und Südseite durch Spitzbogenfenster belichtet; an der Nordwand wurden anläßlich der letzten Restaurierung die Fensterlaibungen des 3. und 4. Joches - das westliche mit originalem Maßwerk und ergänzten Pfosten - freigelegt, wodurch der ursprüngliche Charakter des Innenraumes spürbarer wird. Zu den hochgotischen Architekturformen kontrastieren die rundbogigen Arkadenreihen an den beiden Langhauswänden. Sie dienten als Akzentuierung ehemaliger Sitznischen für die Zisterziensermönche von Stift Rein. Die Empore geht in der vorliegenden Gestaltung auf das 15. Jahrhundert zurück. Vermutlich errichtete sich hier Kaiser Friedrich III. im Jahr 1455 gleichzeitig mit dem Kapellenanbau eine Art Herrschaftsempore; dabei wurden die hochgotische Empore mit einem Gratgewölbe unterfangen und die beiden die Empore berührenden Bündelpfeiler mit Arkadenbögen massiv verstärkt. Gleichzeitig vergrößerte man das Hauptportal und errichtete das profilierte Flachbogentor zur Empore.

Von der ursprünglichen Einrichtung aus der Bauzeit hat sich außer den Glasgemälden und dem Wurzelkreuz nichts mehr erhalten. Die bestehende Ausstattung wird vor allem bestimmt durch die mystisch-transzendente Licht- und Farbwirkung der Glasgemälde und durch die spätbarocken Einrichtungsgegenstände, wie Kanzel, Altar- und Kreuzwegbilder, und die einheitliche Spätbarockausstattung der Annakapelle, zu denen die neugotischen Altaraufbauten kontrastieren.

Besonders bemerkenswert sind die Glasgemälde der Chor- und Südfenster mit dem größten zusammenhängenden Bestand mittelalterlicher Glasmalereien in der Steiermark. 147 Rechteckscheiben und Maßwerkfelder sind hier an ihrem ursprünglichen Bestimmungsort erhalten geblieben. 25 Scheiben befinden sich in in- und ausländischen Museen. Der heutige Bestand der Straßengler Glasgemälde ist jedoch nur der Rest einer weit umfangreicheren Verglasung; ebenso wie der Chor, waren auch das Langhaus und die Fensterrose mit farbigen Bildfenstern aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts ausgestattet. In den Jahren 1884/1885 erfolgte eine Restaurierung, Ergänzung und Neuordnung durch die Tiroler Glasmalereianstalt NEUHAUSER aus Innsbruck, auf die die vorhandene ikonographische Anordnung zurückgeht. Zuletzt wurden die Glasfenster in den Jahren 1972 bis 1978 in den Werkstätten des Bundesdenkmalamtes restauriert und gleichzeitig, zum Schutz gegen Korrosion und Verwitterung, eine Außenschutzverglasung angebracht. Als Programm kann man Szenen aus dem Alten Testament, marianische und christologische Themen, Darstellungen der Erzengel und Evangelisten sowie Apostel-, Propheten- und Heiligenserien rekonstruieren.

 Wallfahrtskirche Maria Straßengel, Mai 2023

Die jetzige, 1995 vom Orgelbaumeister MARTIN PFLÜGER aus Feldkirch (Vorarlberg) erbaute Orgel mit einem in die Emporenbrüstung eingefügten Rückpositiv besitzt 30 Register auf 3 Manualen und Pedal. Es ist eine rein mechanische Orgel mit 1868 Pfeifen aus Metall und Holz.

Die vierzehn Kreuzwegbilder (1775) wurden 1979 von der obersteirischen Pfarr-und Wallfahrtskirche Kumitzberg erworben.

 Wallfahrtskirche Maria Straßengel, Mai 2023

Die neben der Schmerzhaften-Muttergottes-Kapelle gelegene Annakapelle ist ein rechteckiger Raum mit Kuppelgewölbe und Laterne, der von Rechteckfenstern und einem ovalen Fenster belichtet wird und sich mit einer Korbbogenarkade zum Langhaus öffnet. Da in Straßengel bereits 1667 eine Anna-Bruderschaft gegründet wurde, ist die Errichtung der Kapelle zumindest im vierten Viertel des 17. Jahrhunderts anzunehmen. Bemerkenswert ist die einheitliche Barockeinrichtung: An den Pfeilern der Eingangswand sind zwei leuchterhaltende Engel auf Konsolen mit der Inschrift „Bruederschafft 16"/„S. Anna 67" postiert, die auf das Gründungsjahr verweisen und von der ursprünglichen Ausstattung der Annakapelle stammen.

 Wallfahrtskirche Maria Straßengel, Mai 2023

Das Ölbild des Johannes-Nepomuk-Altares im Südchor stellt den hl. Johannes von Nepomuk im Gebet vor der Muttergottes von Altbunzlau dar, zu der er vor seinem Tod wallfahrtete, um ihr seine Sterbestunde anzuempfehlen. Der Kleriker der Prager Diözese, der 1393 sein Martyrium durch Ertränkung in der Moldau erlitt, wurde insbesondere als Bewahrer des Beichtgeheimnisses und als Brücken- und Wegeheiliger verehrt.

 Wallfahrtskirche Maria Straßengel, Mai 2023

Die dem Grazer Bildhauer JAKOB PEYER Zugeschriebene Kanzel wurde ebenfalls anläßlich der Neuausstattung von 1779/1781 errichtet. Auf dem Schalldach wird durch die Darstellung des Wurzelkreuzes auf eine der beiden Straßengler Gründungslegenden hingewiesen.

 Wallfahrtskirche Maria Straßengel, Mai 2023

Die drei spätbarocken Altäre wurden 1884/85 durch neue Retabel im neugotischen Stil ersetzt, deren Entwürfe vom Grazer Architekten ROBERT MIKOVICS stammen. Der aus Marmor von der Steinmetzanstalt GREIN ausgeführte Hochaltar enthält im Auszug eine Kopie des spätgotischen Mariengnadenbildes mit der Darstellung der „Maria im Ährenkleid". Das um 1420/1425 gemalte Tafelbild wurde 1976 gestohlen und ist 1978 durch eine von GOTTFRIED HÖFLER gemalte Kopie ersetzt worden.

Ährenkleid-Madonna
Die Darstellung der „Maria im Ährenkleid", die Maria als jugendliche Tempeljungfrau mit dunkelblauem, mit goldenen Ähren verzierten Kleid wiedergibt, wurzelt in der theologischen Auffassung, dass Maria die Gnadenähre ist, die den Weizen Christi gibt und ihn in der Eucharistie darstellt. Nach Überlieferung der Apokryphen weilte Maria als Kind im Tempel von Jerusalem, wo sie Gott in tugendhafter Weise als Tempeljungfrau diente. Der Legende nach strickten die Tempeljungfrauen das Ährenkleid für Maria. Das im 15. Jahrhundert häufig dargestellte Thema geht zurück auf das ehemalige Gnadenbild im Dom von Mailand, eine von deutschen Handelsleuten im 14. Jahrhundert gestiftete Silberstatue. Maria im Ährenkleid nimmt möglicherweise auch Bezug zu den Worten im Hohenlied (HL 7, 3), mit denen sich der Bräutigam (Christus) an seine Braut (Kirche) wendet: „Dein Leib ist ein Weizenhügel mit Lilien umstellt". Die Ähren wurden im Mittelalter als Anspielung auf die Eucharistie verstanden, das Weizenkorn galt als Symbol Christi.

 Wallfahrtskirche Maria Straßengel, Mai 2023

Die beiden neugotischen Holzretabel in den Nebenchören enthalten als Reste der spätbarocken Seitenaltäre deren Mensen und die Altarblätter (1781) von MARTIN JOHANN SCHMIDT („Kremser Schmidt").
Das Ölgemälde des Sebastian-Altares im Nordchor zeigt die Pflege des römischen Märtyrers aus der diokletianischen Christenverfolgung nach seiner erlittenen Durchpfeilung, wobei die hl. Irene von Rom die Pfeile aus seinem Körper zieht. Der Heilige galt seit dem 7. Jahrhundert als Pestpatron für Mensch und Tier.

 Wallfahrtskirche Maria Straßengel, Mai 2023

Der Anna-Altar wurde 1723 unter Abt Placidus Mally aufgestellt; die Stuckmarmorierarbeiten fertigte JOHANN CHRISTOPH CRASSBERGER aus Graz an. Im Zentrum befindet sich das plastische Bildwerk der Anna selbdritt; es ist dies eine ikonographische Darstellung, in der die hl. Anna ihre Tochter Maria und das Jesuskind auf ihren Armen hält. Als Seitenfiguren fungieren der hl. Joachim, der Gemahl Annas, mit Hirtenschippe und zwei Opfertauben und der hl. Joseph, der Gatte Mariens. Offensichtlich ist im Rahmen der Neuausstattung von 1779/81 auch der Anna-Altar „modernisiert" worden und erhielt vermutlich von JAKOB PEYER die Anna-selbdritt-Gruppe, den dekorativen Baldachin und den Tabernakelaufbau mit Reliquienpartikeln der Heiligen Felicissimus, Gangolph, Irenäus, Marcian, Placidus, Quirinus, Stephanus, Theodorich und Theresia.

 Wallfahrtskirche Maria Straßengel, Mai 2023

Das Gewölbefresko ist aus stilistischen Gründen dem ab 1738 im Stift Rein tätigen Trientiner Maler JOSEPH AMONTE (gest. 1753) zuzuschreiben. Das um 1750 gemalte Fresko zeigt die figurenreiche Wiedergabe der „Heiligen Sippe" (die große Familie Christi und Mariens), die auf die apokryphe Erzählung von der dreimaligen Heirat der Mutter Anna, der sogenannten Trinubiumslegende, zurückgeht. Diese Darstellung aller Personen aus der „Dreiheirat" Annas ist insofern ikonographisch bemerkenswert, da die Trinubiumslegende durch das Konzil von Trient (1543/1563) verboten wurde. Das Straßengler Fresko ist somit eines der spätesten Zeugnisse dieses volkstümlich beliebten Bildmotivs.

Das Deckenfresko der Annakapelle zeigt die große Familie Christi und Mariens, die auf die apokryphe Erzählung (sog. Trinubiumslegende) von der dreimaligen Heirat der heiligen Anna, der Mutter Mariens, zurück geht. So sind auf den besonders im 15./16. Jh. beliebten Darstellungen der Hl. Sippe neben Maria und ihren Eltern Anna und Joachim meist auch die beiden anderen Männer der hl. Anna, Kleophas und Salomas, wiedergegeben, bisweilen auch die Töchter, Schwiegersöhne und Enkelkinder Annas. Ihre Töchter waren Maria, die Mutter Jesu, sowie Maria Kleophas (Cleophae) und Maria Salome. Die drei Frauen werden vielfach als die „drei Marien" bezeichnet (Frauen am Grabe).

 Wallfahrtskirche Maria Straßengel, Mai 2023

Von JOSEPH AMONTE stammt auch das große Ölgemälde (um 1752), das die Überbringung des ersten Gnadenbildes durch Markgraf Otakar III. im Jahr 1157 zeigt.

 Wallfahrtskirche Maria Straßengel, Mai 2023

Von der Ausstattung sind weiters zu nennen ein 1757 hier aufgestellter, spätbarocker verglaster Schrein mit den Gebeinen eines unbekannten Märtyrers, ein spätbarockes Gestühl und Votivbilder aus dem 19. Jahrhundert.

An der Westwand steht ein im dritten Viertel des 18. Jahrhunderts aus Holz geschnitzter und verglaster spätbarocker Reliquienschrein. In diesem Schrein ruhen seit dem 12. April 1757 die 1753 aus Rom hierher überbrachten sterblichen Überreste eines unbekannten Märtyrers, dem der Name Bonifatius gegeben wurde. Im Volksmund, aber auch laut einer Inschrift am Schrein werden die Gebeine fälschlicherweise als jene des heiligen Bonifatius von Tarsus angesehen.

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Schmerzhafte-Muttergottes-Kapelle
Der kleine tonnengewölbte Raum ist zum Langhaus rundbogig geöffnet und wird von einem schmalen Fenster belichtet. Durch das Tonnengewölbe wurde die Kapelle irrigerweise mit dem romanischen Vorgängerbau in Verbindung gebracht. Anläßlich der letzten Restaurierung konnte jedoch nachgewiesen werden, dass der gesamte Anbau „in einem Guß" erfolgte. Vermutlich wurde im 17. Jahrhundert dieser Raum zum Heiligen Grab umfunktioniert, auf das auch das um 1740/1750 gemalte Auferstehungsfresko (2011 restauriert) - der auferstandene Christus mit der Siegesfahne und Grabwächter - an der Eingangswand Bezug nimmt.

 Wallfahrtskirche Maria Straßengel, Mai 2023

Der Mater-dolorosa-Altar (3. Viertel 17. Jahrhundert) zeigt als Altarbild eine Pietà. Zwei Engel, die ehemals Weihrauchbehälter hielten, als Seitenfiguren und eine Kreuzgruppe im Aufsatz bilden das Figurenensemble. Die Knorpelwerkkartusche am Gebälk enthält die Jahreszahl „1850" als Restaurierungshinweis. Erwähnenswert ist die neugotische Herz-Jesu-Statue.

 Wallfahrtskirche Maria Straßengel, Mai 2023

Der nach einem Entwurf von ROBERT MIKOVIcs verfertigte neugotische Marmor-Taufstein mit der Schnitzfigur des hl. Johannes des Täufers stammt aus dem Stift Rein.

 Wallfahrtskirche Maria Straßengel, Mai 2023

Das Tympanonrelief des Westportals zeigt die Darstellung der „Verkündigung an Maria". Maria kniet in einem „Raum", der durch einen mittels Fialen gerahmten Kielbogen, durch ein Betpult, eine Vase und ein Bücherkästchen angedeutet ist. Die ungewöhnlich großen Flügel des Erzengels Gabriel füllen den linken Bildteil, das S-förmige Spruchband verbindet die beiden Reliefhälften. Symbolische Hinweise bereichern die Szene. Die Siebenzahl der Bücher kennzeichnet Maria „als Meisterin in allen sieben freien Künsten" und als Besitzerin der sieben Gaben des Heiligen Geistes; die heilige Siebenzahl tritt auch in zweimaliger Anordnung am Maßwerkfries oberhalb des Türsturzes auf. Die Lilie in der Vase verweist wie das Tuch auf dem Betpult auf die Reinheit und die Jungfräulichkeit Mariens.

Verkündigung an Maria
Die als königliche Braut gekrönte Jungfrau kniet vor dem Betpult mit dem aufgeschlagenen Psalter. Sie empfängt zugleich mit der Botschaft des Engels den Heiligen Geist und das Jesuskind, das aus dem Mund Gottvaters herabgesendet wird; diese Darstellung symbolisiert eindrucksvoll die Stelle der Heiligen Schrift, „Und das Wort (Gottes) ist Fleisch geworden..." (Joh 1,14).

 Wallfahrtskirche Maria Straßengel, Mai 2023

Die Wallfahrtskirche Maria Straßengel ist eine Hochleistung gotischer Sakralarchitektur in Österreich. In der Konzeption des Hallenraumes und der gestaffelten Chorpartie wurden Baugedanken aufgegriffen, die sowohl in den Hallenkirchen der Zisterzienser als auch in der Albertinischen Choranlage von St. Stephan in Wien vorliegen. Ein Anschluss an die Wiener Bauhütte ist auch in der Gestaltung des durchbrochenen Turmhelmes, in den vielfältigen Maßwerkformen und in den von der „Herzogswerkstätte" beeinflussten Glasgemälden gegeben.
Das vielschichtige bauplastische Programm wurde im Zisterzienserstift Rein entwickelt und ist eine Dokumentation des sakralen und imperialen Wirkens dieses Klosters. Bedeutende Ereignisse in der wechselvollen Geschichte der Steiermark stehen in Verbindung mit diesem Stift und der Wallfahrtskirche: Der Traungauer Markgraf Leopold I. berief 1129 die ersten Zisterzienser hierher, 1157 gründete sein Sohn Markgraf Otakar III. zusammen mit dem Kloster die Gnadenstätte Maria Straßengel, und 1276 trugen steirische Adelige im „Reiner Schwur" entscheidend zur politischen Konsolidierung Rudolfs I. von Habsburg in der Steiermark bei. Die enge Bindung des Hauses Habsburg an das Stift Rein und an Straßengel zeigt sich in Bestätigungen von Reiner Privilegien und in Stiftungen für die Wallfahrtskirche durch Herzog Rudolf IV. und weiters in der Wahl der Reiner Stiftskirche als Grablege Herzog Ernsts des Eisernen von Innerösterreich. Auch sein Sohn, Kaiser Friedrich III., folgte dieser Tradition und errichtete in der Straßengler Wallfahrtskirche eine Kapelle und eine „Herrschaftsempore".

 Wallfahrtskirche Maria Straßengel, Mai 2023

Im Kirchhof befinden sich ein von ALFRED SCHLOSSER gemeißelter Kunststeinbrunnen mit der Reliefdarstellung der „Ährenkleidmadonna" und eine von der Marktgemeinde Judendorf-Straßengel errichtete Stele zur Erinnerung an den 1789 verhinderten Abbruch der Wallfahrtskirche.

DEN MUTIGEN BÜRGERN DIE VOR 200 JAHREN 1788 DEN ABBRUCH DER KIRCHE VERHINDERT HABEN
GEWIDMET VON DER MARKTGEMEINDE JUDENDORF-STRASSENGEL

 Wallfahrtskirche Maria Straßengel, Mai 2023

Die Wehranlage, unter Abt Molitor um 1455 errichtet, gehört mit ihrer Längenausdehnung von über 120 Metern zu den größten ihrer Art in Österreich. Die 4,5 Meter hohe Ummauerung des Vorkirchhofes wird von Schlüsselschießscharten durchbrochen. Das spätgotische Kirchhoftor mit seitlichen Schießscharten weist eine Freskomalerei mit Darstellungen des Wurzelkreuzes, der Ährenkleidmadonna, der Heiligen Benedikt und Bernhard und des Reiner Stiftswappens aus dem Jahr 1757 (restauriert 2002 von BRUNDHILDE MEDER).

 Wallfahrtskirche Maria Straßengel, Mai 2023

Beginn der Wallfahrt
Die erste archivalische Nennung einer Kapelle in Straßengel findet sich in einer Urkunde aus dem Jahr 1208 des Erzbischofs Eberhard II. von Salzburg. Die Anfänge der Wallfahrten und das Bestehen einer Kapelle kann jedoch mit Sicherheit bereits um die Mitte des 12. Jahrhunderts angenommen werden. Nach der Legende schenkte Markgraf Otakar III. im Jahr 1157 dem Kloster Rein ein Marienbild, das er von der „heiligen Wallfahrt aus Palästina" mitbrachte, mit der Auflage, das Bild in Straßengel zur öffentlichen Verehrung aufzustellen.

Das Stift Rein betrachtet das Jahr 1158 als Gründungsjahr und feierte im Jahr 1858 das siebenhundertjährige Jubiläum der Stiftung. Da jedoch der Typus des originalen, um 1420/1425 gemalten Mariengnadenbildes - eine „Maria-im-Ährenkleid"-Darstellung - am Ende des 14. Jahrhunderts ausgebildet wurde, lässt es sich nicht mit dem ersten Marienbild in Verbindung bringen, das vermutlich zugrunde gegangen ist. Der zweite Verehrungsgegenstand der Wallfahrtskirche ist ein im Jahr 1255 gefundenes kleines Wurzelkruzifix. Der Legende nach fanden es Hirten in einer Tanne vor der Straßengler Kapelle. Das Kruzifix (Höhe 18,5 cm) weist realistische Züge auf, die Haupt- und Barthaare sind aus zarten Wurzelfasern gebildet. Pflanzenphysiologische Untersuchungen erbrachten den Nachweis, dass am Kruzifix keine Einwirkungen eines Schnitzmessers vorliegen. Das in einem silbernen Standkreuz gefasste Kruzifix wurde 1976 zusammen mit dem Mariengnadenbild gestohlen, konnte jedoch unmittelbar danach wieder aufgefunden werden. Es wird vermutet, dass die erste hölzerne Kapelle im 13. Jahrhundert vergrößert bzw. in Stein neu erbaut wurde.

 Wallfahrtskirche Maria Straßengel, Mai 2023

Die Wallfahrtskirche Maria Straßengel, die zu den bedeutendsten Sakralbauten der Hochgotik in Österreich zählt, wurde weithin sichtbar auf einem in das Gratweiner Becken vorspringenden Hügel errichtet. Dieser auch Frauenkogel genannte Hügel zwischen Judendorf und Straßengel diente vermutlich als Wehranlage für die ehemalige slawische Bevölkerung. Für eine ursprüngliche slawische Besiedelung spricht auch der Ortsname „Straßengel", das im Jahr 860 „strazinola" genannt wird, was sich aus dem Slawischen „strazilna" (kleine Warte) oder „straza" (Warte) ableitet. Die Gegend muss in dieser Zeit von großer Bedeutung gewesen sein, da „zwei Örter" bei Straßengel in einem Majestätsbrief König Ludwigs des Deutschen vom 20. November 860 angeführt sind. Über Verfügung vom 8. Juni 1147 des Traungauer Markgrafen Otakar III. von Steiermark, Sohn Leopolds des Starken, des Stifters des Zisterzienserklosters Rein, und Sophie von Bayern, gelangte Straßengel an das Kloster Rein.

 Wallfahrtskirche Maria Straßengel, Mai 2023