Wieselburg

an der Erlauf, Juni 2023

Wieselburg im Bezirk Scheibbs liegt im Mostviertel in Niederösterreich. Die Stadtgemeinde liegt am Zusammenfluss der Kleinen und der Großen Erlauf. Die katholische Pfarrkirche Wieselburg hl. Ulrich entstand um 993. Historische Bedeutung hat vor allem das Wieselburger Oktogon, eines der bedeutendsten Bauwerke der Babenberger Zeit.

Am 20. Oktober 1877 fuhr der erste Zug mit einer Geschwindigkeit von 12 Stundenkilometern durch das Erlauftal. Die Bahnhöfe waren blumengeschmückt und an den Stationen drängten sich die Menschen, um das dampfende Ungeheuer näher betrachten zu können – die erste Fahrt der Bahn gestaltete sich zu einem Volksfest, denn die Menschen hatten bis dahin noch nie einen Zug gesehen. Man befürchtete, dass es durch diese technische Neuerung zu zahlreichen Unfällen kommen könne, dass etwa durch die rasante Fahrt ein enormer Luftdruck aufgebaut würde, der die menschliche Lunge zum Platzen bringe.

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Das Wieselburger Marktschloss entstand im 13. Jahrhundert. Seine spätbarocke Erscheinungsform im josephinischen Plattenstil geht auf einen Umbau Anfang des 19. Jahrhunderts zurück. Im Jahr 1241 gelangte das Gebiet nördlich des Erlaufzwiesels über ein Tauschgeschäft in den Besitz des Bistums Passau. Im Laufe des 13. Jahrhunderts entstand dort am linken Erlaufufer die Siedlung Wieselburg, um einen Platz herum, der planmäßig angelegt wurde. In dieser Zeit wurde – unabhängig von den älteren Befestigungen am Kirchenberg – das Talschloss errichtet. Die Adeligen versuchten damals schon, in Wieselburg Fuß zu fassen, wurden aber zunächst noch mit Hilfe des österreichischen Landesfürsten abgewehrt. Spätestens im 15. Jahrhundert gingen das Schloss und damit auch die Gebietsherrschaft in weltliche Hände über. Aus dem 16. Jahrhundert gibt es Überlieferungen von Gerichtstagen im Schloss.

Das Museum für Ur- und Frühgeschichte wurde 1994 eröffnet. Anhand der Präsentation archäologischer Funde aus der Region Wieselburg werden die historischen Spuren von der Jungsteinzeit bis ins Mittelalter dokumentiert. Der Kern der Ausstellung ist die Sammlung des Heimatforschers Stefan Denk (1898-1958), der sich als erster mit der Ur- und Frühgeschichte des Erlauftales auseinandersetzte und im Jahr 1952 seine Sammlung der Stadtgemeinde Wieselburg übergab.

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Das Marktschloss - Die Grundsubstanz des Marktschlosses stammt aus dem 13. Jahrhundert. Im Laufe der Zeit wechselten mehrmals die adeligen Besitzer. 1790 wurde das Marktschloss im josefinischen Plattenstil umgestaltet. Aus dieser Zeit stammt auch der Mittelrisalit. Im Jahr 1823 erwarb Kaiser Franz I. das Schloss. Seit 1976 befindet es sich im Besitz der Stadtgemeinde Wieselburg, die es 1994 renovierte und revitalisierte. Seit 1983 ist in einem Seitenflügel die Schlosskapelle der evangelischen Gemeinde untergebracht.

Heute ist das Marktschloss ein multifunktionales Gebäude und ein beliebter Treffpunkt. Es beherbergt neben Wohnungen auch das Museum für Ur- und Frühgeschichte, die Kapelle der Evangelischen Gemeinde, ein Café mit Bäckerei und einen Bio-Laden.

Die im Jahre 1951 am Seitentrakt des Schlosses in Sgrafitto-Technik angebrachte und vom Eingangsbereich des Schlossparkes aus wahrnehmbare Sonnenuhr wurde 1990 entfernt. 2020 kam es dann zu einer Nachbildung („Blau-Pause“) unter Mitnahme von Thema und Motiv an alter Stelle. Über dem Stundenband dieser Wandmalerei sieht man den hl. Georg auf einem Pferd, wie er erfolgreich einen Drachen bekämpft. Das Datum 8. Mai (rot) unter dem Drachenflügel soll an die Erhebung Wieselburgs zur Stadt erinnern.

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Die Flussmädchen sind personifizierte Darstellungen von Hauptflüssen der Monarchie. Sie stammen vom Danubiusbrunnen am Albertinaplatz in Wien und wurden von Bildhauer Johann Meixner (1819-1872) geschaffen. 1950 schenkte die Stadt Wien der Gemeinde Wieselburg sechs von insgesamt zehn Flussmädchen, nachdem der Danubius-Brunnen im Krieg beschädigt worden war. Fünf Skulpturen wurden im Schlosspark aufgestellt. Die „March" ist verschollen. 1986 wurden die Originale an die Stadt Wien zurückgegeben.
Wieselburg erhielt dafür Kunststeinabgüsse der Figuren.

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Am Eingang zum Schlosspark stehen Statuen, die Hauptflüsse der Kronländer der Monarchie symbolisieren: Enns, Mur, Raab, Salzach und Traun darstellen. Sie sind originalgetreue Nachbildungen von fünf der insgesamt zehn Mädchen-Skulpturen des Albrechtsbrunnens bei der Albertina in der Wiener Innenstadt. Von 1951 bis 1986 befanden sich aufgrund einer Schenkung der Stadt Wien die Original-Skulpturen aus Carrara-Marmor in Wieselburg.

Der Albrechtsbrunnen bei der Wiener Albertina wurde im Jahr 1869 enthüllt. Die Brunnen-Skulpturen wurden von Bildhauer Johann Georg Meixner (1819–1872) geschaffen. In der Mitte sind Vindobona und Danubius – die Stadt Wien und der Fluss Donau – als temperamentvolles Paar dargestellt. Sie werden flankiert von zwei größeren Mädchen-Skulpturen, welche die Flüsse Save und Theiß darstellen. Zu beiden Seiten befanden sich damals je vier kleinere Skulpturen, die Personifikationen der Flüsse Inn, Drau, Mur, Salzach, March, Raab, Enns und Traun sind. Heute sind nur mehr jeweils drei der kleineren Skulpturen zu beiden Seiten des Brunnens zu sehen. Die restlichen zwei Skulpturen befinden sich nahe der Albertina beim Palmenhaus. Der Brunnen symbolisierte aufgrund der Darstellung der vielen Flüsse die mächtige Ausdehnung der Donaumonarchie.

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Der Wehrmann in Eisen - Am 16. Jänner 1916 wurde die hölzerne Skulptur des Wehrmannes in einem Jugendstil-Pavillon neben dem Marktschloss aufgestellt. Für 20 Heller konnte man einen Nagel in den Wehrmann einschlagen lassen. Ein Großteil des Erlöses kam Kriegs-Witwen und -Waisen zugute. Der Wehrmann wurde von einem Bewachungssoldaten des Kriegsgefangenenlagers Wieselburg geschaffen. Die Statue ist heute ein Mahnmal. Sie soll davor warnen, dass die Menschen sich erneut für einen Krieg begeistern lassen.

Der Wehrmann mit Mantel und Gewehr steht vor dem Wieselburger Marktschloss. Mit großem Pomp wurde die hölzerne Soldatenskulptur am 16. Jänner 1916, mitten im Ersten Weltkrieg, vor dem Marktschloss feierlich enthüllt. Der Wehrmann wurde erst in Ton hergestellt und auf einem Podest vor dem Schloss aufgestellt. Sein hölzernes Abbild wurde zur Benagelung in einem schönen Jugendstil-Pavillon am Eingang zum Schlosspark platziert. Gegen eine Spende konnten die Einwohner Nägel in den Wehrmann einschlagen lassen. Ein Nagel kostete 20 Heller, was einem heutigen Gegenwert von etwa 20 Cent entspricht. Der Preis war so niedrig, dass sich jeder beteiligen konnte. Die Menschen drängten sich um den offenen Pavillon, in dem die Soldatenskulptur stand, auch in den folgenden Tagen ließ die Begeisterung nicht los. So kamen in kurzer Zeit 30.400 Kronen – heute wären das etwa 60.800 Euro – zusammen. Einen großen Teil des Wehrmannfonds erhielten nach dem Krieg Witwen und Waisen von gefallenen Soldaten. Der Wehrmann in Eisen steht heute noch als Mahnmal vor dem Schloss. Er soll davor warnen, dass die Menschen sich erneut für einen Krieg begeistern lassen. Sein tönerner Bruder wurde lange Zeit im alten Feuerwehrdepot verwahrt, gilt aber heute als verschollen.

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Rathaus Wieselburg
Das Rathaus wurde in den Jahren 1927 bis 1929 nach den Plänen des Wiener Architekten Anton Valentin erbaut. Dort, wo es heute steht, erstreckte sich früher die Gemeindeweide, eine Au- und Wiesenlandschaft. 1890 wurde auf dem Platz vor den Aubäumen ein öffentliches Waaghäuschen errichtet, um Tiere und Wagenfuhren abwiegen zu können.

Architekt Anton Valentin gestaltete seinen Entwurf für das Rathaus in expressiver Weise. Besonders auffällig sind dabei die aus der glatten Fassade spitz herausragenden Erker, die Valentin beim Rathaus an die Ecken des Baukörpers rückte. Als Anlehnung an große historische Rathausbauten setzte der Architekt einen turmartigen Baukörper ins Zentrum des Gebäudes. Der Zugang zum Amtsgebäude über einen breiten Stufenaufgang und durch zwei halbe Rundbögen greift ebenfalls die Typologie des Amtshauses auf und lässt die Wichtigkeit des Ortes bereits erahnen. Die unterschiedlichen Fensterformen am Rathaus sind besonders interessant. Ursprünglich waren sie so nicht vorgesehen, wie an den halbrunden Fenstern an der Grestner Straße zu sehen ist. Diese wirken wie stilisierte Fabriksfenster – dahinter lag der Schalterraum des Post- und Telegrafenamtes. Die rückwärtige Fassade des Rathauses ist von einem breiten, beinahe durchgängigen Fensterband geprägt. Dieses sorgt für die optimale Lichtzufuhr im Stiegenhaus. Das Stilelement der langen Fensterbänder hat Valentin in den 1930er Jahren vor allem bei der Planung seiner Wiener Einfamilienhäuser eingesetzt. Für die damalige Zeit war die Verglasung einer größeren Fläche eine bahnbrechende Errungenschaft und eine statische Herausforderung.

Von Beginn an wünschte Bürgermeister Fahrner einen repräsentativen Rathausbau. Diesem Anliegen trug Architekt Anton Valentin unter anderem durch das Anbringen der Turmuhr Rechnung. Die Turmuhr ist in eine Fassadenmalerei in Secco-Technik von Rudolf Holzinger eingefügt, die eine Tag- und eine Nachtseite erkennen lässt. Die Turmkante trennt die beiden größten Figuren des Freskos, den Erzengel Michael als Ritter und den Drachen. Michael, auf der „Tagseite“ dargestellt, ist Seelenführer und Beschützer der Christen sowie Schutzherr zahlreicher Berufe. Er verbannte den Drachen, Symbol der Finsternis, mit dem Flammenschwert aus dem Himmel.

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Während die meisten Kriegerdenkmäler eine Soldatenfigur zeigen, befindet sich im Zentrum des 1932 eingeweihten Wieselburger Kriegerdenkmals eine trauernde Frauenfigur. Sie symbolisiert einerseits die Trauer der vielen Ehefrauen und Mütter, die ihre Männer und Kinder verloren haben, andererseits stellt sie die Beziehung der Soldaten zu ihrem Leben in der Heimat her.

Die vom Wiener Bildhauer Josef Franz Riedl geschaffene Frauenfigur ist 130 cm hoch und aus drei Keramikteilen zusammengesetzt. Der Überzug aus brauner Engobe (Tonschlamm), der noch original erhalten ist, verleiht der Figur ein bronzeähnliches Aussehen. Der Frauenkörper ist s-förmig gekrümmt, der Kopf weist nach links, die verschlungenen Hände nach rechts und das lange Gewand liegt in Falten um den Körper. Die Frauenfigur wird von einem Bau mit polygonalem Grundriss umfasst, den der Architekt des Wieselburger Rathauses Anton Valentin plante. Im hinteren Bereich ist die Architektur durch ein Gitterwerk geschlossen, nach vorne hin ist sie offen. Die sich nach unten verjüngenden, im Querschnitt quadratischen Pfeiler tragen die Tafeln mit den Namen der Gefallenen beider Weltkriege. Auf den Pfeilern ruhen Querbalken, einer davon mit der Aufschrift „Unseren Helden“. Um die Keramikfigur zu schützen, wurde 1987 in Absprache mit dem Denkmalamt dem Polygon eine Glasüberdachung aufgesetzt, welche die Höhe des dahinter stehenden Kreuzes leider nicht mehr zur Geltung kommen lässt.

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Stadtpfarrkirche zum hl. Ulrich in Wieselburg: Geschichte
Im Zuge des ottonisch-salischen Reichskirchensystems schenkt Kaiser Otto II. 976/979 dem später heilig gesprochenen Regensburger Bischof Wolfgang einen Platz am Zusammenfluss der Großen und Kleinen Erlauf, der „Zuisila“ genannt wurde. Der hl. Wolfgang errichtet dort ein „castellum“ (= Fliehburg) zum Schutz der Mutterpfarre der gesamten Region. In der Mitte des bewehrten Platzes lässt er eine repräsentative Kirche erbauen.

Der hl. Wolfgang (um 924–994): Ausgebildet in der Klosterschule Reichenau und in der Domschule Würzburg, war er zunächst Lehrer in der Domschule von Trier. 965 trat er ins Benediktinerkloster Einsiedeln ein und ließ sich drei Jahre später durch Bischof Ulrich von Augsburg zum Priester weihen. Nach kurzer Missionstätigkeit in Ungarn erhob ihn Kaiser Otto I. 972 zum Bischof von Regensburg. Eingebunden in die politischen Auseinandersetzungen zwischen Kaiser und bayerischem Herzog, zog er sich einige Jahre in die Besitzungen seines Bistums in Mondsee und im heutigen Niederösterreich zurück, wo er auch die Kirche von Wieselburg erbauen ließ.Als Bischof waren seine Bemühungen um die Klosterreform und um die Bildung des Klerus bedeutsam. Sein von Demut und Menschenliebe geprägtes Wirken begründete seine Verehrung schon zu Lebzeiten. Der oft mit einem Kirchenmodell als Hinweis auf seine Tätigkeit als Kirchengründer und Reformer dargestellte Bischof Wolfgang gilt als Patron der Holzhauer, Zimmerleute, Hirten und Schiffer.

Die "Kapelle am Berg" beherbergt eine aus Lindenholz geschnitzte Grödner Pietà aus der Bildhauer-Werkstatt Stueflesser. Die 1913 feierlich geweihte Statue war urspünglich färbig gefasst.

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Statue hl. Wolfgang - 1976 feierte Wieselburg das 1000-jährige Bestehen seines Namens. Die bisherige Marktgemeinde wurde am 8. Mai des gleichen Jahres zur Stadt erhoben. Aus diesem Anlass schuf der Künstler KUNIBERT ZINNER aus St. Peter in der Au eine 2,50 Meter hohe Kunststeinfigur des hl. Wolfgang, die beim Stiegenaufgang zur Kirche aufgestellt wurde.

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Oktogon und Kirche
Die Wehrkirche Sankt Ulrich, 993 eingeweiht, ist das älteste erhaltene sakrale Bauwerk Österreichs. Dem Bau mit quadratischem Kern und vier vorgelagerten Kreuzarmen wurde ein Oktogon mit Kuppel aufgesetzt. Im Innenraum befinden sich die ältesten Monumentalmalereien des Mittelalters in Österreich. Um 1500 wurde eine zweischiffige gotische Hallenkirche mit Kreuzrippengewölbe angebaut. 1952 geriet die Kirche durch einen Blitzschlag in Brand. Im Zuge der Renovierungsarbeiten von 1953 bis 1958 wurde die Kirche vergrößert.

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Die Wieselburger Pfarrkirche ist über die Jahrhunderte gewachsen. Ihr größtes Geheimnis lüftete ein Brand, der aufgrund eines Blitzschlags im Oktober 1952 ausgelöst worden war. Der Großteil der Kirche konnte gerettet werden, das Feuer und das Löschwasser richteten dennoch großen Schaden an und die Kirche musste von Grund auf renoviert werden. Dabei offenbarten sich gleich mehrere Geheimnisse der Geschichte. Jener Teil der Kirche, der immer für einen gotischen Karner gehalten worden war, entpuppte sich als ältester Sakralbau Österreichs: das ottonische Oktogon aus dem Jahr 993. Es ist heute ein Teil der Wieselburger Pfarrkirche.

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Das ottonische Oktogon und seine Fresken
Die Kuppel wird von einer von acht Rundfenstern belichteten Tambourzone getragen. Die Scheitelhöhe der Kuppel beträgt 13 Meter. Der überkuppelte Zentralbau mit seinen gleichmäßigen Seitenarmen beruhte auf dem Grundriss eines griechischen Kreuzes. Gelbe Streifen sowie andersfarbige Fliesen auf dem Fußboden, die teilweise durch die Kirchenstühle verdeckt werden, markieren die Lage der Fundamente jener Oktogonteile, die bei der gotischen Erweiterung abgetragen wurden, ferner die Lage der 1952 entdeckten Fürnberggruft sowie mittelalterlicher Bauten. Der östliche Seitenarm wurde 1783 im Zuge der Aufstellung des barocken Hochaltares umgestaltet und erhöht; Nord- und Südarm entsprechen nicht dem Originalbestand, dessen Fundamente aber ergraben wurden.

Altarbild „Triumph des hl. Ulrich“ am barocken Hochaltar im Oktogon
Der um die Mitte des 18. Jahrhunderts entstandene Hochaltar, gefertigt aus rotgrauem Gaming-Peutenburger Marmor, stand ursprünglich in der Kirche der 1782 aufgehobenen Kartause Gaming. Vier Säulen tragen das geschwungene Gebälk und flankieren das Altarbild „Triumph des hl. Ulrich“. Es wurde erst anlässlich der Übertragung nach Wieselburg geschaffen und später in den Altar eingearbeitet. Seitlich davon sind Statuen der beiden Apostelfürsten Petrus (mit Himmelsschlüssel) und Paulus (mit Schwert als Hinweis auf sein Martyrium) angeordnet. Oben im Altarauszug rahmen Voluten die plastische Darstellung der Heiligen Dreifaltigkeit.

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"Oktogon" - vor 1000 Jahren erbaut
Nach dem Privileg von 976/979 wurde Bischof Wolfgang von Regensburg von Kaiser Otto II. ermächtigt, am Zusammenfluß der Großen und Kleinen Erlauf ein "Castellum" zu errichten in einem Land, das Wolfgang vorher mit Bauern aus Baiern besiedelt hatte. Den Ort nannte man "Zuisila", was im Zwiesel, im Zwickel bedeutet und im Wort (Z) Wieselburg weiterlebt. Wolfgang hat einen würfelförmigen Bau (mit Kreuzarmen) errichtet, dem ein achteckiger Teil (daher der Name Oktogon) mit einer Zentralkuppel aufgesetzt wurde, wie er zum bevorzugten Typus der Sakralbauten in Byzanz ab 900 entwickelt worden war. Die prächtige Freskoausmalung der Wände mit kreisrunden, bunten Medaillons bis in die 13,5 m hohe Kuppel gehört zu den ältesten Monumentalmalereien des Mittelalters in Österreich vom Ende der vorromanischen Epoche. Die Entstehungszeit ist bald nach der Erbauung der Kirche um 1000 anzusetzen.

Oben in der Kuppel befindet sich als zentrale Figur der Weltenherrscher (Pantokrator, mit Buch?), darunter ein Band von wahrscheinlich ursprünglich neun Medaillons mit Halbfiguren samt Heiligenschein und Flügeln als Symbole für die neun Chöre der Engel. Darunter zwischen rundbogigen Fenstern Reste von wohl acht Medaillons ohne erkennbare Darstellungen, deren Programm aber aus der Umschrift darüber als die Seligpreisung aus den Anfängen der Bergpredigt erschlossen werden kann. In den Trompen links und rechts des Altares sind in den Medaillons je zwei Evangelistensymbole (Stier und Adler, Mensch und Löwe) zu sehen, an der Ostwand außerdem zwei Rundfenster mit Schachbrettmuster in den Leibungen. Im Erdgeschoß befinden sich Reste von weiteren Medaillons: Apostel und Propheten (?), alle ohne erkennbar gebliebene Darstellung. Sehr zum Leidwesen aller sind die Fresken nur fragmentarisch erhalten, so daß im Zuge der Restaurierung durch das Bundesdenkmalamt keine Ergänzungen gewagt werden konnten.

Kronleuchter - Der mächtige Radleuchter aus Stahl und Eisenblech ist ein Werk des niederösterreichischen Künstlers FRANZ KATZGRABER aus dem Jahr 1968. Er erinnert bewusst an früher in romanischen Kirchen übliche Radleuchter oder Lichtkronen und symbolisiert mit seinen turmartigen Zinnen und Toren das „Himmlische Jerusalem“ aus der Offenbarung des Johannes.

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Der hl. Ulrich (um 890–973)
Der hl. Ulrich wird als Wieselburger Kirchenpatron zwar erst 1235/1237 genannt, ihm wird die Kirche aber von Anfang an geweiht gewesen sein. Als Bischof von Augsburg (923–973) hatte er maßgeblichen Anteil am Sieg in der Schlacht auf dem Lechfeld gegen die Ungarn 955, die zur Befreiung des heutigen westlichen Niederösterreichs führte. Bischof Ulrich war der väterliche Freund des hl. Wolfgang, den er 968 zum Priester geweiht hatte. Ulrich wurde 993, erstmals in der Kirchengeschichte offiziell vom Papst, heilig gesprochen. Damals ließ Wolfgang auch die Wieselburger Kirche vollenden. Dargestellt wird Ulrich meist in bischöflichen Gewändern mit Buch und Fisch. Der Fisch als Attribut bezieht sich auf die Legende, wonach Ulrich wegen der Nichteinhaltung des Fastengebotes am Freitag verleumdet werden sollte. Doch das als angeblicher Beweis präsentierte Bratenstück verwandelte sich in einen Fisch. Der als Bischof mutige und barmherzige Heilige wurde Fürsprecher gegen Überschwemmungen und Hochwasser und um Heilung bei Augenleiden angefleht. Sein Gedenktag ist der 4. Juli.

Nach einem Konzept des Wieselburger Stadtpfarres Franz Dammerer ruht der Volksaltar im Oktogon auf sieben Säulen aus hellem und dunklem Holz, als Symbol für die sieben Sakramente. Rechts davon steht ein spätgotisches Taufbecken aus rotbraunem Marmor (Anfang 16. Jh.; Deckel modern); es trägt am Sockel ein zierliches Taufsymbol in Wappenform, ein Relief des Propheten Jona mit dem Walfisch.

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Das spätgotische Langhaus
Das zweischiffige, vierjochige Langhaus der spätgotischen Kirche (20,50 m lang und 10,50 m breit)wirkt heute beim Eintritt von Norden her wie eine geräumige Vorhalle; drei schlanke, hoch aufragende Mittelsäulen stützen das Kreuzrippengewölbe, das im östlichen Joch etwas reicher ausgebildet ist und zwei reliefierte Schlusssteine aufweist: der rechte trägt ein Wappen, der linke ein Marienantlitz, offenbar das Brustbild einer Ährenkleidmadonna, ein besonders in der Spätgotik verehrtes Gnadenbild-Motiv. Es wurzelt in der theologischen Auffassung, dass Maria die Gnadenähre ist, die den Weizen Christus als das wahre Himmelsbrot hervorbringt.
Dieses spätgotische Bauwerk ist von bemerkenswert guter Qualität. Dazu kommt noch, dass die Zweischiffigkeit von gotischen Kirchen eher selten ist. Besonders zu empfehlen ist der Blick vom Hochaltar der neuen Kirche aus in das gotische Kirchenschiff.

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Orgel - Auf der Seitenempore des Hauptschiffes steht die am 12. Juni 1960 eingeweihte, ab 1959 in der Orgelbauwerkstatt GREGOR HRADETZKY in Krems erbaute Schleifladenorgel. Sie besitzt zwei Manuale mit 16 Registern und war die erste mechanische Orgel aus der Werkstatt Gregor Hradetzkys des Jüngeren. Die Reliefs der beiden Haupttore beim Nordportal entstanden 1964 nach Entwürfen von ROBERT HERFERT. Die dargestellten Motive sind Taube und Flamme als Opfer des Alten Bundes sowie Brot, Kelch und Weintrauben als Opfer des Neuen Bundes.

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Alte Kirchhofmauer gegenüber dem Kirchenturm
Diese Mauern waren ursprünglich Teil eines Bruchsteinhauses des gotischen Dorfes "Berg", das sich anschließend an die alte Kirche entwickelt hatte. Die Bevölkerung hat langsam begonnen, im Tal nach dem Zusammenfluß der Erlaufflüsse ihre neuen Häuser zu bauen. Für den um 1500 errichteten gotischen zweischiffigen Anbau an das "Oktogon" hat man die noch stehenden Hausmauern zur Steingewinnung abgetragen, aber einzelne Hauswände stehen gelassen, die seither als Kirchhofmauer dienen. Ihr abgewinkelter Verlauf ist dadurch zu erklären.

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Apsis-Mosaik Christus Pantokrator
Die künstlerische Ausgestaltung des neuen Kirchenschiffes prägen die Glasmalerei der Fenster sowie die ebenfalls farbkräftigen drei Mosaike über den Altären, die mit Farbkeramiksteinen und Gold- und Silberplättchen gestaltet wurden. Es sind Frühwerke des St. Pöltener Künstlers ROBERT HERFERT aus den Jahren 1960–1962. Das zentrale Motiv der Apsis hinter dem Hauptaltar ist, in Wiederaufnahme des Kuppelbildes im Oktogon, die monumentale Darstellung von Christus als Weltenherrscher, eingebunden in die Dreifaltigkeitsthematik. So ist links oben die auf das Haupt Christi weisende Hand Gottvaters zu erkennen und rechts am Nimbus der Heilige Geist in Taubengestalt. Aus den Handwunden Christi fließt der Gnadenstrom auf das Volk Gottes, symbolisiert durch zwei für die Region wichtige Heilige in Begleitung von Männern und Frauen: links vom Betrachter aus gesehen der hl. Leopold, der Babenberger Markgraf Leopold III. (um 1073–1136), Patron von Österreich und des Landes Niederösterreich, rechts gegenüber die Jugend, angeführt vom hl. Bischof Wolfgang, dem Gründer der ersten Kirche von Wieselburg. Die beiden barocken Engel wurden anlässlich der 50-Jahr-Feier der dritten Kirche im Jahr 2008 hier angebracht.

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Linker Seitenaltar - Thema des Mosaiks ist der „Hl. Joseph als Patron der Sterbenden“. Der Nährvater Jesu ist hier als Fürsprecher der Arbeiter und für einen guten Tod dargestellt. Die Statue des hl. Wolfgang, eine Spende des örtlichen Lions-Club, schnitzte der Scheibbser Bildhauer JOSEF LECHNER (1995).

Kanzel - Die 1956 angebrachte Kanzel mit einer Verkleidung aus grünen Serpentinplatten stammt von SEPP ZÖCHLING, der auch die 1994 abgebaute Kommunionbank anfertigte. Der Kanzelkorb als Ort der Verkündigung des Evangeliums ist geschmückt mit Darstellungen Christi und der vier Evangelisten mit ihren Attributen: Matthäus (Engel), Markus (Löwe), Lukas (Stier) und Johannes (Adler) – angelehnt an die Medaillons im Oktogon, aber in moderner Formensprache.

Rechter Seitenaltar mit spätgotischer Madonna - Das Mosaik zeigt die Verkündigung an Maria durch den Erzengel Gabriel. Auf dem Altartisch steht eine wertvolle spätgotische Statue, die Madonna mit Kind aus der Zeit um 1510; die Pfarre Wieselburg hatte diese Statue 1961 der Kapelle des Bildungshauses St. Pölten als Leihgabe überlassen, 1996 kam sie auf Initiative von Stadtpfarrer Franz Dammerer wieder zurück in die Pfarrkirche.

Farbglasfenster - 6. KreuzwegstationDie 1960 von ROBERT HERFERT in Absprache mit dem damaligen Pfarrer Leopold Teufel entworfenen fünf großen Farbglasfenster der Westseite zeigen Symbole aus der Passion Christi: Ölzweig, Dornenkrone, Krone, Kelch mit Blutstropfen Christi und Hostien.

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Mauerreste der Burg von Wieselburg (Vor dem Durchgang zum Friedhof)
Rechteckiger Bau aus gemörtelten Bruchsteinen aus dem (fortgeschrittenen?) 11. Jahrhundert. Damals wahrscheinlich "Festes Haus" oder nur "Haus" genannt. Es war mehrere Stockwerke hoch, der Eingang war durch eine einziehbare Leiter im 1. Stock üblich. Im Verband mit diesem Bau, also gleichzeitig, wurde um 1000 auf der erhöhten Wallanlage (im Halbkreis von der Großen zur Kleinen Erlauf) eine breite Bruchsteinmauer errichtet, vor der ein vorhandener Graben vertieft worden ist. In diesem Graben wurde 1961 die Zufahrt zur Leichenhalle angelegt, die deswegen "Burggrabenweg" benannt wurde. Der Durchbruch der Bruchsteinmauer zum Friedhof ist mit dessen Errichtung 1877 anzusetzen. Vorher lag der Friedhof rund um die Kirche.

Kreuzwegstationen - Unter dem Fenster beim Marienaltar beginnt die Reihe der Kreuzwegbilder. Die alten Kreuzwegstationen (wahrscheinlich um 1820), die nach dem Kirchenbrand 1952 ausgelagert und in der neuen Kirche durch moderne Terrakotta-Reliefs ersetzt worden waren, ließ man 1994 durch Franz Aschauer aus Wieselburg restaurieren und brachte sie wieder hier im Kirchenraum an. Die Kreuzwegbilder wurden so angebracht, dass sie die „drei Kirchen“ miteinander verbinden. Gleichzeitig wurde neben dem Sakristeiportal eine barocke Tragfigur des auferstandenen Christus (um 1750) aufgestellt.

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Auf Wunsch von Dechant Franz Dammerer sollte am Kirchenplatz ein Friedenskreuz und kein „Krieger-Denkmal" stehen. Der Plan: Auf kreisförmigem Fundament (der Kreis ist das Symbol des Vollkommenen) steht der dreieckige Altar. Das Dreieck soll die Dreifaltigkeit symbolisieren. Darüber erhebt sich in Nirostahl das Symbol des Kreuzes, das aber in seine einzelnen Elemente aufgespaltet ist. Eine vergoldete Kugel im Kreuzungspunkt soll den verklärten Leib Christi versinnbildlichen. Gleichzeitig sind die Balken des Kreuzes als „Arme Gottes" zu sehen, die eine Kugel tragen. Diese Kugel, der Erdball, ruht wohl behütet in Gottes Hand. Und so beschützt möge Friede und Eintracht herrschen. Altpfarrer Leopold Teufel hat dies mit dem Spruch „FRIEDE DER HEIMAT FRIEDE DER WELT" vorgeschlagen. Errichtet wurde dieses Denkmal vom St. Pöltner Schlosser Anton Fasching und vom Kameradschaftsbund Wieselburg. Leitung: Obmann Josef Hofmarcher / Entwurf: Hannes Scheruga
Das Friedenskreuz wurde am 31. Mai 1992 von Pfarrer Franz Dammerer gesegnet.

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Der Kirchenberg
Modell des ursprünglichen KirchenbergesDieser mehr als 20 Meter hohe Geländesporn mit runder Fläche im Zwickel und einem Durchmesser von 120 Metern war von Natur aus nach zwei Seiten durch die steilen Uferböschungen der beiden Erlaufflüsse abgesichert. Ein halbkreisförmiger Wall mit Graben schloss die um 900 entstandene Anlage vom Hinterland ab. Deren nördlicher Verlauf wird heute noch durch die Wegbezeichnung „Burggraben“ (Zufahrt zum Friedhof) wachgehalten. Das in weiteren Bauphasen verstärkte, von einer massiven Bruchsteinmauer gekrönte Wallgrabensystem wurde durch einen turmartigen Rechteckbau (Wohn- und Fluchtort) an der höchsten Stelle des Geländes im Bereich des heutigen Durchgangs zum neuen Friedhof zusätzlich gesichert.

Die Wehrfunktion des befestigten Kirchenbergs stand in engem Zusammenhang mit der Wirtschaftsfunktion. Die Anlage dürfte schon früh mit einem Markt verbunden gewesen sein. 1443 wurden die Marktprivilegien der Siedlung „St. Ulrich am Berg“, die in gotischer Zeit zum Dorf mit mehreren Wohnhäusern ausgebaut wurde, erstmals bestätigt; dies war insofern eine Besonderheit, als diese Rechte nicht der unterhalb gelegene Markt Wieselburg besaß, sondern die Siedlung am Kirchenberg. Erst 1913 kam das zur ehemaligen Pfarrherrschaft Berg gehörende Dorf Berg zur Gemeinde Wieselburg.

Nordansicht der (alten) Kirche

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Wem der viele Text zu lange war und lieber Bewegtbilder mit Musik mag, kann sich gerne dieses Video antun: