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Ybbsitz ist eine Marktgemeinde mit über 3300
Einwohnern im Bezirk Amstetten im österreichischen Bundesland
Niederösterreich. Die Gemeinde an der Niederösterreichischen
Eisenstraße hat eine große montan-historische Tradition. Ybbsitz liegt
in der Eisenwurzen im niederösterreichischen Mostviertel, im Tal der
Kleinen Ybbs, einem Nebenfluss der Ybbs. Die Kleine Ybbs, die in ihrem
Oberlauf bis Ybbsitz den Namen Schwarze Ois trägt, nimmt im Ort den von
Süden kommenden Prollingbach auf.
Das Eisen vom Erzberg, das Holz der Voralpen und die Wasserkraft der
Bäche ließen den Ort schon früh zu einem Zentrum der
Werkzeugherstellung werden. 1437 wird der Ort bereits urkundlich als
"uralte Werkstatt" bezeichnet. Die Ybbsitzer Schmiedschaft stellte seit
dem Mittelalter einen großen Teil der Bevölkerung dar. Noch 1859 waren
53 Schmiedemeister mit 308 Gesellen tätig. Von 20 Hämmern, die im Jahre
1808 in Betrieb waren, bestanden etwa 100 Jahre später allein am
Prollingbach noch elf. Als Besonderheit arbeiteten 1873 am Nothberg 13
Schleifen. Qualitätsprodukte wie Hacken, Schaufeln, Bohrer,
Krautmesser, Löffel, Scheren, Beschläge aller Art, Sägeblätter, Säbel,
Pfannen und Kuhglocken gingen in fast alle Länder Europas und brachten
Wohlstand und Ansehen. In einigen Ybbsitzer High-Tech-Betrieben blüht
das ehrsame Eisengewerbe bis heute weiter.
Die Marktgemeinde liegt zwischen hügeligem Bauernland im Norden und
waldreichen Voralpengipfeln im Süden. Zahlreiche Wanderwege erschließen
die Schönheit der Umgebung, in der etliche Jausenstationen zu Most und
bodenständiger Stärkung einladen. Die gepflegten Ybbsitzer Gasthöfe
zaubern auch kulinarische Köstlichkeiten aus der Hammerherrenzeit auf
den Tisch.
Brücke über die Schwarze Oys
Panta Rhei - Habermann-Skulptur
Im Rahmen des Festes "Ferraculum 2000" haben Schmiede aus ganz Europa
unter der Leitung von Prof. Alfred Habermann in Gemeinschaftsarbeit
diese Sanduhr geschaffen. Der dem griechischen Philosophen Heraklit
zugeschriebene Grundsatz „Panta Rhei" (Alles fließt), nach dem das Sein
als ewiges Werden und als ewige Bewegung beschrieben wird, gibt der
Arbeit den Titel und spannt den Bogen von abendländischer Tradition zu
moderner Metallgestaltung. KR Josef und KR Waltraud Welser stellten das
Material für die Skulptur kostenlos bei.
Auf dem heutigen Gebiet der Gemeinde Ybbsitz wurden keine Spuren oder
Überreste gefunden, die auf eine sehr frühe Besiedelung der Gegend
durch die Kelten oder Römer schließen lassen würden. Der Ortsname
Ybbsitz dürfte urprünglich die Bezeichnung der Schwarzen Ois und
Kleinen Ybbs gewesen sein. In einer Urkunde aus dem Jahr 1185 taucht
das Wort,,Ibisitzigimunde" (Ybbsitzmündung) auf, womit wohl die Mündung
des Arzbaches in die Ybbs gemeint war. Aufgrund der Wortendung "-itz"
ist anzunehmen, dass die erste Besiedelung durch die Slawen erfolgt
sein dürfte.
Rathaus der Marktgemeinde Ybbsitz - Ein seit 1772 als Gemeindeamt
dienendes Bauwerk mit einer Fassade aus dem Jahr 1904
Das Kriegerdenkmal am Markt neben der Kirche ist ein von Anselm Carl
Zinser 1930 errichtetes Denkmal.
SCHMIEDEBAUM
Die 11 Festgemeinden Allhartsberg, Biberbach, Ertl, Hollenstein an der
Ybbs, Kematen an der Ybbs, Opponitz, Seitenstetten, Sonntagberg, St.
Georgen am Reith, Waidhofen an der Ybbs und Ybbsitz präsentieren den
Schmiedebaum anlässlich ,100 Jahre Niederösterreich" im Jahre 2022.
Die kath. Pfarrkirche hl. Johannes der Täufer in Ybbsitz ist eine
spätgotische Hallenkirche mit eingestelltem Südturm, dessen Chor 1419
und das Langhaus 1480/96 errichtet wurde. Der Hochaltar um 1740 ist ein
monumentales barockes Säulenretabel und nimmt den gesamten Chorschluss
ein und wurde 1786 aus der Kirche der Kartause Gaming hierher
übertragen.
Die Orgel baute die Oberösterreichische Orgelbauanstalt 1972 - ein rein
mechanisches Werk mit 16 Registern für zwei Manuale und Pedal.
An der Chorbrüstung stehen 13 Statuen: Jesus mit seinen 12 Aposteln.
Jeder dieser 12 ist mit einem Zeichen dargestellt - entweder ein
Symbol, das typisch für sein Leben und Wirken war oder das anzeigt, auf
welche Weise er als Märtyrer für seinen Glauben an Jesus Christus
gestorben ist.
Die Pfarrkirche Ybbsitz steht am nördlichen Ende des Marktplatzes in
der Marktgemeinde Ybbsitz im Bezirk Amstetten in Niederösterreich. Die
dem Heiligen Johannes der Täufer geweihte römisch-katholische
Pfarrkirche – dem Stift Seitenstetten inkorporiert – gehört zum Dekanat
Waidhofen an der Ybbs in der Diözese St. Pölten. Die Kirche steht unter
Denkmalschutz.
Urkundlich wurde 1186 eine Gründung durch das Stift Seitenstetten
genannt, 1292 als Pfarre. 1419 erfolgte eines Weihe des Chores und des
Altares durch den Bischof Andreas vom Bistum Passau. 1480/1496 erfolgte
der Neubau des Langhauses mit den Weihejahren 1496, 1503, 1508. 1785
ging die Pfarre an die Diözese St. Pölten. 1904/1905 und 1974/1975
waren Restaurierungen.
Die mächtige spätgotische Hallenkirche mit einem gotischen
Polygonalchor mit einem etwas eingestellten Südturm hat mehrere
Anbauten. Der um 1740 für die Klosterkirche der Kartäuser in Gaming
entstandene wertvolle Marmorhochaltar, wurde nach deren Auflösung 1782
nach Ybbsitz übertragen. Der ursprünglich höhere Säulenaufbau mit
Gebälk, Baldachin und Umgangsportalen, umrahmt das Hauptbild der
thronenden Gottesmutter in der Herrlichkeit der Heiligen. Am Oberbild
findet sich eine Darstellung der Heiligsten Dreifaltigkeit. Beide
Bilder stammen von Andrea Celesti, der auch für die Kartause Mauerbach
das Hochaltarbild schuf. Am Triumphbogen stehen in zwei
baldachingezierten Steintabernakeln Plastiken der Heiligen Rochus und
Sebastian (E. d. 16. Jh.).
Weihnachtliche Krippe beim rechten Seitenaltar (Marienkapelle)
Die Ybbsitzer Pfarrkirche ist ein ausnehmend gut proportionierter,
interessant gegliederter Langhausbau, an den der strebepfeilergestützte
Ostchor und der mächtige Südturm mit schönem Barockhelm von 1794
angebaut ist. Dem Südportal ist eine kleine Vorhalle mit Sitznischen
und engem Sternrippengewölbe vorgelagert.
Das Langhaus, mit dessen Bau wohl bald nach 1466 begonnen wurde, ist
eine dreischiffige, vierjochige Halle mit prächtigem Netzrippengewölbe
auf sechs Achteckpfeilern, deren Seitenflächen stark konkav ausgenommen
sind. Das zweite Joch der Seitenschiffe erweitert sich im Süden und
Norden durch je einen kapellenartigen Anbau. Im letzten Joch ist eine
große Westempore mit reicher Maßwerkbrüstung positioniert, die an den
Seitenwänden noch weiter vorgezogen ist und unter der Empore ein
schwungvolles Sternrippengewölbe besitzt.
In der Mitte der Kirche ist in der Decke eine kreisförmige Öffnung zu
sehen, das „Heilig-GeistLoch“. Da viele Menschen früher nicht lesen und
schreiben konnten, wurden wichtige Ereignisse aus dem Kirchenjahr
besonders einprägsam „vorgespielt“. Zu Christi Himmelfahrt wurde der
Auferstandene durch dieses Lochin die Höhe gezogen, zu Pfingsten wurde
der Heilige Geist in Gestalt einer Taube heruntergelassen. Bis vor
wenigen Jahren hing hier jedes Jahr der Adventkranz an einem langen
Seil.
Die heilige Anna: Nachdem die
Ehe mit ihrem Gatten Joachim 20 Jahre lang kinderlos geblieben war,
gebar Anna die spätere Gottesmutter Maria. Sie ist somit die Großmutter
Jesu. Die Verehrung der heiligen Anna begann bereits im 6. Jahrhundert
nach Christus und fand im Spätmittelalter ihren Höhepunkt. Einer der
Wallfahrtsorte ist Annaberg in Niederösterreich.
Sie ist die Schutzpatronin der Mütter, Hausfrauen, Arbeiterinnen,
Witwen, Bergwerke, Schneider, Müller und Goldschmiede. Zur heiligen
Anna bittet man um Kindersegen, eine glückliche Heirat und Geburt. Ihr
Segen soll auch bei Fieber, Kopfweh, Bauchschmerzen und Gewittern
helfen.
Kath. Pfarrkirche hl. Johannes der Täufer am Markt
Unweit des Ybbsitzer Marktplatzes zu finden: Diese Gemeinschaftsarbeit
von europäischen Schmieden unter der Federführung von "Schmiedepapst"
Alfred Habermann entstand beim Ferraculum 2002.
Die Schmiedearbeit ist der Einigkeit, Freiheit und Identität Europas
gewidmet. Sternenkranz, Feuerschale und wehende Fahnen symbolisieren
Gemeinsamkeit, Eifer und verbindende Begeisterung, ist an der Skulptur
mit dem Titel "Europa wächst zusammen" zu lesen. Sie wurde beim dritten
Schmiedefest Ferraculum 2002 in Zusammenarbeit europäischer
Schmiedeteams unter der Federführung des bedeutenden Kunstschmieds und
Metallbildhauers Alfred Habermann (1930–2008) geschaffen.
Dieses markante Werk ist im Ort als eine von zahlreichen permanent
installierten Arbeiten entlang der Schmiedemeile zu sehen. Seinen
"großen Auftritt" hat das 3,60 Meter hohe Kunstobjekt stets bei der
Eröffnung des alle zwei Jahre stattfindenden Ferraculums am Ybbsitzer
Marktplatz, wo in einer feierlichen Zeremonie das Entzünden des Feuers
in der blauen Schale, die im Design der EU-Flagge mit zwölf kreisförmig
angeordneten goldenen Sternen gestaltet ist, vorgenommen wird.
Schmiedekunst: "Europa wächst zusammen"
Das denkmalgeschützte Kanzlerhaus (Haus Kremayr) ist ein
zweigeschoßiges Bauwerk mit hohem Mansarddach, das 1740 errichtet und
von 1902 bis 1906 umgebaut wurde.
Das Museum im Haus Kremayr, einem historischen Eisenhandelshaus am
Marktplatz, birgt eine reichhaltige volkskundliche Sammlung. Die
moderne, mit interaktiven Stationen ausgestattete Ausstellung "FeRRUM –
welt des eisens" gibt Einblicke in das Schmiedehandwerk und zeigt, wie
sehr Metall uns umgibt.
DIE FRAUENZECHE: Schon lange vor der Markterhebung von Ybbsitz im Jahre
1480 hatten sich die Schmiede zu einer Zunft zusammengeschlossen. So
wird die Frauenzeche, die älteste Dachorganisation der Schmiede,
bereits im Jahre 1417 erwähnt. Sie besteht noch heute als letzte
derartige Vereinigung in Österreich.
Um die Wende vom Mittelalter zur Neuzeit gewannen Handwerk-Zechen einen
immer größeren Einfluß auf das Leben in der Gegend. Bisher unbekannte
Begriffe, wie „Meister", „Geselle" und „Lehrjunge" wurden geläufig,
neue religiöse Feste und Arbeitszeiten eingeführt. Die Meister- und
Gesellenprüfung regelte die Aufnahme in ihre Reihen, die Qualität und
den Verkauf ihrer Produkte sowie deren Ausfuhr. Bereits 1417 findet man
in einer Seitenstettner Urkunde eine „Frauenzeche" der Ybbsitzer
Schmiedemeister. Dann, im Jahr 1484 im hiesigen Marktbuch, die
„Leonhardizeche" der Gesellen. Jede dieser Vereinigungen wählte
jährlich einen Zechmeister samt Vorstand (Viermeister, Viergesellen),
verwaltete das Vermögen, übte bei Übertretungen innerhalb des Handwerks
eine eigene Gerichtsbarkeit aus und achtete streng auf die ihm seitens
des Grundherrn übertragenen Aufgaben.
Eine weitere wichtige Tätigkeit der Frauenzeche lag im sozialen
Bereich, in deren Rahmen sie sich bei Bedarf um kranke bzw. verarmte
Schmiede, deren Witwen und Angehörige kümmerte. Die Lehrlinge hatten
drei Jahre zu lernen und die Verpflichtung, auch das vierte Jahr in der
Werkstatt des Meisters für Lohn zu arbeiten. Nach dieser Zeit wurden
sie von der Frauenzeche freigesprochen. Wollte ein Geselle selbst
Meister werden, so mußte er „ehrlich", das heißt ehelich geboren sein
und seine Lehrjahre absolviert haben. Erfüllte er diese
Voraussetzungen, konnte er den Zechmeister um die Aufgabe von drei
Meisterstücken bitten. Diese hatte er dann im Beisein eines Meisters
und Viermeisters innerhalb von 14 Tagen anzufertigen. Erhielten diese
eine gute Bewertung, galt es für ihn noch vier Kannen Wein zu bezahlen,
drei Gulden in die Meisterlade zu legen und sich mit je einem Pfund
Wachs in die Frauen- und Leonhardizeche einzukaufen.
Nachdem die Leonhardizeche in die Frauenzeche eingegliedert worden war,
wurde letztere im Jahre 1877 in einen Verein mit neuem Statut
umgewandelt. Dieser spielte noch bei der Gründung von sog.
Selbsthilfeeinrichtungen wie 1903 der „Werks- und
Verkaufsgenossenschaft" eine wichtige Rolle, dann aber stellten Krieg
und Arbeitslosigkeit auch ihn in Frage, so daß 1924 der letzte Jahrtag
abgehalten und er 1939 durch die NSDAP aufgelöst wurde.
Mit der Rückgabe des Besitzes im Jahre 1948 wurde die Tätigkeit der
Frauenzeche fortgeführt, was auch vielen Ybbsitzern zu Gute kam. Die
Frauenzeche verkaufte damals viele für den privaten Wohnbau
erforderliche Grundstücke als Bauland. Sie vermietete Wiesen zur
Haltung von Vieh oder zur Anlage von Gärten und schuf damit auch für
den nicht selbst über Grund und Boden verfügenden Teil der Bewohner des
Marktes Ybbsitz, eine gerade in der Nachkriegszeit, besonders wichtige
Möglichkeit der Selbstversorgung. Heute besteht der Verein
„Frauenzeche" aus vier ehrenamtlichen Mitgliedern, die sich als
Bewahrer ihrer Tradition und der angestammten Kultur sehen.
* * *
Der goldene Meisterbecher aus dem Jahr 1747 und der silberne
Gesellenbecher von 1820, in denen am Schmiedejahrtag Wein kredenzt
wurde. Die Originale sind im Haus Kremayr (Museum) zu besichtigen.
Silberner Ehrenbecher der Schmiedegesellen, 1820
und Ehrenbecher der Schmiedemeister, 1747
(Sammlung der Frauenzeche - Leihgabe)
Die Geschichte der Gemeinde Ybbsitz ist von Beginn an eng mit jener des
Stiftes Seitenstetten verbunden. Dem Stift, dessen Gründung auf das
Jahr 1112 zurückgeht, wurde um das Jahr 1180 das Gebiet um Ybbsitz als
Schenkung unterstellt.
Die Gründung des Klosters in Seitenstetten geht auf den Adeligen
Udalschalk von Still zurück, einen "gewissen edelfreien Mann" aus der
Pfarre Hofkirchen an der Trattnach (Innviertel), der auch in
Seitenstetten ein Gut besaß. Auf seinem Besitz ließ er im Jahre 1112
ein kleines Kloster errichten, welches zwei Jahre später (1114) von
Benediktiner Mönchen aus Göttweig besiedelt wurde.
Den entscheidenden wirtschaftichen Aufschwung für das Kloster bewirkten
die Schenkungen des Erzbischofs Wichmann von Magdeburg. Der Erzbischof,
der in Kaiser Friedrich Barbarossa einen großen Förderer gefunden
hatte, befand sich auf einer Gesandtschaftsreise nach Ungarn im Jahre
1174 und kam so in die Region. Politsch unterstand das Gebiet rund um
Ybbsitz der Grafschaft Gleiß, deren letzter Graf Wichmann war. Bereits
auf dieser Reise im Sommer 1174 dürfte er dem Stift Seitenstetten die
Schenkung gemacht haben. Die Originalurkunde ging jedoch verloren. Zehn
Jahre später erneuerte Wichmann seine Schenkung und erweiterte sie um
das Gebiet zwischen Arzbach und Urlbach.
Im Jahr 1185 bestätigte der Erzbischof seine Schenkung an das Stift
noch einmal und legte in dieser Urkunde die genauen Grenzen und die an
die Schenkung geknüpften Bedingungen fest. Er forderte die Errichtung
eines Klosters ("cella") in Ybbsitz und die regelmäßige Abhaltung des
Gottesdienstes. (Die Originalurkunde aus dem Jahr 1185 befindet sich im
Stiftsarchiv Seitenstetten.)
Die Palette der in Ybbsitz hergestellten Erzeugnisse war breit
gefächert. Sie zeigt sich anhand der Überlieferung der ansässigen
Schmiede. Um 1600 gab es in Ybbsitz fünf privilegierte
Handwerksgruppen. Zu ihnen zählten die Hackenschmiede, die
Krautmesser-, Reifmesser-, Löffel- und Scherenschmiede. Ybbsitz war als
Hackenschmiedezentrum in der gesamten Region und darüber hinaus
bekannt. Die Formen unterschieden sich nicht nur hinsichtlich ihres
Verwendungszweckes (Zimmermanns- oder Flößerhacke), sondern auch nach
den für den Verkauf bestimmten Abnehmerländern bzw. -regionen
(Siebenbürgener Holzhacke, Debrecziner Holzhacke).
Die erste Zunftordnung erließ Abt Kilian 1491. Die Pfannenschmiede
wurden erst wesentlich später in Ybbsitz tätig und erhielten 1624 ihre
erste Handwerksordnung von Abt Caspar. Die Pfannen- und Kupferschmiede
genossen eine besondere Stellung innerhalb der Ybbsitzer Schmiedschaft.
Ihre privilegierte Position spiegelt sich auch in der Kleidung der
Pfannenschmiede wider. Zu festlichen Anlässen trugen die Meister lange
schwarze Röcke mit großen goldenen Knöpfen, breite, hohe Hüte mit
Goldquasten, Schnallenschuhe und weiße Handschuhe.
Symbolgehalt des Eisens: Eisen
und Stahl sind im Volksglauben magische Abwehrmittel gegen Dämonen,
Wassermänner, Nixen, Kobolde und Irrlichter. Eisen schützt vor dem
bösen Blick, es schützt Neugeborene ebenso wie Jungvermählte und
Wöchnerinnen. Es schirmt Haus und Vieh, Obstbäume und Felder gegen das
Böse ab.
Hufeisen und Nägel: An Tore und
Türschwellen werden Nägel und Hufeisen genagelt, um das Böse und das
Unheil zu bannen, Findet man ein Hufeisen oder Nägel, so bringen diese
Glück und Gewinn. Das Beschlagen von Gegenständen und Kleidung (Nieten)
ist eine alte Praktik der Volksmedizin, die sich bis in die heutige
Fetischmode erhalten hat
Schlösser und Schlüssel: Das
Schloss beschützt Haus und Hof und im übertragenen Sinn die Heimat. Der
Schlüssel versperrt oder öffnet. Er gibt dem Besitzer die Macht über
die Dinge, der Hausfrau über die Vorräte, dem Bürgermeister über die
Stadt. Der Volksglaube schreibt dem Schlüssel auch magische Kräfte zu.
So sollte er die Entbindung erleichtern, wurde gegen die Tollwut und
Fraisen (krampfartige epileptischen Anfälle) eingesetzt. Ein kühlender
Schlüssel wurde Kindern bei Nasenbluten ins Genick gelegt.
Sichel: Sie spiegelt den
menschlichen Lebensablauf wider. In der Antike wurde sie als Zeichen
für Fruchtbarkeit gelesen, erst in der Zeit des Spätmittelalters
gesellte sich zu dieser Bedeutung das Bild der Vergänglichkeit und des
Todes. Gekreuzte Sicheln und Sensen wurden über die Tür oder in den
Kamin gehängt (mit der Schneide nach oben), um das Haus gegen Unwetter
und Unheil zu schützen.
Hammer: Er war eines der ersten
Geräte, die der Mensch hergestellt hat. Ursprünglich wurde der Hammer
nicht aus Eisen, sondern aus Stein gefertigt. Dies spiegelt sich noch
in dem altnordischen Wort „hamarr" wider, das auch Fels und Klippe
bedeutet. Der Hammer gewann in vielerlei Hinsicht symbolische
Bedeutung, sel es als göttlicher Streithammer oder Richterhammer. Aber
auch die Politik bediente sich des ausdrucksstarken Motivs.
Interessanterweise kam es dabei zu Mehrfachdeutungen, die sich sowohl
mit faschistischer als auch sozialistischer und sogar kommunistischer
Propaganda vereinbaren ließen.
In Österreich wurde der genossenschaftliche Zusammenschluss von
Handwerksmeistern oder auch -gesellen meistens „Innung" oder „Zeche"
genannt. Die im 13. Jahrhundert gegründeten Vereinigungen waren zuerst
religiöser Natur. Erst im Laufe des 14. Jahrhunderts verschoben sich
die Schwerpunkte, und es entstanden Organisationen, die wirtschaftliche
Interessen verfolgten. Ihre Aufgabe war es, die Interessen der
Zunftmitglieder zu vertreten sowie den wirtschaftlichen Markt zu
organisieren und zu regulieren. Sie bestimmten die Anzahl der
Arbeitskräfte und Handwerksbetriebe und teilten die Rohstoffe zu. Die
Zechen übernahmen aber auch soziale Funktionen, sie gewährten Darlehen
und unterstützten die Mitglieder in Notzeiten. Eine wichtige Rolle
spielte auch die gemeinsame Brauchtumspflege, um den Zusammenhalt
innerhalb der Zeche zu stärken.
Blasebalg einer ehemaligen Ybbsitzer Schmiede, 1863 (Sammlung
Marktgemeinde Ybbsitz)
Meilensteine technischer Entwicklung:
Der elektrische Strom und der Anschluss an das Eisenbahnnetz
Die Nutzung des elektrischen Stroms veränderte nicht nur die
Produktionsverfahren, sondern brachte auch tief greifende Veränderungen
und Erleichterungen in der Alltagswelt der Menschen mit sich. Am 15.
Dezember 1900 nahm das erste Elektrizitätswerk seinen Betrieb auf.
Angeschlossen waren Motoren mit 68 PS, 37 Bügeleisen und 920 Lampen.
1914 wurde das neue E-Werk in der „Noth" am Prollingbach (heutige
Schmiedemeile) erbaut. Die Firma Riess, die aus einer traditionellen
Pfannenschmiede hervorgegangen war, erbaute für ihr Werk eigene
Kraftwerke an der Kleinen und Großen Ybbs. Als durch Erweiterungen und
Ausbauten die Versorgung des Emailgeschirrherstellers
gedeckt war, wurden auch die Anrainer in Maisberg mit Strom versorgt.
Wie die Firma Welser war auch der Betrieb der Familie Riess immer um
ein gutes Klima und soziale Sicherheit für ihre Werksangehörigen
bemüht. So errichtete die Familie Riess zeitgleich mit dem Werksausbau
eine Siedlung für ihre Arbeitnehmer.
Einen wichtigen Schritt in Richtung Modernisierung stellte auch der
Anschluss an das Eisenbahnnetz dar. Die Strecke nach Lunz und Gaming
war bereits vorhanden, und auf Drängen der Ybbsitzer Bevölkerung und
unter schwierigen finanziellen Bedingungen wurde die Verbindung mit dem
Ort fertig gestellt. 1899 war es dann endlich so weit: Der erste Zug
fuhr in die Station des Ortes ein.
Ybbsitz zur Zeit des Ersten
Weltkrieges und des Ständestaats
Am 2. August 1914 wurde das erste Aufgebot (55 Männer) mit Musik zum
Bahnhof geleitet. Die kaiserliche Propaganda hatte zu einer allgemeinen
Kriegsbegeisterung geführt. Neben dem Bürgermeister hielt sogar der
Pfarrer eine flammende Rede, um die Soldaten zu verabschieden.
Der Erste Weltkrieg forderte unter den Kriegsteilnehmern aus Ybbsitz
120 Tote oder Vermisste. Für das Schmiedehandwerk in Ybbsitz bestand
das größte Problem zunächst im Arbeitskräftemangel. Allerdings geriet
das Geschäft nur vorübergehend ins Stocken. Da die Meister und Gesellen
größtenteils eingerückt waren, nahmen alte Männer und auch Frauen die
Arbeit in den Schmieden auf. Zu Hilfsarbeiten wurden auch russische
Kriegsgefangene herangezogen. So kam es, dass im Jahr 1915 der höchste
Umsatz seit Gründung der Genossenschaft verzeichnet wurde, der im
darauf folgenden Jahr noch einmal überboten werden konnte.
Nachdem der Krieg verloren und die Monarchie zusammengebrochen war,
hatte sich das Wirtschaftsgebiet wesentlich verkleinert. Das hatte zur
Folge, dass die Ausfuhr von Waren schwieriger wurde. Der
Zahlungsverkehr war nicht mehr gesichert, und die Inflation stieg ins
Unermessliche. Ab dem Jahr 1929 begann die weltweite Wirtschaftskrise.
Der größte Teil der Genossenschaftsmitglieder konnte der steigenden
Inflation nicht standhalten. Die wirtschaftlichen und politischen
Bedingungen haben den Weg für Adolf Hitler bereitet.
Rechenmaschine, „The Sundstrand", 1925 (Fa. Riess Kelomat GmbH)
Heimat und Helden - verzerrte
Wirklichkeiten
Österreich ging aus dem Ersten Weltkrieg als Verlierer hervor. Große
Teile des ehemaligen Staatsgebietes mussten abgetreten werden, das
Gebiet der neuen Republik schrumpfte auf zwölf Prozent der ehemaligen
österreichisch-ungarischen Monarchie. Am 12. November 1918 wurde durch
die Provisorische Nationalversammlung die Erste Republik unter dem
Namen „Deutschösterreich" ausgerufen. Ein Jahr später, im
Friedensvertrag von St. Germain untersagten die Alliierten die
Bezeichnung „Deutschösterreich" und sprachen sich gegen einen
Zusammenschluss mit Deutschland aus. Die junge Republik hatte vom Tag
ihrer Gründung an mit schweren wirtschaftlichen und sozialen Problemen
zu kämpfen.
Das Selbstbewusstsein der Österreicher war erschüttert. So versuchte
man, durch eine Überhöhung des Heimatbegriffes und eine Verherrlichung
der im Krieg gefallenen Soldaten als Helden eine neue Identität zu
schaffen.
Erinnerung an den ersten Weltkrieg, um 1920
„Zur Erinnerung an die Dienstzeit. Die Artillerie zu Fuß und zu Pferd
ist stets des höchsten Ruhmes wert."
Sammlung Marktgemeinde Ybbsitz
Küche, Kochen und Genießen
Wer kennt es nicht, das vertraute Gefühl, das den Körper durchflutet,
wenn beim Besuch bei der Mutter das Essen duftet. Erinnerungen werden
wach, man fühlt sich in die Kindheit zurückversetzt. Regionale Küche
funktioniert nach einem sehr ähnlichen Mechanismus. Mit regionalen
Speisen ist es möglich, sich ein Stück Heimat einzuverleiben. Das gilt
nicht nur für die Bewohner einer bestimmten Kulturlandschaft: Über
regionale Gerichte ist es auch dem Reisenden möglich, ein Stück Land
mit seiner Kultur auf sehr einfache und schmackhafte Weise kennen zu
lernen. In Ybbsitz werden bis zum heutigen Tag die für die Zubereitung
regionaler Gerichte notwendigen Küchenutensilien hergestellt. Eine
Übersicht über die große Produktpalette aus etwa einem Jahrhundert ist
hier zu sehen.
Fondueset, 1982 (Fa. Riess Kelomat GmbH)
Kulturpark Eisenstraße: Eine Region
pflegt ihre Wurzeln
Im Jahre 1990 wurde der Verein „Kulturpark Eisenstraße-Ötscherland" ins
Leben gerufen. Er umfasst 26 Mitgliedsgemeinden und wird von der EU
gefördert ("Leader-plus-Region").
Das gesamte Netzwerk der österreichischen Eisenstraße erstreckt sich
über Gebiete der Bundesländer Niederösterreich, Oberösterreich und
Steiermark. Derzeit sind 76 Gemeinden rund um den Erzberg miteinander
verbunden.
Seit Gründung des Vereins „Kulturpark Eisenstraße-Ötscherland" werden
die historischen Schmiedetechniken wieder gepflegt. Man vermittelt den
Besuchern Einblicke in die Arbeitsweisen der Schmiede, die sich über
die Jahrhunderte überliefert haben. Aus der langen Schmiedetradition
entwickeln sich durch das Engagement der Schmiede in Ybbsitz neue
Kooperationen mit Partnern in ganz Europa („Ring der Schmiedestädte")
und neue Festivals („Ferraculum"). Auch zeitgenössische Künstler wie
Professor Alfred Habermann wirken im Ort. Für Besucher, die in die
Kunst des Schmiedens eintauchen möchten, gibt es ein dichtes
Kursangebot.
Wenn man vom „Schmiedezentrum Ybbsitz" spricht, dann meint man einen
ganz besonderen Erlebnisort mit sehr alter Geschichte. Die Spuren der
Handwerkstradition sind hier noch sichtbar, sie werden entsprechend
bewahrt und neu belebt. Initiativen wie „Schmiedemeile",
„Schmiedeweihnacht" oder „Messermarkt" sind Teil dieser Identität.
Und seit 2010 ist „Schmieden in Ybbsitz" auch als immaterielles
Kulturerbe anerkannt. Ein ganzer Ort, der seinen Aufstieg der
Eisenverarbeitung verdankt, hat sich gleichsam neu erfunden. Nach
Ybbsitz kommt man, um etwas zu erleben und um zu lernen: Schmiedekurse
und eine eigene Schmiedeakademie ziehen Metallverarbeiter aus ganz
Europa an. Höhepunkt ist das alle zwei Jahre stattfindende Schmiedefest
„Ferraculum", eine einzigartige Drehscheibe für Information und
Motivation in Mitteleuropa. Ybbsitz und die Magie des Schmiedens, das
ist mittlerweile eine internationale Erfolgsgeschichte.
KRONE UND REICHSAPFEL
Ehrengaben an KR Waltraud Welser mit eingearbeiteten Halbedelsteinen
aus Ybbsitz und der Region Eisenstraße (2005)
HANDWERKERWANDERTRACHT SCHMIED UND WANDERSTOCK (Leihgabe Thomas
Hochstädt)
DER STAMMVATER Matthäus Weißenhofer
[CA.1500-1570]
Der Überlieferung nach stammen die Weißenhofer aus dem Rheinland, sie
dürften bald nach 1500 nach Ybbsitz eingewandert sein. Damals wurden
zahlreiche Schmiede vom Stift Seitenstetten angeworben. In der Folge
nahm der Markt Ybbsitz einen beachtlichen wirtschaftlichen Aufschwung.
1559 werden erstmals drei Schmiedemeister mit dem Namen Weißenhofer
genannt: Matthäus, Hans und Lambrecht. Matthäus gilt als der Stammvater
der später weit verzweigten Schmiedefamilie, die bis ins 20.
Jahrhundert in Ybbsitz ansässig war.
Genau genommen muss man von mehreren Weißenhofer-Familien sprechen, in
die sich die Nachkommenschaft von Matthäus über die Jahrhunderte hin
aufgespaltet hat. Die Weißenhofer waren Krautmesser, Hacken- und
Scherschmiede, in erster Linie aber Reifmesserschmiede. Sie stellten
spezielle Werkzeuge für die Holzbearbeitung her: Reifmesser benötigte
man zur Entrindung von Bäumen, zur Herstellung von Schindeln oder im
Fassbau. Von den neun Reifmesserschmieden, die 1643 in Ybbsitz genannt
werden, trugen acht den Namen Weißenhofer. Sie übten weit und breit so
etwas wie ein Monopol aus, denn diese speziellen Produkte wurden
großteils nur in Ybbsitz gefertigt.
Mit der Zeit umfasste das Repertoire der Reifmesserschmiede eine große
Produktpalette: Breite, schmale, halbrunde Reifmesser, Krummeisen,
Ledermesser, Baumschaber, Deutsche, Ungarische und Raizische
Weinmesser, Hobeleisen, Ledererfalz, Stockschaber, Messer und
Winkeleisen für Wagner, alle Gattungen Stemmzeuge usw. Matthäus ist der
älteste bekannte Reifmesserschmied im Ybbstal. Sein Hammer stand am
Prollingbach in der Noth. Dort gab er sein Handwerk an seine
Nachkommen weiter.
* * *
Als eine der ältesten und größten Schmiedefamilien in Ybbsitz waren die
Weißenhofer aktiv am wirtschaftlichen Erfolg einer ganzen Region
beteiligt. Über 400 Jahre haben sie auch wesentlich die Geschicke des
Marktes mitbestimmt: als Marktrichter, Ratsbürger, Zechmeister... Und
auch im kulturellen Bereich haben sie ihre Spuren hinterlassen: Der
Jugendschriftsteller P. Robert Weißenhofer (1843-1900) und der
Kunsthistoriker Josef Anselm Weißenhofer (1883-1961) sind bedeutende
Vertreter dieser Familie.
Der Weißenhofer-Ranm im Museum FeRRUM eröffnet neue Einblicke in die
Geschichte von Ybbsitz. Hier erzählt der „Eisenstraßenmann“, warum der
Ort einst zu einem wichtigen Schmiedezentrum in Europa wurde.
AUF DER WALZ
Mit der „Walz" werden seit dem Spätmittelalter jene Wanderjahre
bezeichnet, die ein Geselle nach dem Abschluss seiner Lehrzeit
absolvieren muss, um später einmal als Meister zugelassen zu werden. In
den Wanderjahren lernt er fremde Länder, unterschiedliche Gebräuche,
vor allem aber neue Handwerkspraktiken kennen. In vielerlei Hinsicht
ist die Walz eine Schule des Lebens.
Ybbsitz, jahrhundertelang Zentrum für Professionisten, war auch
traditionelle Herberge für fremde Gesellen. Viele von ihnen fanden hier
Arbeit und einen neuen Lebensmittelpunkt. So auch Adam Welser, der
Stammvater des heutigen Familienunternehmens, der 1664 von der Zell in
Waidhofen kam.
Die Tradition des „Auf-die-Walz- Gehens" ist im Zeitalter der
Industrialisierung weitgehend abgekommen. Erst seit verschiedene
Aktivitäten das alte Schmiedehandwerk wiederbeleben, kommen wandernde
Schmiede wieder in den Ort. Sie beziehen Quartier, nehmen an
Metallkursen teil, tauschen sich mit ansässigen Schmieden aus - und
manchmal kommt es vor, dass einer hier „hängen bleibt". So wie der aus
Sachsen stammende Thomas Hochstädt.
„Schmieden in Ybbsitz" war jahrhundertelang die wirtschaftliche
Lebensader des Orts. Heute ist es ein wertvolles Kulturgut und seit
2010 durch die Österreichische UNESCO-Kommission als immaterielles
nationales Kulturerbe anerkannt. Wer sind die Träger dieses Erbes und
welche Initiativen halten das Schmiedehandwerk heute lebendig? Das
immaterielle Kulturerbe hat viele Gesichter. Es sind die Ybbsitzer und
alle europäischen Schmiede, die sich regelmäßig in Ybbsitz treffen,
sich austauschen, ihre Arbeiten präsentieren. Es sind die Lehrer, die
an der Schmiedeakademie unterrichten und in verschiedenen Metallkursen
alte Handwerkstechniken weitergeben. Es sind die Touristiker und
Kulturvermittler, die mit ihren Programmen für internationale Wirkung
sorgen.
Und es sind nicht zuletzt die Regionalpolitiker, die Fenster nach außen
öffnen und die Welt nach Ybbsitz holen.
YBBSITZ UND SEINE Schmiedegeschlechter
Es sind in erster Linie die Schmiedefamilien, die die Geschichte des
Marktes Ybbsitz schrieben. Mit ihrem Handwerk, dem über Generationen
vererbten Know-how und ihrem Arbeitseifer haben sie den heutigen
Wohlstand der Region mitgeschaffen. Wer sich mit der Geschichte des
Schmiedens in Ybbsitz beschäftigt, begegnet immer wieder denselben
heute noch bekannten Namen: den Damisch, Schölnhammer, Weißenhofer,
Schrottmüller, Fürnschlief, Welser, Riess oder Sonneck. Sie können auf
eine mehrhundertjährige Familientradition zurückblicken. In den alten
Quellen werden die Damisch und Schölnhammer bereits 1490 genannt. In 43
von 82 Häusern wird damals Eisen verarbeitet, 18 Hämmer werden gezählt.
Bald nach 1500 kommt es zu einer zweiten, durch das Stift Seitenstetten
gezielt betriebenen Ansiedlung von Schmieden in Ybbsitz. Man kann von
einer wirtschaftlich überaus erfolgreichen "Gründerzeit" im 16.
Jahrhundert sprechen, die Ybbsitz bis heute auch kulturell geprägt hat.
In dieser Zeit erhält die Pfarrkirche ihr heutiges Erscheinungsbild,
die Bürgerhäuser im Markt werden aufgestockt oder völlig neu gebaut. Es
ist die Blütezeit der Ybbsitzer Schmiedezunft: 1580 fertigen 90
Schmiede ihre Produkte. Zu ihnen zählen auch fünf Schmiedemeister mit
dem Namen Weißenhofer. Sie sind schon damals eine weit verzweigte
Familie - kein Name scheint so oft in den Quellen auf. Ihr Handwerk war
in Europa gefragtes Spezialistentum. Als Ratsbürger, Marktrichter und
Zechmeister gehörten sie zu den angesehensten Bürgern im Markt. Mehr
als 400 Jahre bleibt ihre Geschichte eng verbunden mit der des Eisens
in Ybbsitz.
Auf der Basis einer langen Geschichte, gepaart mit einer großen
Offenheit für neue Herausforderungen, entwickelten sich in Ybbsitz
Betriebe mit Netzwerken und Kunden auf der ganzen Welt. Als Beispiel
sei die Firma Welser genannt. Der Familienbetrieb, der auf einer
340-jährige Firmengeschichte aufbaut, fand durch den Umstieg auf neue
Produktionsverfahren und Produktpaletten den Anschluss an die globale
Wirtschaft und stellt einen wichtigen Wirt- schaftsfaktor für die
Region dar. Zahlreiche andere Betriebe, wie etwa die Firma Riess
Kelomat, haben ihre Herstellungsverfahren modernisiert, produzieren
jedoch noch heute in ihrem ursprünglichen Verkaufssegment.
Skulptur „Antiker Frauenkopf" - Hergestellt aus Profilen der Firma
Welser Profile AG, Ybbsitz
Idee: Franz Wahler, Ausführung: Franz Wahler, Mag. Alois Wagner
Konzept ist, das industrielle Produkt „Profil" in eine emotionale Ebene
zu bringen. Diese Skulptur ist Frau KR Waltraud Welser zugeeignet.
Eisen - ein Metall auf dem Siegeszug
Das älteste archäologische Fundstück aus bearbeitetem Eisen stammt aus
dem nördlichen Anatolien und wird etwa auf die Mitte des 3.
Jahrtausends v. Chr. datiert. Trotz des frühen Wissens um das Metall
begann es erst ab dem 2. Jahrtausend eine bedeutendere Rolle zu
spielen. Die Hethiter, ein Volk im östlichen Kleinasien, ersetzten nach
und nach einen Großteil ihrer verwendeten Metalle durch Eisen, so
genanntes Schweißeisen. Dieses musste aufgrund seiner Verunreinigungen
noch mehreren Schmiedegängen unterzogen werden. Seinen Siegeszug trat
das Metall erst durch die Entdeckung einer neuen Härtemethode Mitte des
2. Jahrtausends an: Man schreckte das glühende Eisen mit kaltem Wasser
ab.
Zur Zeit der klassischen Antike fand der Werkstoff Verwendung bei der
Ausrüstung der Armeen. Die Kelten des Alpen- und Donauraumes waren
berühmt für ihre geschmiedeten Schwerter (Norisches Eisen). Einen
wichtigen Entwicklungsschritt in der Spätantike stellt die Technik des
"Damaszierens" dar. Dabei wurden verschiedene Eisen- und Stahlschichten
miteinander verbunden. Da Eisen weit häufiger in der Natur vorkommt als
Kupfer oder Zinn, löste es rasch die anderen Werkstoffe ab. Etwa zu
Beginn des 2. Jahrhunderts v. Chr. war Eisen zum gebräuchlichsten
Material für Alltagsgegenstände aller Art geworden.
Seit dem Mittelalter durchdringen Eisen- und Stahlerzeugnisse immer
mehr den menschlichen Alltag. Vorerst bleiben sie noch lange Zeit
"besondere" Gegenstände und behalten vielfach eine nachgerade
„magische" Ausstrahlung. Die Industrialisierung schließlich überflutet
unsere Welt mit Eisen und Stahl. Eisenbahn, Schifffahrt, Architektur,
Energie, Kommunikation usw. verändern und bestimmen die Wahrnehmung
aller Menschen. Heute ist uns das Material selbstverständlich geworden:
Eisen und Stahl sind uns im Alltag in einem solchen Ausmaß vertraut,
dass wir sie oft kaum noch bewusst sehen, obwohl sie uns ständig
umgeben.
Es ist ein vertrautes Bild - der Schmied bei seiner schweißtreibenden
Arbeit. Sein Körper ist kraftvoll und gestählt, sein Gesicht leuchtet
auf im Feuerschein der Esse. Er beherrscht das Feuer. Mit äußerster
Konzentration schwingt er seinen Hammer auf das zu bearbeitende
Schmiedestück. Quer durch die Kunstgeschichte, von der Antike bis ins
20. Jahrhundert finden wir das Bild des Hammer schwingenden Schmieds
oder Arbeiters.
Wenn man vom „Schmiedezentrum Ybbsitz" spricht, dann meint man einen
ganz besonderen Erlebnisort mit sehr alter Geschichte. Die Spuren der
Handwerkstradition sind hier noch sichtbar, sie werden entsprechend
bewahrt und neu belebt. Initiativen wie „Schmiedemeile",
„Schmiedeweihnacht" oder „Messermarkt" sind Teil dieser Identität. Und
seit 2010 ist „Schmieden in Ybbsitz" auch als immaterielles Kulturerbe
anerkannt.
Ein ganzer Ort, der seinen Aufstieg der Eisenverarbeitung verdankt, hat
sich gleichsam neu erfunden. Nach Ybbsitz kommt man, um etwas zu
erleben und um zu lernen: Schmiedekurse und eine eigene
Schmiedeakademie ziehen Metallverarbeiter aus ganz Europa an. Höhepunkt
ist das alle zwei Jahre stattfindende Schmiedefest „Ferraculum", eine
einzigartige Drehscheibe für Information und Motivation in
Mitteleuropa. Ybbsitz und die Magie des Schmiedens, das ist
mittlerweile eine internationale Erfolgsgeschichte.
Gebrauchsgegenstände aus geschmiedetem Eisen finden wir seit dem
Mittelalter in allen Lebensbereichen. Geschmiedetes Werkzeug und Gerät
bilden häufig die Voraussetzung für Fortschritt in Ackerbau, Handwerk,
Handel und Transportwesen sowie im Schiffbau. Mit zunehmender Bedeutung
der Eisenverarbeitung wachsen auch die Herausforderungen an die
Schmiede. Dies führt zu einer weit reichenden Spezialisierung des
Schmiedehandwerks, vor allem in städtischen Ballungsräumen. In Nürnberg
zählt man Mitte des 16. Jahrhunderts in der Metallverarbeitung an die
70 Berufs- gruppen.
Auf dem Land ist die Spezialisierung nicht so ausgeprägt. Hier ist der
Schmied weitgehend Universalhandwerker, der neben den eigentlichen
Schmiedearbeiten, wie Hufbeschlag und Herstellung landwirtschaftlicher
Geräte, diverse Eisenwaren vertreibt und sich auch als Tierarzt
betätigt. Mit dem Aufschwung des geschmiedeten Gebrauchsgegenstandes
wird auch dessen ornamentale Ausstattung immer beliebter und
reichhaltiger. Angewendet werden verschiedene Techniken wie Ätzung,
Gravur, Tauschieren, Vergolden etc. Im 16. und 17. Jahrhundert erreicht
die Schmiedekunst ihren Höhepunkt und wird danach Schritt für Schritt
von der industriellen Fertigung abgelöst.
RETTET DIE ERDE, Erde Ferraculum, 2002 - Rudolf Molnar, Joszef Molnar,
Deutschland
OHNE NAME, Prägen - Prägung, Schmiedeweihnacht 2018 - Petro
Kokhanovskyi, Ukraine
Die drei Kilometer lange Schmiedemeile lädt ein zu einer Wanderung
entlang des romantischen Prollingbaches. Zwischen der Kleinen Ybbs, den
Voralpenhügeln, den stattlichen Bauernhöfen im Norden und dem
Prochenberg und Maisberg im Süden erstreckt sich eine Landschaft, die
ihren unvergleichlichen Charme aus der Verbindung von Natur und
historischer Arbeitskultur gewinnt. Der manchmal wild tosende, dann
wieder ruhig plätschernde Prollingbach, die Lebensader der
Schmiedekultur, führt zu acht Meilensteinen, Höhepunkte einer
historischen, aber auch zeitgenössischen Inszenierung der Landschaft.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts begann der Niedergang der
Kleineisenindustrie. Mit Hilfe der niederösterreichischen Handels- und
Gewerbekammer sowie der 1888 gegründeten "Kaiser-Franz-Josef-Stiftung
zur Hebung der Kleineisen-Industrie" setzte man 1889 erste
Gegenmaßnahmen. Nach verschiedenen Anläufen kam es schließlich 1903 zur
Gründung der Werks- und Verkaufsgenossenschaft "Vereinigte
Schmiedegewerke in Ybbsitz und Umgebung", um den von den Schmieden
getätigten Ein- und Verkauf genossenschaftlich zu regeln.
Ihren Sitz hatte diese Vereinigung hier im "Schwarzen Haus". Es diente
als kaufmännischer Stützpunkt und Verpackungsstätte der Waren. Im
gegenüberliegenden ehemaligen Welser Hammer wurde eine Musterwerkstätte
geschaffen.
Nach anfänglich guten Erfolgen forderten Krieg und Nachkriegszeit ihren
Tribut. Die Auflösung der Werks- und Verkaufsgenossenschaft erfolgte
1932. Trotzdem stellte sie nach fachkundigem Urteil "den einzigen
geglückten Versuch einer Neuorganisation unter Beibehaltung der
traditionellen kleingewerblichen Struktur in der Eisenwurzen dar." Alle
anderen Sanierungsaktionen dieser Art scheiterten.
* * *
Das denkmalgeschützte Lagerhaus Sonneck II und Marktbrunnen beim
Schwarzen Haus
Das ehemalige Hammerherrenhaus, auch Schwarzes Haus genannt, ist ein
zweigeschoßiges Bauwerk mit Walmdach aus dem Ende des 18. Jahrhunderts
(im Kern spätmittelalterlich).
Der Marktbrunnen in der Hammerschmiedstraße ist ein 1834 errichteter
Brunnen mit oktogonalem Becken und eingestelltem Pfeiler mit
Kugelaufsatz.
DER SCHAUMARKT: In dieser Umgebung fand früher die Qualitätskontrolle
der Ybbsitzer Schmiedeerzeugnisse statt. Um die Güte der
Handwerkserzeugnisse zu überprüfen, wurden sogenannte "Beschaumeister"
bestimmt. Ihre Aufgabe war es, die Waren der übrigen Meister auf ihre
Qualität hin zu überprüfen. Mit dieser Regelung wurde einer Schädigung
der Handwerksehre vorgebeugt.
Das "Magazin" bei Werkstätten und Kanzleigebäude der
Werksgenossenschaft "Vereinigte Schmiedegewerke" in Ybbsitz.
Genossenschaftshammer und Lagergebäude (Sonneckwerk II) - Ein
breitgiebeliger biedermeierlicher eingeschoßiger Bau mit Sichtelfirst
und Kragsteinen, der 1903 umgebaut wurde.
Die Frauenzeche war mit dem wirtschaftlichen, religiösen und sozialen
Leben der Schmiede eng verbunden. Sie begleitete die Mitglieder von der
Lehr- und Gesellenzeit über die Meisterjahre bis zum Begräbnis. Auch
die Altersversorgung armer und erwerbsunfähiger Meister und Gesellen
wurde von der Zeche geregelt. Grundbedingung für die Aufnahme war die
eheliche Geburt. Die Lehrzeit schwankte, je nach Gewerbe, zwischen drei
und fünf Jahren. Danach erfolgte vor den versammelten Handwerkern der
"Freispruch". Das Heiligtum der Zeche war die "Lade", der
Aufbewahrungsort von Vermögen und Dokumenten. Am Schmiedejahrtag wurde
die "Lade" bei einem feierlichen Umzug zur Schau gestellt.
DOPPELSTÄNDER - EXZENTERPRESSE
Diese Maschine aus den Beständen der Firma Sonneck hatte eine
Druckkraft von 350 Tonnen und wurde nach dem Zweiten Weltkrieg unter
anderem für die Produktion von Hacken, Krampen und Schlägeln eingesetzt.
Florianikapelle ist eine barocke Kapelle mit einem Schopfwalmdach, die
1911 vergrößert wurde und in der sich eine Statue des hl. Florian um
1700 befindet.
Pest-/Dreifaltigkeitssäule aus dem 17. Jahrhundert stand bis 1931 an
der Hafnerbrücke. Jetzt steht die Pestsäule auf Markt 15.
Der Kirchturm der Pfarre Ybbsitz vor der Kulisse des Prochenberg
Wem der viele Text zu lange war und lieber Bewegtbilder mit Musik mag,
kann sich gerne dieses Video antun: